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Autor Thema: Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?  (Gelesen 112746 mal)

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Offline Black

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #150 am: 15. Juli 2009, 15:52:55 »
Ich hatte schon vor geraumer Zeit hier geäußert:

Zitat
Original von Black
Ich sehe noch immer kein handfestes Argument gegen den Leitbildgedanken bei Preisanpassungen, denn § 307 BGB verbietet ja nicht ausdrücklich die Einbeziehung der GVV sondern pauschal unangemessene Klauseln. Was im Einzelfall nach § 307 BGB noch zulässig ist, ist im einzelfall gerichtliche Wertungsfrage. Und das OLG Celle hat eine entsprechende Klausel bereits für zulässig (Urteil vom 17.01.2008 - 13 U 152/07 ) gehalten. Letztendlich also nur eine Wertungsfrage.

Und der BGH hat nun im Rahmen des § 307 BGB gewertet, ob eine Gleichbehandlung der Normsonderkunden mit Tarifkunden eine unangemessene Benachteiligung darstellt. Und er hat diese Frage verneint.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline reblaus

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #151 am: 15. Juli 2009, 16:00:40 »
@RR-E-ft
Ihre Ansprüche an die Formulierung von Preisänderungsklauseln laufen doch nur darauf hinaus, diese unmöglich zu machen. Kurzfristig dienen Sie damit den Interessen der Verbraucher, da bei bestehenden Verträgen mit bestehenden Lieferanten nur durch Kündigung Änderungen vollzogen werden können. Langfristig schadet diese Strategie aber mehr als sie nützt. Unanwendbare gesetzliche Rahmenbedingungen schrecken potentielle Lieferanten ab, auf dem Markt tätig zu werden. Diese Entwicklung erkaufen wir mit Mondpreisen, die sich die etablierten Versorger für ihren erhöhten Aufwand bezahlen lassen.

Hoher Mieterschutz führt zu weniger Wohnungsbau. Übertriebener Kündigungsschutz verhindert Einstellungen im Boom. Wann lernen wir endlich, dass nur ausgewogene Rechte und Pflichten beiden Seiten Nutzen bringen.

Zu den Denkgesetzen gegen die verstoßen werden kann gehört auch, dass man die Denkansätze anderer selbst durchdenken sollte, bevor man ihnen Denkfehler attestiert.

Zitat
Original von black Und der BGH hat nun im Rahmen des § 307 BGB gewertet, ob eine Gleichbehandlung der Normsonderkunden mit Tarifkunden eine unangemessene Benachteiligung darstellt. Und er hat diese Frage verneint.
Ich habe davon gehört, wir hätten eine Verfassung und da stünde ein ähnlicher Quatsch in Art. 3 GG :D

Offline Opa Ete

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #152 am: 15. Juli 2009, 16:04:34 »
also dieses Urteil ist ja nun eindeutig ein Sieg für die Verbraucher.
Wenn in den Preisanpassungsklauseln keine Pflicht zur Preissenkung beschrieben ist - und das betrifft sehr viele (oder fast alle) Preisanpassungsklauseln -,
dann sind sie ungültig und der Verbraucher muss die Erhöhungen nicht zahlen. Selbst der deutsche Mieterbund hat dieses Urteil begrüßt!

Gruß Opa Ete

Offline reblaus

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #153 am: 15. Juli 2009, 16:08:28 »
@Opa Ete
Es ist ein Sieg im doppelten Sinne. Zum einen wurde nochmals klargestellt, dass Klauseln zur beliebigen Preisanpassung unwirksam sind. Desweiteren wurden den Gaslieferanten klare Handlungsanweisungen an die Hand gegeben, ihre Verträg zukünftig rechtssicher auszugestalten. Dies wird viele neue Anbieter freuen, die mit günstigen Tarifen den Platzhirschen Marktanteile abjagen werden.

Offline RR-E-ft

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #154 am: 15. Juli 2009, 16:18:04 »
@reblaus

Zitat
@RR-E-ft
Ihre Ansprüche an die Formulierung von Preisänderungsklauseln laufen doch nur darauf hinaus, diese unmöglich zu machen. Kurzfristig dienen Sie damit den Interessen der Verbraucher, da bei bestehenden Verträgen mit bestehenden Lieferanten nur durch Kündigung Änderungen vollzogen werden können. Langfristig schadet diese Strategie aber mehr als sie nützt. Unanwendbare gesetzliche Rahmenbedingungen schrecken potentielle Lieferanten ab, auf dem Markt tätig zu werden.

Das stimmt doch nicht. Änderungskündigungen beleben sogar den Wettbewerb, weil die Verbraucher sich anlässlich einer solchen neu auf dem Markt orientieren.

Sehen Sie sich nur die Entscheidungen des BGH NJW 200, 651; Urt. v. 13.07.04 - KZR 10/03 unter II.6; Urt. v. 15.11.2007 - III ZR 247/06 und Urt. v. 21.04.09 - XI ZR 78/08 dazu an, welche Anforderungen für die Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln gem. § 307 BGB nach allgemeinem Vertragsrecht zu stellen sind, gerade weil anders keine Ausgewogenheit sprich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders vorliegt. Insbesondere § 310 Abs. 2 BGB rechtfertigt keine Abweichung hiervon.

BGH, Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08 Tz. 38 schlagen Sie also in den Wind?!


Der Grundsatz lautet, dass beide Vertragspartner gleichermaßen für die Dauer eines Lieferverhältnisses an den bei Abschluss vertraglich vereinbarten Preis gebunden sind, § 433 II BGB. Will ein Energielieferant durch Preisänderungsklauseln in AGB diese Bindung für sich lockern, bedarf es dafür einer transparenten Preisänderungsklausel gem. § 307 BGB. Sonst wird der vertraglich geschuldete Preis für den Kunden vollkommen unkalkulierbar. Folglich kann er auch nicht wissen, ob der abgeschlossene Vertrag für ihn nicht etwa nur für den Augenblick günstig ist bzw. günstig erscheint.  

Man kommt auch ganz ohne Preisänderungsklauseln aus, wenn man zB. Lieferverträge mit vorgegebener Laufzeit abschließt oder der Lieferant sowieso ein Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung des Vertrages hat und sich deshalb aus einem für ihn ungünstig werdenden Vertragsverhältnis durch (Änderungs-) Kündigung lösen kann.

Dass die geltenden rechtlichen Regelungen dazu führen könnten, dass weniger Energie angeboten oder nachgefragt wird, halte ich für nicht unbedingt naheliegend.

Offline Black

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #155 am: 15. Juli 2009, 16:22:04 »
Zitat
Original von Opa Ete
also dieses Urteil ist ja nun eindeutig ein Sieg für die Verbraucher.
(....)
 Selbst der deutsche Mieterbund hat dieses Urteil begrüßt!

Dann sind wir ja ALLE glücklich (außer RR-E-ft scheinbar)
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

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Offline nomos

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #156 am: 15. Juli 2009, 16:30:49 »
Zitat
Original von Black
Dann sind wir ja ALLE glücklich (außer RR-E-ft scheinbar)
    Warten wir ab, wie lange das Glück anhält:

    Bezug:
BGH, Urt. v. 15.07.2009 VIII ZR 225/07 Abgrenzung Tarifkunde, Unwirksame Klausel

Also ob da alle Rechtsunsicherheit beseitigt ist? Auch dieses Urteil beseitigt das Chaos nicht. Klare Gesetze sind hier angesagt und kein Richterrecht. Die Poltik ist gefordert. Hier versteckt sich auch ein Wahlprüfstein!  :)

Ein \"Normsondervertrag\", dieses absonderliche Wortgebilde kann nur Juristen einfallen ;), ist also nach diesem BGH-Urteil jetzt ein Stück weniger Sondervertrag. Die in diesen Vertrag einbezogenen Bedingungen, die eigentlich nur für Tarifkunden gelten, halten einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Müssen also nicht mehr geprüft werden.

Welche laufenden Verfahren da jetzt wohl betroffen sind?

... also weiter mit 315.
Einzelerfolge beim Thema \"Sondervertragsanpassungsklauseln\" wirken ohnehin nicht auf Dauer und bringen nicht die Generallösung für die Verbraucher.

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Offline Black

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #157 am: 15. Juli 2009, 16:34:07 »
Zitat
Original von reblaus

Zitat
Original von black Und der BGH hat nun im Rahmen des § 307 BGB gewertet, ob eine Gleichbehandlung der Normsonderkunden mit Tarifkunden eine unangemessene Benachteiligung darstellt. Und er hat diese Frage verneint.

Ich habe davon gehört, wir hätten eine Verfassung und da stünde ein ähnlicher Quatsch in Art. 3 GG :D

Da haben Sie falsch gehört. In Artikel 3 GG steht, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind (Abs. 1). Dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. (Abs. 2) Und das niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf (Abs.3)
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Offline RR-E-ft

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #158 am: 15. Juli 2009, 16:49:17 »
Es ist vollkommen richtig, dass da wo einen  Energieversorger eine gesetzliche Versorgunpflicht (Grundversorgung) trifft, er gesetzlich zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung verpflichtet ist, dafür Allgemeine Preise aufzustellen hat und gesetzlich zur Bestimmung und Änderung dieser Preise gleichermaßen berechtigt und verpflichtet ist, eine gerichtliche Billigkeitskontrolle als Ausübungskontrolle des bestehenden Leistungsbestimmungsrechts gegenüber grundversorgten Kunden stattfindet.

Das obiter dicta des Senats in der heutigen Entscheidung hätte nun zur Folge, dass eine solche gerichtliche Kontrolle auch bei Sonderverträgen außerhalb jeder gesetzlichen Versorgungspflicht zu erfolgen hätte, wenn nur die Preisänderungsklauseln entsprechend ausgestaltet wären. Die Gerichte hätten also auch für solche Sonderverträge zu kontrollieren, ob einseitige Preiserhöhungen erforderlich und angemessen waren und ob eine bestehende Verpflichtung zur Preissenkung jeweils ebenso erfüllt wurde undzwar auch dann, wenn die Parteien gerade kein einseitiges Leistungsbestiommungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB bei Vertragsabschluss vereinbart hatten, sondern sich auf einen besonderen Preis bei Vertragsabschluss geeinigt hatten.

Dies liefe gerade auch der gesetzlichen Regelung des § 315 BGB zuwider, die eine Billigkeitskontrolle grundsätzlich nur dann zulässt, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss vereinbart haben, ein Vertragsteil solle den zu zahlenden Preis erst nach Vertragsabschluss einseitig bestimmen (vgl. BGH Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 Tz. 32; Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 16).

Zitat

BGH, Urt. v. 19.11.2008 (VIII ZR 138/07) Tz. 16

Eine unmittelbare Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrages die Leistung bestimmen. Daran fehlt es, wenn zwischen den Parteien eine vertragliche Einigung über den Preis zustande gekommen ist.

Zu einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle ließe sich deshalb nur dann gelangen, wenn die Auslegung ergibt, dass sich die Parteien bei Vertragsabschluss noch nicht auf einen Preis geeinigt haben, vielmehr ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten vereinbart wurde. Das widerum hätte indes eine Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises bei solchen Sonderverträgen zur Folge, die für Tarifkunden gerade abgelehnt wurde.

Offline reblaus

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« Antwort #159 am: 15. Juli 2009, 17:02:17 »
@Black
Das sollte ein Witz sein. Wenn man ihn aber erklären muss, war er wohl schlecht.

@RR-E-ft
Zitat
Original von RR-E-ft Die Gerichte hätten also auch für solche Sonderverträge zu kontrollieren, ob einseitige Preiserhöhungen erforderlich und angemessen waren und ob eine bestehende Verpflichtung zur Preissenkung jeweils ebenso erfüllt wurde undzwar auch dann, wenn die Parteien gerade kein einseitiges Leistungsbestiommungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB bei Vertragsabschluss vereinbart hatten, sondern sich auf einen besonderen Preis bei Vertragsabschluss geeinigt hatten.
Wie kommen Sie denn jetzt darauf? Wenn kein einseitiges Preisänderungsrecht vereinbart wurde, gibt es ein solches auch nicht. Zwangsbeglückung findet nicht statt.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #160 am: 15. Juli 2009, 17:06:44 »
@reblaus

Möglicherweise haben sie die praktische Gleichstellung der Normsondervertragskunden mit den Tarifkunden nicht verstanden.

Bei Normsondervertragskunden wäre der Lieferant wie gegenüber Tarifkunden nach den Maßstäben der Billigkeit zur nachträglichen Preisänderung gleichermaßen berechtigt und verpflichtet, was eine entsprechende gerichtliche Kontrolle zur Folge hätte. Der Senat meint, aus § 310 Abs. 2 BGB ergäbe sich dabei eine Gleichbehandlung zwischen Normsonderkunden und Tarifkunden, was eine gerichtliche Billigkeitskontrolle einschließen muss, weil Normsonderkunden ja sonst schlechter gestellt wären als Tarifkunden.

Wurde kein Preisänderungsrecht wirksam vereinbart, sind einseitige Preisänderungen per se unzulässig und unwirksam  findet deshalb auch keine Billigkeitskontrolle statt (BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 255/07).

Offline Black

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« Antwort #161 am: 15. Juli 2009, 17:26:55 »
Durch die Gleichstellung von Tarifkunden und (Norm)Sonderkunden wird künftig die Preisüberprüfung fairer.

Bisher war es doch das Ziel der Verbraucheranwälte in Verfahren den betroffenen Kunden möglichst als Sonderkunden darzustellen aber auf keinen Fall als Tarifkunden.

Selbst langjährig grundversorgte Kunden sollten ja nach den neuesten Vorstellungen mit dem Argument Bestabrechnung = Sonderkunde rechtlich aus der Grundversorgung herausgebrochen werden.

Bei Sonderkunden kam es nämlich nicht mehr wirklich darauf an, ob der Versorger Preise kalkulativ zu recht oder unrecht angehoben hatte. Mit dem Argument \"keine wirksame Preisanpassungsklausel\" war es viel erfolgversprechender Preisanpassungen für nichtig zu erklären (egal ob diese wirtschaftlich berechtigt waren oder nicht).

Mit der neuen Rechtsprechung des BGH ist es den EVU nun aber möglich auch in Sonderkundenverträge ein wirksames Preisanpassungsrecht aufzunehmen. Kommt es dann zum Streit mit Kunden greift die Billigkeitskontrolle. Der \"bequeme Weg\" ist damit freilich verbaut.
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #162 am: 15. Juli 2009, 17:36:25 »
@Black

Ich bin der Meinung, eine intransparente Preisänderungsklausel auch in den AGB eines Energieliefervertrages stellt eine unangemssene Benachteiligung des Kunden dar, ist deshalb nicht fair.

Tatsächlich war es bisher das Ziel der Versorgeranwälte, in Verfahren die betroffenen  Kunden möglichst immer  als Tarifkunden darzustellen, auch wenn Sonderverträge bestanden. Zuletzt hatte sich damit die Berliner Gasag in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH am 19.06.2009 hervorgetan.

Das war ja nur eine Äußerung obiter dicta des Senats.
Ich würde nicht darauf bauen.

Es stehen noch die Revisionen gegen die Urteile OLG Bremen, OLG Oldenburg und Kammergericht  zur Entscheidung beim Senat an. Die Entscheidung über die Revision gegen OLG Düsseldorf vom 24.06.2009 könnte beim Kartellsenat des BGH landen.  

Alle Oberlandesgerichte haben in ihren Entscheidungen umfassend das Transparenzgebot gem. § 307 BGB auch bei Einbeziehung von § 4 AVBGasV gewürdigt, womit sich der Senat deshalb wohl auseinandersetzen muss. Ich meine, die obiter dicta- Äußerung des Senats könnte noch nicht zu Ende gedacht gewesen sein, mit der Folge, dass es bei den Entscheidungen, bei denen es wirklich darauf ankommt, der Senat sich doch mit den umfangreichen Argumenten der OLG auseinanderzusetzen haben wird und dabei wohl auch die Entscheidung XI ZR 78/08 vom 21.04.2009 in das Blickfeld geraten kann.

Bei einem vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB  - als Voraussetzung einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle - soll nach der Rechtsprechung des Senats der Umfang der  gerichtlichen Billigkeitskontrolle anders ausfallen als bei einem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht. Da gegenüber Normsondervertragskunden unzweifelhaft kein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht besteht, muss es sich um ein vertraglich vereinbartes Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB handeln, welches die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB auf die Preise zur Folge hat.

Offline ben100

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« Antwort #163 am: 15. Juli 2009, 18:01:12 »
Nach Auffassung des BAG-Vizepräsidenten Hans-Jürgen Dörner haben obiter dicta „die Schwäche, zur konkreten Rechtsfindung des Einzelfalls nichts beizutragen, die Leser regelmäßig zu verwirren und häufig späteren Erkenntnissen im Wege zu stehen.“ (Neues aus dem Befristungsrecht[1]). Im günstigsten Fall trägt ein obiter dictum zur Rechtsfortbildung bei. Abgesehen von dem von Dörner beschriebenen „Rechtsverwirrungsmoment“ besteht überdies die Gefahr der Missachtung des Prinzips der Gewaltenteilung. Das Gericht hat nur den jeweiligen Einzelfall, also betreffend den Streitgegenstand, zu entscheiden. Mit per obiter dictum geäußerter Rechtsauffassung greift es über seinen Entscheidungsauftrag hinaus der Gesetzgebungskompetenz der Legislative vor. Das gilt auch für das Bundesverfassungsgericht: Ultima ratio seiner Kompetenz ist die Nichtigkeitserklärung gem § 31 Abs. 2 S. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz.↑ Hans Jürger Dörner: Neues aus dem Befristungsrecht. In: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht. Nr. 2, 2007, S. 57/58.

Quelle: Wikipedia

Offline Black

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #164 am: 15. Juli 2009, 18:15:22 »
Ich würde mich nicht zu sehr an die Hoffnung der (bedeutungslosen) obiter dicta klammern.

Der BGH hat seine Erklärung  zu eindeutig und unbedingt formuliert um davon wieder abrücken zu können. Noch dazu hat er dies gleich in zwei Entscheidungen parallel getan. Beide Pressemitteilungen enthalten gleichlautende Passagen.

Wenn es \"nur\" ein obiter dicta gewesen wäre, hätte es auch nicht Eingang in die Presseerklärung (zweimal) finden dürfen, die ja nur schwerpunkte der entscheidung wiedergeben soll.

Im übrigen handelt es sich nach meiner Auffassung bei der von Verbrauchern gern zitierten Aussage des Kartellsenates (KZR 2/07) zur Preissenkungsverpflichtung im Tarifkundenbereich auch nur um ein obiter dicta, da der Kartellsenat damals gar nicht über einen Tarifkundenvertrag zu entscheiden hatte, sondern nur im Rahmen einer Sondervertragsprüfung nebenher Vergleiche zur Grundversorgung angestellt hatte. Gleichwohl dient diese Entscheidung als zentrale Säule der Ablehnung des Preissockels, obwohl dieser mehrmals vom Kartellsenat bestätigt wurde.
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