Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Mein EVU nimmt wie folgt Stellung:  (Gelesen 4362 mal)

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Offline Fabio

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Mein EVU nimmt wie folgt Stellung:
« am: 30. Juni 2005, 00:10:19 »
1. \"... dass es sich bei den Preisanpassungsklauseln um privatwirtschaftliche Vereinbarungen handelt, auf die das Gesetzt gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) Anwendung findet. Das Bundeskartellamt hat bereits mehrfach geprüft, ob in der Gaspreisbildung nach dem Prinzip der Anlegbarkeit des Ölpreises ein Verstoß gegen Vorschriften des GWB, insbesondere gegen die der Preismissbrauchsaufsicht, zu sehen ist. Diese Frage wurde bisher stets verneint!

Frage: Entspricht dies der Wahrheit?


2. \" Nach alledem wird deutlich, dass die angekündigten Preiserhöhungen nicht der Renditesteigerung unseres Unternehmens dienen, sondern wirtschaftlich erforderlich sind.\"

Frage: Ist das nicht eine schöne, ja geradezu herzzerreißende Erklärung!?


3.  Mein Tarif \"Mainova Erdgas Komplett\" wäre ein \"Norm-Sonderkundenvertrag\". Weiter heisst es dazu: \"Der Norm-Sonderkunde ist kein \"Jedermann-Kunde\" im Sinne von §10 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), denn er ist auf den von ihm abgeschlossenen Vertrag nicht angewiesen.\"

Frage: Wie verstehen Andere hier im Forum diese Aussage? - M.E. gäbe es mehrere Deutungsmöglichkeiten....oder?


4. \"Da die sich ergebenden Preise somit vertraglich zwischen den Parteien festgelegt sind, ist § 315 BGB schon von seinem Wortlaut her nicht anwendbar.\"

Frage: Ich bezweifle beide Aussagen!


5. \"Des Weiteren entsprechen die festgesetzten Preise durchaus der Billigkeit nach § 315 BGB. Dies ist der Fall, wenn das verlangte Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liegt und dem entspricht, was regelmäßig als Preis für eine vergleichbare Leistung verlangt wird. Im Gasbereich ist die Marktüblichkeit der Preise der entscheidende Maßstab für die Billigkeit der Ermessensausübung.\"

Frage: was ist juristisch von dieser Aussage zu halten? - Weil alle die Preise erhöhen, sind die Preise üblich, ergo auch billig. Dies entspricht m.E. der Argumentationskette des EVU!


Vielen Dank
und Grüße an das FORUM

Fabio

Offline Graf Koks

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Mein EVU nimmt wie folgt Stellung:
« Antwort #1 am: 30. Juni 2005, 00:34:08 »
@fabio

zu 1.: Ein glatter Dummenfang:  Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) dient dem Konkurrentenschutz. Sie treten dem Versorger nicht als Wettbewerber gegenüber, es sei denn sie verfügen über Gasvorkommen im Keller. :P   Die von den Versorgern in diesem Zusammenhang gern bemühten Urteile sind solche aus Wettbewerbsstreitigkeiten um Durchleitungsentgelte und hier kann im Einzelfall § 19 Abs. 4 GWB vorrangig sein. Für Endverbraucher ist diese Norm aber schlicht nicht einschlägig, zumal sie einen ganz anderen Schutzzweck verfolgt. Sie bietet zusammen mit § 33 GWB einen SCHADENERSATZanspruch. § 315 BGB soll dafür sorgen, dass es so weit überhaupt nicht kommt. Das Zivilrecht kennt eine Menge Schutzgesetze, die zusammen mit § 823 Abs. 2 BGB oder für sich genommen zum Schadenersatz verpflichten. In den meisten Fällen - so auch hier - stehen diese Normen NEBEN den allgemeinen Anspruchsgrundlagen des BGB.

Auch sollte das Bundeskartellamt besser nicht davon erfahren, was ihm hier in den Mund gelegt werden soll. Schreiben Sie Ihrem EVU, dass Sie sich hoch geehrt fühlen, zum Versorgungsbetrieb gekürt worden zu sein ...

zu 3.: Hier wurde bereits LG Potsdam, RdE 2004, S. 304 zitiert. Auch Norm- Sonderkunden können sich auf § 315 BGB berufen. In seinem Artikel in der NJW 19/2005 will Herr Kollege Dr. Kunth unter Berufung auf OLG München RdE 2004, 52 und mit einer ausgesprochen schwachbrüstigen Begründung eine andere h.M. suggerieren.  Allein maßgeblich ist, dass

- eine Seite die Preise
- nach Vertragsschluss
- einseitig erhöht.

Das können die Versorger dann nennen, wie sie möchten.

zu 4.: Dummes Zeug !  Einer bestimmt, der andere kann § 315 BGB einwenden. Es gilt das BGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2005.

zu 5.: Die alte Mär vom marktüblichen Preis. Marktüblich können doch wohl nur Preise sein, die vom Wettbewerb beeinflusst werden. Ein solcher findet in der BRD 2005 nicht statt. Diese Argumentation ist rhetorisch ein reiner Zirkelschluss und begünstigt preistreiberische Tendenzen. Also wenn schon Markt, dann wohl der im liberaleren europäischen Ausland. Und was sehen wir da ?   Wir zahlen wohl am meisten ...

Marktüblich ...   wenn ich das schon höre ... Marktüblich ist bei uns die Gutsherrenart ...


M.f.G. aus Berlin
Graf Koks

Offline RR-E-ft

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Mein EVU nimmt wie folgt Stellung:
« Antwort #2 am: 30. Juni 2005, 11:16:59 »
@Graf Koks


Es handelt sich um die Enrscheidung OLG Karlsruhe, RdE 2005, 51, (52).

Auch diese betrifft nur Durchleitungsentgelte, die ein Stromhändler (Wettbewerber/ Konkurrent) an den Netzbetreiber zahlen soll.


Vgl. den Therad aktuelle Urteile zu § 315 BGB.




Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Graf Koks

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Mein EVU nimmt wie folgt Stellung:
« Antwort #3 am: 01. Juli 2005, 16:45:43 »
@fabio
Noch einmal zu 3.:

Auch das OLG München in RdE 2004, S. 52, 54 schreibt wörtlich Folgendes:

\"Die Billigkeitsbestimmung nach dieser Vorschrit (§ 315 BGB, Anm. d. Verf.) setzt grundsätzlich voraus, dass die Preise einseitig festgesetzt worden sind.\"  

Das dürfte für das Gros der Verträge zutreffen. Also: Nicht kirre machen lassen von vermeintlichen \"Ausnahmen\".  Das Urteil iegt mir vor und kann auf Anfrage verfaxt werden.

M.f.G. aus Berlin
Graf Koks

 

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