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Autor Thema: Verträge ohne Kündigungsregelung  (Gelesen 20839 mal)

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Offline Christian Guhl

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Verträge ohne Kündigungsregelung
« Antwort #15 am: 03. Februar 2009, 20:33:30 »
Um das Ganze mal auf einen konkreten Fall zu beziehen : Ein Versorger, der die Kunden in Sonderverträgen mit Nachtstrom versorgt, hat mitgeteilt, dass keine schriftlichen Verträge existieren und das Vertragsverhältnis auf Grundlage der (damaligen) AVBElt zustande kam. Alle Nachtstromverträge wurden zum 31.12.08 gekündigt. Begründung des Versorgers auf den Einwand der Unzulässigkeit der Kündigung :
\"Grundsätzlich verweisen wir in unseren Vertragsbedingungen, auch in denen unserer Sonderverträge, auf die Anwendbarkeit der AVB/GVV. Selbst wenn dieser Verweis einmal unterblieben wäre, stünde uns dennoch unter Zugrundelegen allgemeiner Rechtsgrundsätze (Privatautonomie) ein Kündigungsrecht zu. Beschränkt werden könnte das Kündigungsrecht allenfalls durch vertragliche oder gesetzliche Bestimmungen. Da vorliegend aber weder gesetzliche noch vertragliche Regelungen der Kündigung entgegenstehen, ist die von uns ausgesprochene Kündigung wirksam.\"

Offline RR-E-ft

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Verträge ohne Kündigungsregelung
« Antwort #16 am: 03. Februar 2009, 22:34:46 »
@Christian Guhl

Hier bitte keine konkreten Fälle diskutieren.

Wenn das Vertragsverhältnis tatsächlich auf der Grundlage der AVBEltV zustande gekommen wäre, so kann es sich dabei wegen § 1 AVBEltV nur um Tarifkundenverträge gehandelt haben. Der Vertrag wäre dabei gem. § 2 Abs. 2 AVBEltV allein durch die Entnahme von Elektrizität aus dem Netz zustande gekommen.

Diese Tarifkunden wären bei der Belieferung als Haushaltskunden gem. § 3 Nr. 22 EnWG in die neue Grundversorgung gem. § 36 Abs. 1 EnWG übergegangen, so dass eine Kündigung des Grundversorgers wegen § 20 Abs. 1 Satz 3 StromGVV unzulässig wäre.

Gegenüber Nichthaushaltskunden, die bis zum Inkrafttreten des EnWG 2005 Tarifkunden waren, wäre die Kündigung ebenfalls unzulässig, weil diesen gegenüber gem. § 116 EnWG die gesetzliche Versorgungspflicht aus § 10 Abs. 1 EnWG 1998 weiter fortbesteht, so dass der Versorger deshalb nicht zur ordnungsgemäßen Kündigung berechtigt ist. Diese Kunden wäre heute immer noch Tarifkunden im Sinne des § 10 Abs. 1 EnWG 1998.

Deshalb kann die Argumentation des Versorgers nicht passen.

Wenn man sich der daraus ergebenden Konsequenzen für einseitige Preisänderungen bewusst ist, kann man als Kunde also geltend machen, dass man Tarifkunde gewesen sei, ein Sondervertrag nicht abgeschlossen wurde, die Kündigung entweder wegen § 20 Abs. 1 Satz 3 StromGVV oder wegen § 116 EnWG iVm. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 unzulässig und unwirksam sei, was man im Wege einer Feststellungsklage gerichtlich feststellen lassen könnte.

Merke:

Immer dann, wenn eine gesetzliche Versorgungspflicht besteht und die Belieferung des Kunden zu den Allgemeinen Tarifen/ Preisen des Versorgers aufgrund dieser gesetzlichen Versorgungspflicht erfolgt, ist das ordentliche Kündigungsrecht des Versorgers ausgeschlossen. Denn ein solches liefe der gesetzlichen Versorgungspflicht zuwider.

Offline ESG-Rebell

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Verträge ohne Kündigungsregelung
« Antwort #17 am: 03. Februar 2009, 23:48:50 »
Eine wesentliche Frage ist aber immer noch nicht beantwortet:

Wie kann ein Versorger sich aus einem Sondervertrag lösen, der ihm kein ordentliches Kündigungsrecht ausdrücklich einräumt?

Aus dem zitierten § 309 Nr. 9 BGB geht klar hervor, dass AGB (eines Versorgers) unzulässig sind, die den anderen Vertragsteil (Kunden) länger als zwei Jahre binden. Einen Schutz für den Klauselverwender kann ich daraus nicht erkennen. Andernfalls hätte der Satz wohl lauten müssen: ... die einen der Vertragsteile länger als zwei Jahre binden.

Bleiben noch folgende Argumente:

Der Versorger kann nun argumentieren, durch das fehlende Kündigungsrecht sei die Fortführung des Vertrags für ihn unzumutbar und ihm müsse im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung ein ordentliches Kündigungsrecht - wenn schon kein Preisanpassungsrecht - eingeräumt werden.

oder die von Christian Guhl zitierte Erwiderung:
\"Selbst wenn der Verweis [auf die GVV] einmal unterblieben wäre, stünde uns dennoch unter Zugrundelegen allgemeiner Rechtsgrundsätze (Privatautonomie) ein Kündigungsrecht zu. Beschränkt werden könnte das Kündigungsrecht allenfalls durch vertragliche oder gesetzliche Bestimmungen. Da vorliegend aber weder gesetzliche noch vertragliche Regelungen der Kündigung entgegenstehen, ist die von uns ausgesprochene Kündigung wirksam.\"

Der Versorger argumentiert hier also, dass sich schon aus dem Fehlen einer entgegenstehenden Regelung ein Kündigungsrecht ableiten ließe.

Davon abgesehen hat sich der Versorger mit dem Verweis auf die AVB/GVV natürlich selbst ein Bein gestellt, weil diese - wie korrekt dargestellt - dem Versorger ja eben kein Kündigungsrecht einräumen.

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline RR-E-ft

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Verträge ohne Kündigungsregelung
« Antwort #18 am: 03. Februar 2009, 23:54:19 »
@ESG-Rebell

Die AGB- rechtlichen Vorschriften der §§ 305 BGB dienen nicht dem Schutz des Klauselverwenders, sondern dem Schutz seines Vertragspartners.

Es bedarf keiner ergänzenden Vertragsauslegung zu Gunsten des Lieferanten in Bezug auf ein Kündigungsrecht:

Dieser ist über die §§ 313, 314 BGB hinreichend für den Fall geschützt, dass ihm die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unvorhersehbar wirtschaftlich unzumutbar wird, etwa deshalb weil seine Kosten sich nachträglich erhöhen, er jedoch zu einer Preiserhöhung vertraglich nicht berechtigt ist, sei es weil gar kein Preisänderungsrecht vereinbart wurde, sei es dass ein vereinbartes Preisänderungsrecht wegen § 307 BGB unwirksam ist.

Der sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage kann bei Dauerschuldverhältnissen wie einem Bezugsvertrag ein außerordentliches Kündigungsrecht begründen. Wer sich auf ein solches beruft, hat das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen nachzuweisen.  

Bei Unwirksamkeit einer AGB- Preisänderungsklausel kommt eine ergänzende Vertragsauslegung in Bezug auf diese nicht in Betracht, wenn dem Versorger ein kurzfristig auzuübendes Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung vertraglich eingeräumt wurde (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 KZR 2/07 und BGH, Urt. v. 17.12.2008 VIII ZR 274/06).

Offline ESG-Rebell

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Verträge ohne Kündigungsregelung
« Antwort #19 am: 04. Februar 2009, 09:56:42 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Dieser ist über die §§ 313, 314 BGB hinreichend für den Fall geschützt, dass ihm die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unvorhersehbar wirtschaftlich unzumutbar wird, etwa deshalb weil seine Kosten sich nachträglich erhöhen, er jedoch zu einer Preiserhöhung vertraglich nicht berechtigt ist, sei es weil gar kein Preisänderungsrecht vereinbart wurde, sei es dass ein vereinbartes Preisänderungsrecht wegen § 307 BGB unwirksam ist.
Daraus folgt meines Erachtens, dass die einseitigen Kündigungen von Sonderverträgen, die weder ein Preisanpassungsrecht noch ein ordentliches Kündigungsrecht für den Versorger enthalten, auch ohne Zustimmung des Kunden wirksam geworden sein können.

Die Versorger wollen ihre Bezugspreise und Gewinnmargen ja nicht offenlegen. Erhöhungsbeträge ihrer Bezugspreise geben sie jedoch an, um ihre Preisanhebungen zu begründen. Somit könnten sie argumentieren, die Übernahme dieser Bezugskostensteigerungen ohne die Möglichkeit der Weitergabe an den Kunden sei unzumutbar und eine einseitige Kündigung gemäß §314 BGB daher zulässig.

Es gibt noch zahlreiche Kunden, die einen neuen Sondervertrag nicht annehmen wollten und einseitig in die Grundversorgung desselben Versorgers gekündigt worden sind. Sollte der Versorger mit der obigen Argumentation durchdringen, so befänden sich die betroffenen Kunden - gegen ihren Willen - bereits in der Grundversorgung.

Schlimmstenfalls könnte für diese Kunden folgende Situation eintreten:
[list=1]
  • Der Versorger kündigt einen bestehenden Sondervertrag einseitig.
  • Der Versorger rechnet fleißig Jahr für Jahr nach den allgemeinen Tarifen ab.
  • Der Kunde erhält seinen Unbilligkeitseinwand aufrecht und zahlt nicht oder nur gekürzt unter Vorbehalt.
  • Der Versorger wartet mit seiner Zahlungsklage bis kurz vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist.
  • Der Fall landet vor dem Zivilsenat des BGH, der seine Marschrichtung noch dahingehend verschärft, dass er sogar denjenigen Kunden ein konkludentes Einverständnis mit dem Anfangspreis in der Grundversorgung unterstellt, die durch eine Änderungskündigung in diese gelangt sind und denen nur vom eigenen Grundversorger ein Sondervertrag angeboten wird.
  • [/list=1]Das wäre meines Erachtens eine ziemlich böse und unfäire Falle. Die Kunden würden regelrecht ins offene Messer laufen.

    Konsequenterweise müssten die so betroffenen Kunden Klage zur Feststellung erheben, dass der Sondervertrag ungekündigt fortbesteht. Dann wird entweder dieses so festgestellt oder der Versorger wird Widerklage auf Zahlung der Kürzungsbeträge erheben. Nur Abwarten und Verklagen lassen wäre in dieser Situation folglich nicht die beste Strategie.

    Gruss,
    ESG-Rebell.

Offline Black

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Verträge ohne Kündigungsregelung
« Antwort #20 am: 04. Februar 2009, 10:42:45 »
Zitat
Original von ESG-Rebell
Schlimmstenfalls könnte für diese Kunden folgende Situation eintreten:
[list=1]
  • Der Versorger kündigt einen bestehenden Sondervertrag einseitig.
  • Der Versorger rechnet fleißig Jahr für Jahr nach den allgemeinen Tarifen ab.
  • Der Kunde erhält seinen Unbilligkeitseinwand aufrecht und zahlt nicht oder nur gekürzt unter Vorbehalt.
  • Der Versorger wartet mit seiner Zahlungsklage bis kurz vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist.
  • Der Fall landet vor dem Zivilsenat des BGH, der seine Marschrichtung noch dahingehend verschärft, dass er sogar denjenigen Kunden ein konkludentes Einverständnis mit dem Anfangspreis in der Grundversorgung unterstellt, die durch eine Änderungskündigung in diese gelangt sind und denen nur vom eigenen Grundversorger ein Sondervertrag angeboten wird.
  • [/list=1]Das wäre meines Erachtens eine ziemlich böse und unfäire Falle. Die Kunden würden regelrecht ins offene Messer laufen.
Noch komplizierter wird es, wenn der Versorger, der den Sondervertrag kündigt nicht gleichzeitig der Grundversorger ist.

[list=1]
  • Der Kunde rügt die Billigkeit der Preise im Sondervertrag und kürzt Abschläge.
  • Der Versorger kündigt den bestehenden Sondervertrag einseitig.
  • Der Kunde widerspricht der Kündigung
  • Der Versorger meldet den Kunden beim Netzbetreiber ab.
  • Der Grundversorger begrüßt den Kunden als neuen Vertragspartner
  • Der Kunde widerspricht vorsorglich den Preisen des neuen Grundversorgers und verweist auf den Sondervertrag
  • Der Kunde überlegt, an wen er jetzt eigentlich seine gekürzten Abschläge weiterzahlen sollte
  • Der Kunde hat nun schon laufende Streitigkeiten mit zwei EVU, die in verschiedene Klageverfahren münden können.
  • [/list=1]
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline ESG-Rebell

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Verträge ohne Kündigungsregelung
« Antwort #21 am: 04. Februar 2009, 12:28:14 »
Zitat
Original von Black
Noch komplizierter wird es, wenn der Versorger, der den Sondervertrag kündigt nicht gleichzeitig der Grundversorger ist.
[list=1]8. Der Kunde hat nun schon laufende Streitigkeiten mit zwei EVU, die in verschiedene Klageverfahren münden können.
[/list=1]
... die theoretisch zu widersprüchlichen Ergebnissen gelangen könnten; nämlich dass der Kunde für ein und denselben Zeitraum keinem der EVU oder beiden EVU etwas zahlen muss.

Die Deutsche Rechtsprechung ermöglicht beliebigen Unfug, wenn es dumm läuft ;)

Das bekräftigt eigentlich meine Vermutung, dass es nicht ratsam ist, eine Unsicherheit über das Bestehen eines Vertragsverhältnisses stillschweigend ungeklärt hinzunehmen; erst Recht wenn man mit zwei EVU im klinsch liegt.

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline RuRo

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« Antwort #22 am: 04. Februar 2009, 13:06:13 »
@ESG-Rebell

Das Feststellungsinteresse trieb mich auch schon mal um, siehe hier:

Geht es auch so? - Gedanken zur Feststellung des Vertragsverhältnisses

Aufgrund des Streitwerts wohl nicht die beste Variante.
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline ESG-Rebell

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« Antwort #23 am: 04. Februar 2009, 13:38:46 »
Zitat
Original von RuRo
Aufgrund des Streitwerts wohl nicht die beste Variante.
Auch wieder wahr.
Die Prozesskosten können leicht die Summe der Mehrzahlung, die sich aus der Differenz zwischen Sondertarif und Allgemeinen Tarif ergibt, überschreiten.

Und solange man nicht selber klagt ist offen, ob und wann man verklagt wird (St. Florian lässt grüßen).

Ob der BGH den Versorgern erlauben wird, jeden Kunden in die Grundversorgung zu kündigen und dann richtig abzukassieren, bleibt abzuwarten.

Mit einer regelrechten Klagewelle der Versorger rechne ich daher nur, falls der BGH Zivilsenat seine Rechtsprechung wie oben geschildert zugunsten der Versorger verschärft.

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline RR-E-ft

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Verträge ohne Kündigungsregelung
« Antwort #24 am: 04. Februar 2009, 14:36:22 »
@ESG-Rebell

Möglicherweise müssen zunächst die §§ 313, 314 BGB gründlich gelesen werden, um zu erschließen, was die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses  BGB sind, die dafür vorliegen müssen.

§ 313 BGB

§ 314 BGB

Zitat
Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Zitat
Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Für eine solche (außerordentliche) Kündigung muss sich der Vertragsteil, der sich darauf beruft, das Vorliegen der Voraussetzungen im konkreten Einzelfall begründen. Es genügt nicht den Vertrag zu kündigen, ohne sich im konkreten Einzelfall zutreffend auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen. Die außerordentliche Kündigung ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn der andere Vertragsteil eine aufgrund der geänderten Umstände billigerweise gebotene Vertragsanpassung verweigert.

Der andere Vertragsteil muss erkennen können, dass es sich um eine außerordentliche Kündigung handeln soll. Zuvor muss zulässigerweise eine Anpassung verlangt worden sein.

Offline Netznutzer

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« Antwort #25 am: 04. Februar 2009, 17:19:22 »
Zitat
nämlich dass der Kunde für ein und denselben Zeitraum keinem der EVU oder beiden EVU etwas zahlen muss.

DAs geht nicht, ein Kunde kann gleichzeitig nur einem Lieferanten/Bilanzkreis zugeordnet sein. Der Netzbetreiber entscheidet im Zweifelsfall, wann welche Zuordnung stattfand.

Gruß

NN

Offline jofri46

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« Antwort #26 am: 04. Februar 2009, 19:58:44 »
@RR-E-ft

Für mich ist fraglich, ob denn vor Ausspruch einer Kündigung eine Anpassung des Vertrages verlangt worden sein muss.

Ist denn § 313 BGB vorrangig (d. h.  zunächst Anpassung des bestehenden Vertrages) oder kann nicht gleich gem. § 314 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden (verbunden mit einem neuen Vertragsangebot)?

Klar, dass es sowohl bei § 313 als auch § 314 BGB auf den konkreten Einzelfall ankommt. Was dürfte für den Versorger aber die höhere Hürde darstellen? M. E. wohl die Anforderungen des § 313 BGB.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #27 am: 04. Februar 2009, 20:47:21 »
@jofri46

§ 313 Abs. 3 BGB Satz 1, 1.Halbsatz beinhaltet eine Bedingung für das Rücktrittsrecht. Diese Bedingung gilt dann auch für das Kündigungsrecht gem. § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB, welches bei Dauerschuldverhältnissen an die Stelle dieses Rücktrittrechts tritt. Zunächst besteht unter den Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB nur ein Anspruch auf Vertragsanpassung. Absatz 3 regelt den Fall, dass eine solche nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Zu § 314 BGB wüsste ich nicht, was im Zusammenhang mit unserer Diskussion unter einen wichtigen Grund subsumiert werden könnte.

Der Bezugskostenanstieg mag oftmals seinen Grund darin haben, dass Versorger ud Vorlieferant hierzu vertragliche Abreden getroffen haben, die dem Versorger bekannt sind. Entsprechende Kostenentwicklungen konnte er also bei Vertragsabschluss absehen. Wenn er gleichwohl kein Preisänderungsrecht mit dem Endkunden bei Vertragsabschluss vereinbart hatte, kann er nicht einen entsprechenden Kostenanstieg zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung gem. § 314 BGB nehmen. Der entsprechende Kostenanstieg liegt schließlich in der Risikosphäre des Versorgers.

Wurde ein feststehender Gaspreis für eine Vertragslaufzeit  vereinbart, ist der Kunde bei sinkenden Kosten schließlich auch nicht zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages gem. § 314 BGB berechtigt, sondern bleibt an diesen gebunden.

Offline ESG-Rebell

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« Antwort #28 am: 04. Februar 2009, 23:23:40 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Möglicherweise müssen zunächst die §§ 313, 314 BGB gründlich gelesen werden, ....
Wenn man sich die Mühe macht, mich auf bestimmte Regelungen des BGB hinzuweisen, dann mache ich mir auch stets die Mühe, diese gründlich zu lesen ;)

Dies alleine hilft dem juristischen Laien freilich nicht dabei, die Bedeutung von relativierenden Bestandteilen der betreffenden Bestimmungen richtig einzuordnen:

Zitat
Haben sich Umstände ... schwerwiegend verändert ...
... soweit ... unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
... das Festhalten ... nicht zugemutet werden kann.
Ebenso kann es sein, dass das Gericht die Bedeutung von schwerwiegend wieder anders wertet als der jeweilige Verbraucher- oder Versorgeranwalt. Das ist ja die Crux.

Zitat
Original von RR-E-ft
Die außerordentliche Kündigung ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn der andere Vertragsteil eine aufgrund der geänderten Umstände billigerweise gebotene Vertragsanpassung verweigert.
Die Vorlage eines neuen Vertrags mit vollständig neuem Inhalt, mit dem sich der Versorger in die für ihn maximal komfortable Position bringen möchte - insbesondere jederzeitige Preisanpassung nach freiem Ermessen und relativ kurzfristige Kündigungsmöglichkeit - halte ich jedenfalls nicht für eine billigerweise gebotene Vertragsanpassung.

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #29 am: 04. Februar 2009, 23:37:51 »
Es geht bei § 313 BGB nicht um den Abschluss eines neuen Vertrages, sondern um einen ausnahsmweise bestehenden Anspruch auf Anpassung eines bestehenden Vertrages unter sehr engen Voraussetzungen.
So könnte sich der Anspruch auf Vertragsanpassung auch auf den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis beziehen, wenn sich die maßgeblichen Umstände bei Vertragsabschluss unvorhersehbar nachträglich schwerwiegend geändert haben.... Immer eine Frage des konkreten Einzelfalls.

Wenn der Versorger nie an den Kunden mit dem Verlangen nach  einer solchen Vertragsanpassung gem. § 313 BGB  wegen behaupteter für ihn  bei Vertragsabschluss unvorhersehbarer nachträglich eingetretener schwerwiegender Änderungen der maßgeblichen Umstände herangetreten war, so braucht man als Kunde auch nicht weiter darüber nachzudenken.
Man wird dann davon ausgehen können, dass auch aus Sicht des Versorgers die Voraussetzungen des § 313 BGB im konkreten Vertragsverhältnis bisher nicht vorgelegen haben werden. Erst recht kann ohne vorheriges Anpassungsverlagen nicht außerordentlich gekündigt werden.

Mir ist auch kein Fall bekannt geworden, wo ein Versorger ein Recht zur außerordentlichen Kündigung auch nur behauptet hätte, geschweige denn eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hatte.

(Ohne dass die Reisemöglichkeit und die Befugnis zum Betreten überhaupt geklärt ist, braucht man nicht darüber nachzudenken, was wohl der angemessene Preis für eine Reise zum Mond wäre.) ;)

 

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