Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?

<< < (13/17) > >>

nomos:

--- Zitat ---Original von Black
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Nun kommt man aber nicht umhin festzustellen, dass § 315 BGB nach dem Willen des Gesetzgebers eben für \"Vertragsschließende\" also Parteien eines Vertrages gelten soll.
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--- Ende Zitat ---
@Black, der \"Wille des Gesetzgebers\" wird von der Rechtsprechung schon arg strapaziert. Rechtsprechung hat sich an die Gesetze zu halten; auch Juristen dürfen Texte nicht ins Gegenteil interpretieren.

Wer den Motiven des Gesetzgebers nachgegangen ist und keine Zweifel und keine Kritik an bestimmten Urteien (z.B. BGH - Heilbronner Fall) für berechtigt hält, dem darf man pure und kritiklose Parteilichkeit unterstellen.

Die Baurechtsexperten haben die Motive schon mit Erfolg recherchiert:

siehe hier

Die grundsätzliche Motivation des Gesetzgebers war in erster Linie die Bestimmung der Leistung nicht der Willkür des Schuldners zu überlassen.

Das Motiv ist völlig unabhängig von der Art der Schuld oder Leistung. Ob Gas- Strom, oder was auch immer, ob Ersatz-, Grund- oder Sonderversorgung, da sind keine Abgrenzungskriterien des Gesetzgebers von diesem Motiv ersichtlich. Das Motiv ist generell. Es geht in jedem Fall um Willkür die der Gesetzgeber mit diesen Paragrafen verhindert sehen möchte. Dafür haben im Notfall die Gerichte durch Anwendung zu sorgen.

Alles hat Grenzen. Anwaltliche Vertretung ist eine parteiliche Vertretung, allerdings innerhalb des rechtlichen Rahmens. Juristen im Richteramt sind erst recht an die Gesetze gebunden und keine Interessenvertreter. Der \"advocatus vinculi\" hat im Rechtsstaat nichts zu suchen.[/list]

RR-E-ft:
@Black

Bei der juristischen Prüfung sollte man zunächst zu ergründen suchen, woraus sich der Zahlungsanspruch des Versorgers bei der Ersatzversorgung ergibt.

In § 38 EnWG ist m. E. die Zahlungspflicht des ersatzversorgten Kunden nicht geregelt, sondern nur die Verpflichtung zur Ersatzversorgung und das Recht, hierfür einseitig Allgemeine Preise festzulegen, die bestimmten Vorgaben genügen müssen.

§ 38 EnWG ist somit in gewisser Weise § 10 Abs. 1 EnWG 1998 bzw. § 6 EnWG 1935 nachgebildet. Auch aus diesen Vorschriften ergab sich kein Zahlungsanspruch des Versorgers. Der Zahlungsanspruch ergab sich nach h.M. erst aus einer entsprechenden Anwendung des § 433 Abs. 2 BGB.

Direkt passte der § 433 BGB schon deshalb nicht, weil die zu liefernde Energiemenge nicht im vornherein feststeht. Auch wurden nicht Eigentum und Besitz an einer Sache übertragen, so jedenfalls unzweifelhaft für Elektrizität.  

Findet man keine gesetzliche/ vertragliche Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch, so erübrigt sich die Frage der Billigkeitskontrolle völlig, weil es dann schon keine Anspruchsgrundlage gäbe.

Erst wenn man die Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch gefunden hat, kann man überlegen, ob auf diese nicht auch § 315 BGB wegen des bestehenden gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts Anwendung findet. Die Anwendung des § 315 BGB zu verneinen, ohne dass man die Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch überhaupt gefunden hat, erscheint mir contra legem artis.

jofri46:
@Black

Die Ersatzversorgung als gesetzliches Schuldverhältnis ist ein sog. \"Quasi-Vertrag\", d. h. ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis und darauf kann trotz eines fehlenden Vertragsschlusses Vertragsrecht angewandt werden. Regelungen hierzu hat der Gesetzgeber z. B. in § 311 BGB getroffen.

Damit ist nach meiner Auffassung auch für die Ersatzversorgung der Weg zu § 315 BGB eröffnet, ob unmittelbar oder mittelbar (über § 241 Abs. 2 BGB), mag dahingestellt bleiben.

Es entspricht also durchaus dem Willen des Gesetzgebers, dass § 315 BGB nicht nur für \"Vertragsschließende\" gelten soll.

Black:

--- Zitat ---Original von jofri46
@Black
Die Ersatzversorgung als gesetzliches Schuldverhältnis ist ein sog. \"Quasi-Vertrag\", d. h. ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis und darauf kann trotz eines fehlenden Vertragsschlusses Vertragsrecht angewandt werden.
--- Ende Zitat ---

Ist das jetzt frei von der Leber weg behauptet, oder haben Sie dafür irgendeinen Beleg in Form einer Norm, Rechtsquelle, Urteil, Kommentierung...?




--- Zitat ---Original von jofri46Regelungen hierzu hat der Gesetzgeber z. B. in § 311 BGB getroffen.
--- Ende Zitat ---

 § 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch  1.  die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
 2.  die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
 3.  ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

In § 311 BGB Abs. 1 ist klarstellend geregelt, dass es sowohl vertragliche als auch gesetzliche Schuldverhältnisse gibt. Es gibt dort jedoch keine Aussage, dass die Normen des BGB, die ausdrücklich ein vertragliches Schuldverhältniss verlangen auch auf gesetzliche Schuldverhältnisse anwendbar sein sollen.

§ 311 Abs. 2 regelt das vorvertragliche Schuldverhältnis im Sinne der cic.

§ 311 Abs. 3 regelt besondere Vertragspositionen Dritter.

Aussagen zu einem Rechtskonstrukt namens \"Quasi-Vertrag\" gibt es dort nicht.

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
@Black
Bei der juristischen Prüfung sollte man zunächst zu ergründen suchen, woraus sich der Zahlungsanspruch des Versorgers bei der Ersatzversorgung ergibt.

In § 38 EnWG ist m. E. die Zahlungspflicht des ersatzversorgten Kunden nicht geregelt, sondern nur die Verpflichtung zur Ersatzversorgung und das Recht, hierfür einseitig Allgemeine Preise festzulegen, die bestimmten Vorgaben genügen müssen.
[/I].
--- Ende Zitat ---

Wie heißt es so schön? Der Blick ins Gesetz erspart die Rechtsfindung.

(1) Sofern Letztverbraucher über das Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck Energie beziehen, ohne dass dieser Bezug einer Lieferung oder einem bestimmten Liefervertrag zugeordnet werden kann, gilt die Energie als von dem Unternehmen geliefert, das nach § 36 Abs. 1 berechtigt und verpflichtet ist. Die Bestimmungen dieses Teils gelten für dieses Rechtsverhältnis mit der Maßgabe, dass der Grundversorger berechtigt ist, für diese Energielieferung gesonderte Allgemeine Preise zu veröffentlichen und für die Energielieferung in Rechnung zu stellen. Für Haushaltskunden dürfen die Preise die nach § 36 Abs. 1 Satz 1 nicht übersteigen.

(2) Das Rechtsverhältnis nach Absatz 1 endet, wenn die Energielieferung auf der Grundlage eines Energieliefervertrages des Kunden erfolgt, spätestens aber drei Monate nach Beginn der Ersatzenergieversorgung. Das Energieversorgungsunternehmen kann den Energieverbrauch, der auf die nach Absatz 1 bezogenen Energiemengen entfällt, auf Grund einer rechnerischen Abgrenzung schätzen und den ermittelten anteiligen Verbrauch in Rechnung stellen.

Der § 38 EnWG ist gesetzliche Anspruchsgrundlage, da er den Ersatzversorger nicht nur zur Lieferung verpflichtet, sondern ihm gleichzeitig das Recht einräumt diese Energielieferung dem Kunden - im Rahmen der veröffentlichen Preise - in Rechnung zu stellen.

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