Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: StromGVV -- wann ergibt sich daraus (überhaupt) ein Preisänderungsrecht für den Versorger?  (Gelesen 4861 mal)

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Offline Gulliver08

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Hallo,

die im Betreff gestellte Frage beschäftigt mich jetzt schon einige Zeit und umso mehr, je öfter ich die StromGVV und evtl. ergänzende Bedingungen (EON Bayern; diese beinhalten auch keine Präzisierungen!) durchlese.

In einem Sondervertrag muss ja eine gültige Preisänderungsformel enthalten sein. Nur, besteht bei einem Grundversorgungsvertrag überhaupt ein valides  Recht auf Preisänderung des Versorgers, für welches die Formulierung gem. §5, Abs. 2 StromGVV ausreichen würde?
Denn im §17, Abs. 1 Satz 2 StromGVV wird die Anwendung von §315 BGB explizit vorgesehen und dort sind ja die Auflagen beschrieben, denen einseitig formulierte Preisanpassungen genügen müssen.

Ist das nicht in sich ein Widerspruch? Auf der einen Seite nimmt man sich das Recht heraus, auf höchst pauschal formulierte Art und Weise die Preise erhöhen zu dürfen. Andererseits unterwirft man sich aber den Vorgaben des §315 BGB.

Es scheint fast so, dass einem bei Vorliegen der StromGVV problemlos das Recht gegeben wird, gegen Preisanpassung unter Hinweis auf §315 BGB Widerspruch einzulegen. Das scheint mir zu einfach! Kann mir jemand sagen, was ich da evtl. übersehe.

Danke & Gruß

Offline jroettges

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Es ist nur meine Meinung... (?)

Weder in den Vorgängerverordnungen, noch in den jetzigen Grundversorgungs-Verordnungen ist ein einseitiges Preisänderungsrecht begründet.

Vielmehr gingen/gehen diese Verordnungen davon aus, dass es ein solches Recht gibt und regeln bestimmte Aspekte zum Umgang mit diesem.

Das war die im Verfahren gegen die EWE am OLG Oldenburg ( Urteil 5.9.08 ) von den Richtern vertretene Auffassung.

Zitat
Überschrift und unmittelbarer Wortlaut der Vorschrift offenbaren nicht, dass der Verordnungsgeber in § 4 AVBGasV ein Preisanpassungsrecht schaffen wollte. Die Vorschrift trägt die Überschrift \"Art der Versorgung\". Die Art der Versorgung und die Anpassung von Tarifen sind gänzlich verschiedene Regelungsbereiche. Die Überschrift legt es daher für den unbefangenen Betrachter nicht nahe, dass es in dieser Vorschrift inhaltlich um tarifrechtliche Regelungen gehen soll. Dasselbe gilt für den Wortlaut. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 AVBGasV stellt das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. Hiermit wird eine Pflicht (und nicht ein Recht) begründet, jedermann zu allgemeinen Tarifen zu versorgen. § 4 Abs. 2 AVBGasV macht die Änderung von Tarifen davon abhängig, dass zuvor eine öffentliche Bekanntmachung stattfindet. Auch hierdurch wird nicht ein Recht, sondern eine Verpflichtung geschaffen, nämlich die zur Veröffentlichung von Tarifänderungen als Wirksamkeitsvoraussetzung.

Wie das Kind im Märchen von \"Des Kaisers neue Kleider\" hat das Gericht damit das Gespinst zerrissen, das die Versorgungswirtschaft um den § 4 der AVBGasV seit Jahren gesponnen hat.

Dass mit der Verpflichtung zur Versorgung im Rahmen der Grund- und Ersatzversorgung ein einseitiges Recht zur Preisanpassung verbunden ist, das ist unstrittig. Dabei ist dieses Recht keineswegs in den Grundversorgungsverordnungen begründet, sondern ergibt sich aus anderen juristischen Zusammenhängen, wie es RA Fricke hier im Forum verschiedentlich dargelegt hat.

Dass solche einseitigen Preisanpassungen nur nach einer öffentlichen Ankündigung mit einer Frist von 6 Wochen wirksam werden können, das regeln die Grundversorgungsverordnungen.

Dass solche einseitig ausgesprochenen Preisanpassungen nach §315 BGB auf Antrag einer gerichtlichen Billigkeitsüberprüfung unterliegen, das hat der BGH in seinem Urteil vom 19.11.08 nun endgültig klargestellt.

Offline Black

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Zitat
Original von jroettges
Dabei ist dieses Recht keineswegs in den Grundversorgungsverordnungen begründet, sondern ergibt sich aus anderen juristischen Zusammenhängen, wie es RA Fricke hier im Forum verschiedentlich dargelegt hat.

Nun der BGH hat das anders gesehen, den in der Entscheidung vom 13. Juni 2007 (Az. VIII ZR 36/07) bezeichnet er § 4 AVBGasV und § 5 GasGVV als gesetzliches Preisanpassungsrecht der EVU (Rdn. 14 - 15).

Zitat
Original von jroettgesDass solche einseitig ausgesprochenen Preisanpassungen nach §315 BGB auf Antrag einer gerichtlichen Billigkeitsüberprüfung unterliegen, das hat der BGH in seinem Urteil vom 19.11.08 nun endgültig klargestellt.

Nur, dass an diese Rechtsfrage schon nach den beiden vorherigen BGH Entscheidungen und diverser unterinstanzlicher Urteilen niemand mehr gezweifelt hat. Nicht mal das EVU. Die Anwendbarkeit des § 315 BGB in der Grundversorgung ist ständige Rechtsprechung.

Nebenbei hat der BGH jedoch auch geurteilt, dass er trotz Bejahung der Monopolstellung des EVU den Preissockel nicht in die Kontrolle einbezieht (womit er eine  vorherige Entscheidung bestätigt hat). Dieser Punkt wird von den Verbraucherzentralen in Ihrer Freude über die \"Klarstellung\" der Anwendbarkeit des § 315 BGB oft vergessen.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Gulliver08

Ein Preisänderungsrecht ergibt sich aus der StromGVV nur bezüglich Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG, die vom sog. Grundversorger auf vertraglicher Grundlage beliefert werden und mit diesem keinen Sondervertrag abgeschlossen haben (etwa längere Vertragsbindung), also zu den als solchen veröffentlichten Allgemeinen Preisen der Grundversorgung gem. § 36 Abs. 1 EnWG  beliefert werden.

Außerdem ergibt sich dieses gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht auch gegenüber denjenigen Kunden, die im Rahmen der zeitlich befristeten Ersatzversorgung gem. § 38 EnWG beliefert werden.

Bei Sonderverträgen sieht es anders aus.

Offline Gulliver08

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Hallo RR-E-ft,

danke für Ihre Ausführungen. Im Sinne des § 3 Nr.22 EnWG bin ich per Definition ein Haushaltskunde, beliefert mit Strom auf Basis StromGVV. Damit hätte der Versorger wohl ein Bestimmungsrecht für die Lieferpreise; diese Preisfindung muss jedoch den Kriterien des § 315 BGB genügen.

Damit scheint mir in diesem Fall auch ein Widerspruch gegen die beiden angkündigten Strompreiserhöhungen möglich und rechtmäßig.

Gilt bei Strompreisen ebenfalls die Beschränkung auf den Erhöhungswert, was den Nachweis der Billigkeit anbelangt, wie das vor Kurzem der BGH für Gaskunden in der Grundversorgung festgelegt hat (Urteil vom 19.11.2008)? Oder muss die Billigkeit auch für den Sockelpreis nachgewiesen bzw. kann angezweifelt werden? Ich habe dazu bisher kein Urteil gefunden, was diese Frage beantworten würde.

Danke für eine Rückmeldung.

Besten Gruß

Offline RR-E-ft

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Per definitionem wird nicht jeder Haushaltskunde  in der Grundversorgung beliefert, vgl. nur § 41 EnWG.

Nach dem Urteil des BGH vom 28.03.2007, Az. VIII ZR 144/06, könnte wohl der gesamte Strompreis dann der Billigkeitskontrolle unterliegen, wenn der Vertrag bereits zu einer Zeit abgeschlossen wurde, als der Versorger noch eine unbestrittene Monopolstellung inne hatte, also bei Vertragsabschluss vor dem 28.04.1998. Der Gesamtpreis könnte auch dann der Billigkeitskontrolle unterliegen, wenn man die Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH, Urt. v. 29.04.2008, Az. KZR 2/07 Rdn. 26 heranzieht, wonach die Tarifpreise an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind und deshalb eine gesetzliche Verpflichtung zur nachträglichen Preissenkung bestehen kann. Nachdem die Meinungsfreiheit grundgesetzlich geschützt ist, darf grundsätzlich alles angezweifelt werden.

Offline Gulliver08

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Hallo RR-E-ft,

nachdem Sie so freundlich waren so schnell zu antworten (danke dafür), muss ich auch schnell nochmal eine Frage loswerden.

Der Vertrag wurde nach dem 28.04.1998 abgeschlossen, damit leite ich ab, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Sockelbetrag evtl. nicht der Billigkeitsprüfung unterzogen werden muss.

Wenn dem so ist, wie definiert sich denn dann der Sockelbetrag und welchen Preisen ist dann evtl. zu widersprechen?

Danke nochmal.

Gruß

Offline RR-E-ft

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@Gulliver08

Möglicherweise ist man Haushaltskunde und gleichwohl nicht in der Grundversorgung und es gibt deshalb gar kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB.

Soweit ich sehen kann, sind Sie in der entsprechenden Prüfung (Als was für ein Kunde erscheine ich der Welt?)  wohl geübt bzw. halten sich dafür.  Was meinen Sie denn, wie der 8.Zivilsenat des BGH im Urteil vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) wohl einen sog. \"Sockelbetrag\" definiert hat? Der Gewinnanteil am Preis darf nachträglich nicht erhöht werden. Wenn Sie gleichwohl noch Fragen haben sollten, wenden Sie sich ggf. bitte an einen Kollegen/ eine Kollegin, um den konkreten Einzelfall prüfen zu lassen. Ggf. sollte man seine Fragen zu Strom und Gas dabei sammeln und gemeinsam abhandeln lassen.

Wer mag, kann auch hier endlos weiterschreiben oder einfach jeden Tag einen neuen Thread eröffnen (insbesondere für alle die, die wo keinen Adventskalender haben, wo jeden Tag etwas neu aufgemacht werden kann). ;)

Offline Gulliver08

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Ich denke das Forum ist dazu da, seine Fragen und Sichtweisen loszuwerden. Dass dieses Thema alles andere als schwarz oder weiss ist, wissen Sie selbst am besten.

Und einen Anwalt nehme ich mir gerne ... nämlich dann, wenn ich das Thema für mich weitestgehend erarbeitet habe und danach noch evtl. Zweifel an Details bestehen.

Und dass zu dem Thema zwei Threads eröffnet wurden, sei der Tatsache geschuldet, dass dieser Thread hier aus meiner Sicht eine -evtl. auch für andere interessante- Grundsatzfrage beinhaltet, während der andere sich mit meinem Stromthema beschäftigt (es wird ja keiner gezwungen, irgendwas zu lesen oder zu antworten).

Gruß

Offline Black

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Zitat
Original von Gulliver08
Und einen Anwalt nehme ich mir gerne ... nämlich dann, wenn ich das Thema für mich weitestgehend erarbeitet habe und danach noch evtl. Zweifel an Details bestehen.

Darüber freut sich jeder Anwalt  :D
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Nicht minder freut sich wohl ein Metzger, wenn man selbst ein Schwein schlachtet und dann allenfalls nur in den Laden geht, um nach den Rezepturen für die Würschte zu fragen, insbesondere weil man Restzweifel wegen der genauen Gewürze und deren Mengen hat. Aber so sind die Leute halt dank \"Hobbythek.de\", kommen nur noch ins Bekleidungsgeschäft, wenn es Restzweifel an Details beim Selbstschneidern auszuräumen gilt. Gottlob, es wird ja wenigstens keiner gezwungen zu antworten. Möglicherweise wäre der Metzger derart ob seiner Rezepturen und Kniffe befragt leicht unleidlich geworden. Und wer kann schon wollen, dass dessen Werkzeug in Augenhöhe kreist.... :D

Hat irgendwer Jean Pütz gesehen? ;)

Zitat
Original von Gulliver08
Und dass zu dem Thema zwei Threads eröffnet wurden, sei der Tatsache geschuldet, dass dieser Thread hier aus meiner Sicht eine -evtl. auch für andere interessante- Grundsatzfrage beinhaltet, während der andere sich mit meinem Stromthema beschäftigt (es wird ja keiner gezwungen, irgendwas zu lesen oder zu antworten).

Zitat
Original von Gulliver08
Mal eine Frage an die Fachleute.

Wie läuft denn die Einschaltung eines Anwaltes/Anwältin über den Bund vom Prozess her ab? Bezüglich des nach Einschaltung festgelegten Verfahrens ist die klare Information auf der BDEV-Site zu finden, obige Frage wurde aber dort nicht eindeutig beantwortet.

Danke & Gruß

 

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