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Autor Thema: Urteil des AG Koblenz wegen EVM (Fake?)  (Gelesen 8126 mal)

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Offline RR-E-ft

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Urteil des AG Koblenz wegen EVM (Fake?)
« am: 17. Juni 2005, 19:48:56 »
[ 141-C-403-05 ]

Offensichtlich hatte sich jemand allein versucht, eine Feststellungsklage gegen seinen Versorger zu probieren und unterlag:

http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=10262

Die dpa- Meldung stammt vom Versorger.

Nicht auszuschließen, dass da wieder eine Nachricht verbreitet wurde, die sich bei genauerer Betrachtung ganz anders darstellt.

Es ist nicht ersichtlich, ob die Klage als unzulässig oder unbegründet abgewiesen wurde. Im ersteren Fall hätte es schon keine Entscheidung in der Sache gegeben. Offensichtlich wurde die Preiskalkulation auch nicht offen gelegt.

Bei geringen Streitwerten kann das Amtsgericht eine Entscheidung im vereinfachten Verfahren gem. § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung treffen. Eine Berufung ist nicht möglich.


Weil es viele Fallstricke gibt und man mit einer Klage leicht unterliegen kann, zumal wenn auch das Gericht sich nicht mit der Matereie auskennt, sei Einzelnen von Feststellungsklagen abgeraten.

Solche sind schon nicht notwendig.

Vgl. auch hier:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=958


Im Übrigen ist es so, dass allein die Klage des Verbrauchers in Koblenz abgewiesen wurde.


Dieser hatte sicher beantragt, festzustellen, dass die Preiserhöhung unbillig war. Wenn eine solche Klage abgewiesen wird, steht mit der Klageabweisung jedoch nicht etwa das Gegenteil fest.

Das ist eine feine Nuance des Prozessrechts.

Und eine Entscheidung, dass die Preiserhöhung angemessen war, hatte das Gericht schon gar nicht zu treffen, weil das niemand beantragt hatte, § 308 ZPO. Der Versorger war schließlich Beklagter.

Insoweit kann die Meldung schon nicht ganz stimmen und es handelt sich wohl um eine Interpretation des Versorgers so wie E.ON Hanse seinerzeit gedeutet hatte, das BKartA habe deren Preise für angemessen befunden....

Mittlerweile konnte das Urteil ausgewertet werden:

Die Klage wurde als unzulässig abgewiesen.

In der Sache selbst wurde deshalb überhaupt nichts entschieden.

Die entsprechenden Meldungen sind deshalb wohl gezielte "Enten".

Einiges erscheint merkwürdig:

Soweit beantragt war, dass die Gaspreiserhöhung des Versorgers unwirksam ist, hätte der Streitwert so hoch liegen müssen wie das Umsatzvolumen des Versorgers, welches aus der Preiserhöhung resultiert...

Dafür wäre das Amtsgericht jedoch keinesfalls zuständig gewesen.

Die aufgetretenen Fehler bei der Klagebegründung sind wenig erklärlich.


Zudem ist nicht erklärlich, dass keine mündliche Verhandlung beantragt wurde. Kein anwaltlich vertretener Kläger lässt sich auf ein solch hoch riskantes Spiel ein, es sei denn, er ist sich seiner Sache vollkommen sicher oder er will verlieren.

Für eine solche Sicherheit bei einem nicht spezialisierten Kollegen spricht jedoch rein gar nichts.

Augenfällig ist auch, dass in dem Urteil mit keiner Silbe auf das Heilbronner Gaspreisurteil eingegangen wird.

Man hätte erwartet, dass sich ein anwaltlich vertretener Kläger auf dieses Urteil bezieht. Schließlich ist die Materie schwierig und da ist es gut, wenn man sich an dem einzigen Referenzurteil festhält. Offensichtlich nicht so in dem zu entscheidenden Fall.....

Gerichte prüfen zunächst ihre Zuständigkeit.

Bei dem zutreffennd zu Grunde zu legenden Streitwert wäre diese Frage schon zu verneinen gewesen. Dann klappt man die Akte zu. Das wars.

Nicht so in Koblenz.

Der Richter kommt auch nicht nur zu dem unzutreffenden Ergebnis, dass er sachlich zuständig wäre. Er macht auch bei der verneinten Zulässigkeit nicht Schluss, so wie es üblich ist.

Er befasst sich lang und breit mit der Frage der Begründetheit, auf die es im zu entscheidenenden Fall wegen der Unzulässigkeit gar nicht ankommen konnte und wozu er demnach auch gar nicht befugt war.

Solch ein obita dictum verfassen nur höchste Gerichte, wenn es eine Frage zu klären gilt, jedoch keine Amtsgerichte.

Vielleicht war der Richter deshalb einfach nur eitel und wollte mit seinem Urteil im Windschatten des Heilbronner Gaspreisurteils berühmt werden.

Das ist ihm ja dann auch gelungen.

Das erscheint alles zusammen äußerst merkwürdig.

Jedenfalls möchte man wohl mit diesem Urteil die Medien nun beeindrucken und die Verbraucher einschüchtern.


Jetzt muss es wohl eine professionelle Feststellungsklage der Verbraucherverbände gegen diesen Versorger geben, zumal diese auf den Internetseiten der EVM ins Visier genommen werden:



http://www.evm-koblenz.de/_scripts/frame_generator/generate.pl?timestamp=1119366469730&frameset=http%3A//www.evm-koblenz.de/bereiche/index.html&framename=content&url=http%3A//www.evm-koblenz.de/bereiche/journalisten/pressemitteilungen/inhalt/amtsgericht_koblenz_gibt_evm_recht/index.html&referrer=http%3A//www.evm-koblenz.de/




Über den Zahlungsanspruch des Versorgers ist damit jedoch noch nicht entschieden.

Es wird sich zeigen, ob der Versorger deshalb klagen wird, weil er dann jedenfalls seine Preiskalkulation offen legen muss.

So jedenfalls der BGH, OLG München, LG Mannheim,....

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=1041


Vgl. auch hier:


http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1382&subsubid=1400&content_news_detail=4177&back_cont_id=4044

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=1098

Der entsprechende "Aufmacher" des Branchen- und Lobbyverbandes BGW:

http://www.bgw.de/de/presse/pressemitteilungen/article_2005_6_21.html



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

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Urteil des AG Koblenz wegen EVM (Fake?)
« Antwort #1 am: 23. Juni 2005, 14:02:09 »
Bericht im Informartionsportal für Branchenbeschäftigte

http://www.strom-magazin.de (Professionals)

VON DER VERWEIGERERFRONT
23.06.2005, 11:40 Uhr

Neuigkeiten: Verwirrung um Koblenzer Gaspreisurteil


Zu verschiedenen Interpretationen hat ein Urteil des Koblenzer Amtsgerichts zum Thema Billigkeit von Gaspreiserhöhungen geführt. Während es die Gasbranche als klare Bestätigung feiert, halten es Verbraucherschützer für "in der Sache" irrelevant und verweisen stattdessen auf ein aktuelles Urteil aus Bergisch-Gladbach.


Berlin/Jena/Rheinbreitenbach/Koblenz (red) -

Ein in dieser Woche bekannt gewordenes Urteil des Amtsgerichts Koblenz in Bezug auf die Rechtmäßigkeit von Gaspreiserhöhungen hat in den zerstrittenen Lagern - Gaswirtschaft und Bund der Energieversorger - zu verschiedenen Interpretationen geführt. Während sich der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) in seiner Auffassung bestätigt sieht, hält der Bund der Energieverbraucher mit Unterstützung des Jenaer Energierechtsspezialisten Thomas Fricke die Klage für unbegründet, weil sie sich weder auf die Billigkeit der Erhöhung noch auf ein konkretes Vertragsverhältnis bezog.

Stattdessen habe der Kläger die Tarifpreiserhöhung allgmein für unverbindlich erklären lassen wollen. Es sei also nicht weiter verwunderlich, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wurde, erläutern die Verbraucherschützer und halten an ihrer Aufforderung fest, unbegründete Preiserhöhungen nicht zu zahlen und die Billigkeit der Erhöhung schriftlich zu bezweifeln. Rechtsanwalt Fricke rät indes im Einzelnen von Feststellungsklagen ab, da sie nicht nötig seien und es zu viele Fallstricke gebe.

Dessen ungeachten feiert die Gaswirtschaft das Urteil als Bestätigung der Linie. Das Gericht habe die Rechtsauffassung der deutschen Gaswirtschaft zur Anpassung der Erdgaspreise bestätigt, teilte der BGW euphorisch mit. Demnach sei die Anpassung der Erdgaspreise gerechtfertigt und der Kläger zur Zahlung des vollen Rechnungsbetrags verpflichtet. Gleichzeitig hätten die Koblenzer Richter klar gestellt, dass im vorliegenden Liefervertrag Paragraph 315 BGB zur Billigkeit der Gaspreise nicht angewendet werden kann.

Für Rechtsanwalt Fricke und den Bund der Energieverbraucher ist das "schlichtweg eine falsche Darstellung". Die Klage wurde zwar als unzulässig abgewiesen, in der Sache selbst aber daher überhaupt nichts entschieden. Das Gericht habe nicht festgestellt, dass die Preiserhöhung angemessen war. Dazu sei es nicht befugt gewesen. Es hätte eine Inhaltskontrolle der Klausel nach den Paragraphen 307, 315 BGB vornehmen müssen. Zudem hätte der Kläger eine mündliche Verhandlung beantragen müssen. Daher sei eine neuerliche Klage empfehlenswert, diesmal nur mit professioneller Unterstützung der Verbraucherverbände.

Gleichzeitig wiesen die Verbraucherschützer auf ein Urteil des Amtsgerichts Bergisch Gladbach hin, das das Verbraucherrecht auf Rechnungskürzung bestätigt habe (Aktenzeichen: 62 C 269/05). Der Richter erklärte in der Verhandlung, dass der Versorger den Streit verloren hätte, da er zur geforderten Offenlegung der Kalkulation verpflichtet sei und Sperrandrohungen unzulässig seien. Aktenkundig werde dies durch die Gerichtsentscheidung zur Kostenfrage: "Die Verfahrenskosten werden der Antragsgegnerin auferlegt, weil sie im Verfahren ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich unterlegen wäre."

Es sei also empfehlenswert, sich vor der eventuellen Einreichung einer Klage mit dem Bund der Energieverbraucher in Verbindung zu setzen.

Links zur News
Weitere Informationen von den Verbraucherschützern zum Urteil finden sich hier:
http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=1103
Alles Wissenswerte zur Verweigerung der Gaspreiserhöhung hier:
http://www.gaspreise-runter.de



Siehe auch:


http://marktplatz.strom-magazin.de/marktplatz/news/news_Von_der_Verweigererfront_Neuigkeiten_Verwirrung_um_Koblenzer_Gaspreisurteil_14546_1.html

Das Urteil: http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Container-Urteilssammlung/site__1625/

 

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