Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
BGH Urteil vom 19.11.2008 VIII ZR 138/07
RR-E-ft:
@Maverick
Der BGH soll mit einer Stimme sprechen. Deshalb gibt es den gemeinsamen Großen Senat, der zusammentritt, wenn verschiedene Senate Rechtsfragen unterschiedlich beantworten. Nur wird dieser nur ganz selten angerufen. Die Richter eines Senats wollen nämlich nicht sagen, das sie es besser wüssten als die Kollegen eines anderen Senats. In diesem Jahr gibt es eine einzige Entscheidung des Großen Senats in Zivilsachen vom 23.06.2008 unter dem Aktenzeichen GSZ 1/08, davor vom 15.07.2005 unter dem Aktenzeichen GSZ 1/04. Weitere solcher Entscheidungen finden sich in der Online- Entscheidungssammlung des BGH nicht.
--- Zitat ---Der XI. Zivilsenat möchte die vom Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Verjährungseinrede unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO berücksichtigen. Das würde der Revision zum Erfolg verhelfen und zur Abweisung der Klage führen. Er sieht sich hieran durch ein Urteil des X. Zivilsenats gehindert, nach dem die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede auch bei unstreitiger Tatsachengrundlage nur zuzulassen ist, wenn einer der - hier nicht gegebenen - Ausnahmetatbestände des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO vorliegt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - X ZR 165/04, GRUR 2006, 401, 404, Tz. 26 f.).
Da nach der Rechtsauffassung des X. Zivilsenats die Revision des Beklagten zurückgewiesen werden müsste und der X. Zivilsenat auf Anfrage mitgeteilt hat, an seiner Rechtsauffassung festhalten zu wollen, hat der XI. Zivilsenat die Sache dem Großen Senat für Zivilsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
--- Ende Zitat ---
Der Anrufung des Großen Senats hätte es schon für die Frage bedurft, ob der Gasversorger eine Monopolstellung hat oder ob ein Substitutionswettbewerb auf einem Wärmemarkt besteht.
Eine Anrufung des Großen Senats hätte es auch bedurft, als der 8. Zivilsenat auch bei Monopolstellung des Gasversorgers den Gesamtpreis nicht einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterziehen wollte.
Dies steht im Widerspruch zur Entscheidung des Kartellsenats vom 04.03.2008 (KZR 29/06) Rdn. 22 f.
--- Zitat ---Der damit eröffneten Nachprüfung der Billigkeit des Netznutzungsentgelts, das die Zedenten zu zahlen haben, steht auch nicht entgegen, dass in dem Netznutzungsvertrag durch die Bezugnahme auf das Preisblatt die Höhe des Erstentgelts betragsmäßig bestimmt worden ist und das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass das streitige, seit dem 1. November 2001 zu zahlende Entgelt aufgrund der vertraglich vorgesehenen jährlichen Überprüfung erhöht worden ist.
Nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist allerdings auch bei einem gesetzlichen Preisbestimmungsrecht eine etwaige Unbilligkeit eines bei Vertragschluss vereinbarten (oder durch vorbehaltlose Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zum vereinbarten Preis gewordenen) Preises nicht zu prüfen und selbst bei der Nachprüfung eines erhöhten Preises nicht zu berücksichtigen (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 29, 36). Diese Rechtsprechung beansprucht jedoch ausdrücklich keine Geltung für den Fall, dass bei Leistungen der Daseinsvorsorge wegen einer Monopolstellung des Versorgers oder wegen eines Anschluss- und Benutzungszwanges eine Überprüfung der Billigkeit des Preises in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB geboten ist (aaO Tz. 33-36). Sie ist auch bei einem Netznutzungsvertrag nicht anzuwenden, bei welchem dem Netzbetreiber das Recht zusteht, das Netznutzungsentgelt nach billigem Ermessen festzusetzen. Denn auch in dieser Konstellation tragen das Leistungsbestimmungsrecht und die damit verbundene Nachprüfungsmöglichkeit gerade dem Umstand Rechnung, dass der Netzbetreiber typischerweise ein Monopol innehat und seine Preisbildung daher, anders als es der VIII. Zivilsenat für den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt angenommen hat, nicht durch den Wettbewerb kontrolliert wird.
--- Ende Zitat ---
RR-E-ft:
@Jafar
In meinem Beitrag ist die entsprechende Regelung genannt.
Daraus ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen ein Senat des BGH den Großen Senat anrufen kann.
Für alle, die es exakt wissen wollen: Der Anruf erfolgt nicht per Telefon.
Das Gesetz spricht nicht von Anruf, sondern von Vorlage.
RR-E-ft:
Ziemlich untunlich, hier weiter zu spekulieren, so lange die Entscheidungsgründe nicht vorliegen.
Jede Seite wird - wie schon nach der Entscheidung vom 13.06.2007 - sich wieder ihren Reim darauf machen.
Ich meine, dass der Senat jedenfalls gezeigt hat, dass er ziemlich wendig ist, wenn es um die Beurteilung der Rechtslage geht. Das ist jetzt gewählt höflich ausgedrückt.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von mauszuhaus
Wir brauchen Klartext! Das sage ich auch Herrn Fricke gegenüber.
--- Ende Zitat ---
@mauszuhaus
Welche Rechtsprechung des BGH zu Gas - Tarifkunden derzeit besteht, habe ich doch - soweit dies nach der PM zum Verfahren VIII ZR 138/07 bisher überhaupt möglich ist - klar aufgezeigt, auch worin m. E. eine unterschiedliche Sichtweise des 8. Zivilsenats und des Kartellsenats besteht.
Dafür, dass der 8.Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) ausführt, (nur) bei einer Monopolstellung des Gasversorgers unterliege der gesamte Gaspreis der gerichtlichen Billigkeitskontrolle, und in der Entscheidung vom 19.11.2008 (VIII ZR 138/07) davon nun offensichtlich nichts mehr wissen will, kann ich nichts. Ich kann diesen Argumentationswechsel schon nicht nachvollziehen. Beliebigkeit lässt sich nicht vorhersehen, weil sie naturgemäß keinen (vorhersehbaren) Regeln folgt.
Zu Erdgas- Sonderkunden hat der BGH entschieden, dass Preisänderungsklauseln der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen, im Falle der Unwirksamkeit solcher Klauseln darauf gestützte Preiserhöhungen regelmäßig deren Schicksal teilen, vgl. Urt. v. 29.04.2008 (KZR 2/07).
Welche (rechtlichen) Möglichkeiten für Energieverbraucher demnach bestehen, liegt also offen zu Tage:
1.
Recht zu einseitigen Preisneufestsetzungen im konkreten Vertragsverhältnis bestreiten und einen Nachweis dazu fordern.
2.
Hilfsweise den im konkreten Vertragsverhältnis einseitig neu festgesetzten Preis, ggf. bestehend aus Grund- und Arbeitspreis, als unbillig rügen und sich gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auf dessen Unverbindlichkeit berufen.
Billigkeitsnachweis anhand der zwischenzeitlichen Kostenentwicklung des eigenen Versorgers hinsichtlich aller preisbildenden Faktoren fordern. Dabei auch Preistransparenz der Abrechnungen gem. § 40 EnWG n.F. verlangen.
Es gibt keine Gaspreise, die nur aus Bezugskosten bestehen. Weitere preisbildende Faktoren sind Steuern und Abgaben (etwa 25 Prozent des Preises) sowie Netzkosten, Mess- und Abrechnungskosten, Gewinnanteil des Versorgers.
Ggf. aufzeigen, warum ein etwaig nachgewiesener Anstieg der Bezugskosten als überzogen angesehen wird (Entwicklung der Erdgasimportpreise (= Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze)/ Großhandelspreise für Erdgas anhand amtlicher Feststellungen des BAFA und der BNetzA oder Börsennotierungen der EEX etc. , Senkung der Gasnetzkosten, zwischenzeitliche Entwicklung der durchschnittlichen Gasbezugs- und Gasabgabepreise der Vorlieferanten...).
3.
Lediglich den zuletzt unbeanstandet geleisteten Preis unter dem Vorbehalt der Rückforderung weiterzahlen und es ggf. auf einen Rechtsstreit ankommen lassen, dessen Ergebnis bzw. Ausgang von den bekannten Vorfragen abhängt, wohlwissend dass die in einem solchen Rechtsstreit schlussendlich unterliegende Partei grundsätzlich die Verfahrenskosten (Rechtsanwalts- und Gerichtskosten) zu tragen hat.
Dass sie auch die Möglichkeit haben, sich ggf. kartellzivilrechtlich zur Wehr zu setzen, ist andernorts hinlänglich beschrieben, nicht zuletzt durch ein von Prof. Kurt Markert für den Verein erstelltes Rechtsgutachten dazu.
Diesen Klartext gibt es hier bereits seit 2004.
Das sage ich insbesondere auch mauszuhaus gegenüber.
RR-E-ft:
@all
Das Forum dient vornehmlich der Diskussion von Sachfragen.
Wenn sich alle Beteiligten bemühen, die Diskussion auf der Sachebene und gerade nicht auf der persönlichen Ebene zu führen, sollte gewährleistet sein, dass viele von der Diskussion profitieren.
Wer sich über seine persönlichen Befindlichkeiten austauschen möchte, dem stehen hierfür ggf. andernorts weit bessere Möglichkeiten zur Verfügung.
Wer ggf. an sich bemerkt haben sollte, zuweilen empfindlicher zu reagieren als an anderen Tagen, könnte an seinen problematischen Tagen auch dieses Forum meiden. ;)
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