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Autor Thema: Weiter 500 Protestkunden/ SWG schreiben Kunden an  (Gelesen 4804 mal)

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Weiter 500 Protestkunden/ SWG schreiben Kunden an
« am: 30. Juni 2009, 15:49:32 »
SW Gießen verstehen die Kunden nicht

Zitat
Im SWG-Schreiben heißt es: \"Seit der Liberalisierung des Gasmarktes haben unsere Kunden die Möglichkeit, den Gasanbieter zu wechseln und damit ihr Gas von einem anderen Gasversorger zu beziehen und ihren Bedarf anderweitig zu decken. Ihnen steht es selbstverständlich auch weiterhin frei, von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen und zu einem anderen Gasanbieter zu wechseln, sollten Sie mit uns und unseren Leistungen überhaupt nicht zufrieden sein.\" Als Alternative ist ein Formblatt beigelegt, das der Kunde nur unterschreiben muss, um damit seinen bisherigen Widerspruch zurückzuziehen.


Zitat
Deshalb heißt es in dem Schreiben: \"Wir sind sicher, dass für Ihren Widerspruch keine Grundlage besteht.\" Damit sei der Kunde zur Zahlung des aktuellen Preise verpflichtet. Und weiter: \"Ihr Widerspruch gegen unsere Gaspreise ist unzulässig. Wir bitten Sie daher, den beiliegenden Vordruck zu unterschreiben und uns diesen umgehend zuzuschicken.\" Es handelt sich bei diesem Vordruck um die Rücknahme des Widerspruchs.
Der Kunde aber ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen, wartet die weitere Entwicklung entsprechender gerichtlicher Auseinandersetzungen ab. Momentan sind es noch rund 500 Kunden der Stadtwerke, die sich gegen die Höhe des Gaspreises über Widersprüche wehren, also nur unter Vorbehalt zahlen. Etwa 50 von ihnen zahlen nicht den vollen Preis, wie dies SWG-Unternehmenssprecherin Ina Weller bestätigte. In ihren Augen ist es nicht nachvollziehbar, dass Kunden, die mit den Leistungen der Stadtwerke nicht zufrieden seien, diese weiterhin in Anspruch nähmen.

Offensichtlich haben die Stadtwerke nicht verstanden, dass es in Sonderverträgen an einem wirksamen Preisänderungsrecht fehlt (BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 und BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06) und gegenüber Tarifkunden bzw. grundversorgten Kunden eine gesetzliche Verpflichtung zur nachträglichen Preissenkung besteht, soweit es die Kosten zulassen und dies den Kunden günstig ist.

BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26


Zitat
Hiernach kommt § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel nicht zu. Die Vorschrift bestimmt, dass das Gasver-sorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Zwar ergibt sich auch aus dem Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht entgegen der Auffassung der Kläger ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (BGHZ 172, 315 Tz. 17). Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen. Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist
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Die Kontrolle dieser gesetzlichen Verpflichtung im konkreten Vertragsverhältnis  erfolgt über die unmittelbare Anwendung des  § 315 BGB. Der BGh hat wiederholt entschieden, dass es dafür auf eine Monopolstellung gerade nicht ankommt (BGH, Urt. v. 13.06.07 - VIII ZR 36/06 und BGH, Urt. v. 19.11.08 - VIII ZR 138/07).

Die SWG will wohl ihre streitbaren Kunden mit nicht der Rechtslage entsprechenden Schreiben kirre machen. Niemand sollte sich davon einschüchtern lassen. Dafür, dass die Unternehmensprecherin Frau Weller und andere die Rechtslage nicht verstanden haben, können schließlich die Kunden nichts.

 

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