Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Verweisungsantrag  (Gelesen 20836 mal)

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Offline meggie64

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Verweisungsantrag
« am: 29. Oktober 2008, 14:43:02 »
Was macht man sinnvollerweise, wenn das von den Stadtwerken als Gasversorger angegangene Amtsgericht den vom beklagten Verbraucher gestellten Verweisungsantrag (an die wohl zuständige Kammer für Handelssachen beim LG) ignoriert und bereits terminiert hat? Darüber entschieden hat es noch nicht, das AG ist vielmehr mit keinem Wort darauf eingegangen. Läßt man es einfach laufen, dann eben vor dem AG? Wo liegt eigentlich der zwingende Vorteil einer Verhandlung vor dem LG (Berufungsmöglichkeit? Kompetentere Richter?)

Offline RR-E-ft

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Verweisungsantrag
« Antwort #1 am: 29. Oktober 2008, 14:57:28 »
@meggie64

Man muss in Klageerwiderung und in der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht die Unzuständigkeit des Amtsgerichts (zu Protokoll!) rügen.

Kommt das Amtsgericht zu der Auffassung, dass es unzuständig ist und stellt das klagende Versorgungsunternehmen keinen Verweisungsantrag, ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

Der beklagte Kunde muss also die Unzuständigkeit rügen, der Versorger muss einen Verweisungsantrag stellen. Vor den Kammern für Handelssachen beim LG herrscht Anwaltszwang. Die Fallzahlen sind geringer als an den Amtsgerichten. Die erstrebte Konzentration lässt eine gründlichere Prüfung erwarten. Über die Berufung entscheidet die Kartellkammer des OLG, über die Revision der Kartellsenat des BGH.

Offline Pölator

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Verweisungsantrag
« Antwort #2 am: 29. Oktober 2008, 15:23:13 »
Hallo Herr Fricke,
andere Baustelle, gleiches Thema:
Der Richter am Amtsgericht hat in unserem Fall mitgeteilt, dass das Gericht von der Zuständigkeit des AG ausgeht und eine gesonderte Verhandlung und Entscheidung über die Zuständigkeit nicht angeordnet wird.
Die Gegenseite hat die Zuständigkeitsrüge für nicht begründet erachtet und diverse Entscheidungen hierzu vorgelegt.
Macht es nun Sinn, dem Gericht andere Entscheidungen, die eine Verweisung ans Landgericht begründen, vorzulegen?

Vielen Dank,
Pölator

Offline RR-E-ft

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Verweisungsantrag
« Antwort #3 am: 29. Oktober 2008, 15:29:31 »
@Pölator

Es macht nicht nur Sinn, sondern ist tunlichst geboten, dem Gericht Entscheidungen vorzulegen, wonach die KfH beim LG zuständig ist. Dem Bund der Energieverbraucher liegt eine Vielzahl solcher Entscheidungen vor, wonach wegen § 102 EnWG für eine Billigkeitskontrolle die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts begründet ist.

Offline Pölator

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Verweisungsantrag
« Antwort #4 am: 29. Oktober 2008, 15:37:19 »
@Fricke

Danke für die prompte Anwort! Wo finde ich diese Entscheidungen, bzw. soll ich mich direkt an den BdE wenden. Dieser ist über meinen Fall informiert... .

Pölator

Offline RR-E-ft

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Verweisungsantrag
« Antwort #5 am: 29. Oktober 2008, 16:52:12 »
@Pölator

Ich gehe davon aus, dass die in der Anwaltsliste des Vereins aufgeführten Kollegen über die entsprechenden Entscheidungen verfügen. Jedem Verbraucher steht es frei, einen solchen Kollegen mit seiner Verteidigung zu beauftragen.

Offline tangocharly

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Verweisungsantrag
« Antwort #6 am: 29. Oktober 2008, 17:13:02 »
Das Verfahren zwecks Weiterverweisung läuft , vom Amtsgericht ausgehend, zunächst nach § 96 Abs. 2 GVG. D.h., der Kläger muß einen Antrag auf Verweisung an die Kammer f. Handelssachen stellen.

Stellt der Kläger den  Verweisungsantrag nicht, so kann der Beklagte Verweisungsantrag gem. § 98 Abs. 1 Satz 1 GVG stellen.

Der Antrag muß vor der Verhandlung des Antragstellers zur Sache (d.h. am Beginn der mdl. Verhandlung) zu Protokoll gestellt (erklärt) werden oder im schriftlichen Verfahren innerhalb der vom Richter gesetzten (Erwiderungs-) Fristen, § 101 Abs. 1 GVG.

Nun kommt der Richter ins Spiel: Über den Verweisungsantrag ist vorab zu entscheiden. Der Antrag kann ohne mündliche Verhandlung beschieden werden, § 101 Abs. 2 GVG.

Ergo: Kann der Richter nicht einfach \"weiter wursteln\"; d.h. er muß den Parteien Klarheit über die weitere Vorgehensweise verschaffen.

Aber: auch wenn es sich bei der Zuständigkeit nach §§ 102, 108 EnWG um eine \"ausschließliche\" handelt, immer daran denken, die Rüge der Zuständigkeit - zur Sicherheit - fristgerecht erfolgen zu lassen.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline Pölator

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Verweisungsantrag
« Antwort #7 am: 30. Oktober 2008, 08:32:03 »
@Fricke

Guten Morgen nach Jena!

Ich werde anwaltlich vertreten, dieser gehört jedoch nicht zur Anwaltsliste. Er ist aktiv in unserer Ortsgruppe, selbst Verweigerer und somit hoch motiviert. Wir sind übereingekommen, dass ich ihm, soweit es mir als juristischer Laie möglich ist, mit Informationen zuarbeite, auch nur auf Verdacht dass er diese noch nicht habe.

Ich werde mich einfach mal beim BdE kundig machen.
Viele Dank aber schon für die Hinweise!

@tangocharly

Siehe bitte oben.
Die juristische Vorgehensweise ist bekannt, nur ein bisschen mehr Munition schadet nie in der Hinterhand....

Einen schönen Tag noch,
der
Pölator

Offline meggie64

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Verweisungsantrag
« Antwort #8 am: 30. Oktober 2008, 11:17:10 »
Vielen Dank für Ihre Antwort. Dann ist also noch nichts entschieden. Den Verweisungsantrag habe ich schriftlich wiederholt unter Nennung einiger einschlägiger Entscheidungen, die ich dem AG freundlicherweise in Kopie beigefügt habe. In der mündlichen Verhandlung wird dann der Antrag sicherheitshalber wiederholt und die Sache hoffentlich sodann verwiesen. Für sonderlich prozessökonomisch halte ich das nicht (unnötiger Termin), aber anscheinend kann man da nichts machen.

Offline Black

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Verweisungsantrag
« Antwort #9 am: 03. November 2008, 12:21:05 »
Speziell für § 315 BGB Verfahren  gibt es leider noch immer eine Vielzahl von Landgerichten, die eine Sonderzuständigkeit des Landgerichts nach § 102 EnWG ablehnen und an die Amtsgerichte verweisen. Trotz Begründung der Zuständigkeit.

Insoweit herrscht derzeit praktisch Rechtsunsicherheit.

Es gibt Landgerichtentscheidungen die § 102 EnWG bejahen.
Es gibt Landgerichtsentscheidungen die § 102 EnWG verneinen und an die Amtsgericht verweisen.
Es gibt Amtsgerichte, die ihre Zuständigkeit verneinen und an das Landgericht verweisen.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Verweisungsantrag
« Antwort #10 am: 03. November 2008, 12:46:12 »
@Black

Wir sind uns wohl einig darüber, dass der Beschluss des LG Lüneburg vom 14.10.2008 zutreffend ist, wonach es sich um eine Sache handelt, die gem. §§ 108, 102 EnWG in die ausschließliche Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen beim Landgericht gehört.

Offline Black

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Verweisungsantrag
« Antwort #11 am: 03. November 2008, 15:45:24 »
Ja, wir sind uns darüber einig. Aber bei allen Landgerichten scheint dies noch nicht der Fall zu sein.

Sind neben dem Urteil des LG noch weitere Entscheidungen hierzu bekannt?

Ich hätte noch OLG Koblenz v. 09.02.07 W 50/07, LG Mönchengladbach, 10.07.2006 7 O 113/05 sowie AG Erfurt vom 12.03.2008, 5 C 1938/07) zu bieten.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline enerveto

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Verweisungsantrag
« Antwort #12 am: 03. November 2008, 21:25:47 »
Auch noch:

ZNER 207, Heft 2, Seite 161
\"Die sachliche Zuständigkeit deutscher Gerichte im Rahmen des Billigkeitseinwandes bei Strom und Gas\"
Rechtsanwältin Leonore Holling, Düsseldorf und Dr. Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher e.V., Unkel

LG Köln, Urteil v. 11.01.2007 - 84 O 106/06;
LG Limburg, Urteil v. 24.09.2007 - 5 O 56/07;
OLG Braunschweig, Beschluss v. 15.08.2007 - 1 W 43/07;
AG Reutlingen, Beschluss v. 18.01.2008 - 14 C 1820/07;
LG Ravensburg, Urteil v. 13.03.2008 - 4 O 350/07.

Offline meggie64

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Verweisungsantrag
« Antwort #13 am: 12. November 2008, 09:47:20 »
Hallo,

nur kurz zum Sachstand: das AG hat den Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben zur \"Klärung der Zuständigkeit vorab\". Der Richter hat sich wohl erst einlesen müssen. Auch der Klägervertreter hat um Fristverlängerung seiner Stellungnahme gebeten, wegen \"der Komplexität des Streitstoffes\" müsse er noch \"weitere Erkundigungen einholen\". Aha.

Gruß

Offline Pölator

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Verweisungsantrag
« Antwort #14 am: 15. November 2008, 10:54:47 »
Hallo meggie64,

es wäre nett, wenn Sie ihre angesprochenen \"Entscheidungen\" zur Verweisung ans LG hier nennen könnten.
So hätten andere Betroffene eine kleine Sammlung, die sich im Ernstfall als nützlich erweisen könnte.
Ich habe mich, wie von Hr. Fricke vorgeschlagen, direkt an den Bund der Energieverbraucher, dessen Mitglied ich bin, gewandt, mit Hinweis auf höchste Dringlichkeit. Nur leider ist dies bereits vor fast 14 Tagen geschehen und habe ich seidher immer noch keine Antwort bekommen.

In meinem Fall hat nun das Amtsgericht die Frist verlängert, da sich der Richter offensichtlich noch nicht entscheiden kann oder will.

Schönen Tag noch,
Pölator

 

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