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Autor Thema: LG Stuttgart: SW Aalen sollen Liefervertrag und Kalkulation nach Kundengruppen offen legen  (Gelesen 5233 mal)

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Offline RR-E-ft

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LG Stuttgart: SW Aalen sollen Liefervertrag und Preiskalkulationen offen legen

Zitat
Schon seit drei Jahren sehen sich Friedrich Heigl und hochrangige Manager der Aalener Stadtwerke vor Gericht. Zunächst setzte sich Heigl mit Gerhard Kohn vor dem Amtsgericht auseinander, dann mit Stadtwerkevize Ulrich Walter, nun sitzt ihm Cord Müller in der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart gegenüber. Es geht um die Gaspreiserhöhungen aus dem Jahr 2005, und zwar zum 1. Januar und 1. Oktober um jeweils 0,62 Cent je Kilowattstunde.

Zitat
Im Januar war der Prozess noch vor dem Amtsgericht geführt worden. Der dortige Richter Stefan Scheel tat etwas, was die meisten Amtsrichter-Kollegen im Land gar nicht erst in Erwägung ziehen: Er überwies den Fall ans Landgericht. Dies feierte Heigl als Erfolg, denn er wollte die Frage klären, ob die Stadtwerke ein örtliches Monopol auf den Gaspreis haben und somit kartellrechtlich zu belangen seien.
Dem hat zwar der Richter Gerhard Ruf vor dem Stuttgarter Landgericht sofort einen Riegel vorgeschoben: „Nach Rechtssprechung des BGH liegt hier keine marktbeherrschende Stellung vor.“ Das oberste Gericht hatte geurteilt, dass der Verbraucher theoretisch auf Öl oder Holzpellets ausweichen könne, und Richter Ruf verwies darauf, dass es ja Wettbewerb zwischen den Stadtwerken und Anbietern gebe.
Da nun der Fall aber vor der 17. Kammer des Landgerichts gelandet ist, wird er dort auch weiterverhandelt.

Nach der Rechtsprechung des Kartellsenats in der Entscheidung vom 29.04.2008 (KZR 2/07) haben die örtlichen Gasversorger auf dem sachlich eigenständigen Markt der Belieferung von Kleinkunden mit Erdgas sehrwohl eine marktbeherrschende Stellung. Der Kartellsenat des BGH hat darin  festgestellt, dass ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie nicht besteht. Möglicherweise hat sich das bis zu Richter Ruf am Landgericht Stuttgart noch nicht rumgesprochen:

Zitat
Die Versorgung von Letztverbrauchern mit Erdgas bildet sachlich einen eigenen Markt; ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie besteht nicht (Bestätigung von BGHZ 151, 274, 282 – Fernwärme für Börnsen).

Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist es allerdings, dass das Berufungsgericht die Beklagte, von der es festgestellt hat, dass sie mangels eines funktionierenden Durchleitungssystems wirksamem Wettbewerb anderer Gasanbieter nicht ausgesetzt ist, für marktbeherrschend erachtet hat.

Der für die kartellrechtliche Beurteilung sachlich relevante Markt ist gleichwohl der Gasversorgungsmarkt, da ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie nicht besteht (BGHZ 151, 274, 282 – Fernwärme für Börnsen). Das Berufungsgericht hat dies zutreffend damit begründet, dass ein Wechsel von einem zu einem anderen Energieträger mit erheblichen, als Marktzutrittsschranken wirkenden Umstellungskosten verbunden ist und für viele Letztverbraucher wie Mieter und einzelne Wohnungseigentümer schon mangels rechtlicher Befugnis zu einem solchen Wechsel ausgeschlossen ist
.

Zitat
Der Kölner Rechtsanwalt der Stadtwerke, Macus Ter Steg, ist mit den Ausführungen des Richters so zufrieden, dass ihm fast nur noch bleibt, sich für das „gründliche Aufarbeiten des Falls“ zu bedanken. Doch so präzise die drei Richter herausgearbeitet haben, was alles nicht Gegenstand des Verfahrens sein darf, so penibel verlangen sie in den strittigen Fragen auch Aufklärung. „Um beurteilen zu können, dass die Gaspreiserhöhung für alle Kunden gleich weitergegeben wurde, brauchen wir die Lieferverträge“, beharrt Gerhard Ruf. Und, dass die Excel-Tabelle der Stadtwerke zur Preisgestaltung nur Haushaltskunden betrifft „Wir brauchen auch die anderen Zahlen.“ Zudem zitiert das Gericht die rätselhaften Aussagen des GVS-Managers Michael Kirschner, der im Januar vor dem Amtsgericht eingeräumt hat, dass man in den Verträgen mit den Stadtwerken „nach Kunden differenziert“. Stadtwerkechef Cord Müller muss einräumen, dass sein Unternehmen Gas für Industrie- und Privatkunden zu unterschiedlichen Konditionen bezieht. Müller und sein Anwalt beraten sich, und kündigen dann an: „Wir sind bereit, die Zahlen für die einzelnen Kundengruppen offenzulegen.“ Auch die Lieferverträge sollen vorgelegt werden. Dazu haben die Stadtwerke nun bis 30. November Zeit, der Prozess wird frühestens im Januar fortgesetzt.

Es wäre vorteilhaft, wenn die örtlichen Protesgruppen das Aktenzeichen des Verfahrens vor dem LG Stuttgart in Erfahrung bringen und ggf. ergangene Hinweisbeschlüsse des Gerichts zur Verfügung stellen.

Offline tangocharly

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Das ist, wenn ich mich nicht irre, die zentrale Kartellkammer für den württ. Landesteil. Werde mich mal umhören, ob das Aktenzeichen zu bekommen ist.
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Offline RR-E-ft

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@tangocharly

Danke.

Ggf. mit dem genannten Kollegen Kontakt aufnehmen, der den streitbaren Kunden vertritt. Als zentrale Kartellkammer sollten die Richter die Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH eigentlich besser verfolgen.

Offline tangocharly

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Zitat
Original von tangocharly
Das ist, wenn ich mich nicht irre, die zentrale Kartellkammer für den württ. Landesteil. Werde mich mal umhören, ob das Aktenzeichen zu bekommen ist.

Aktenzeichen LG Stuttgart:      17  O  381/2008
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