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Autor Thema: Bevorstehende Verhandlungen am BGH  (Gelesen 5034 mal)

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Bevorstehende Verhandlungen am BGH
« am: 18. April 2008, 19:22:48 »
Am 29.04.2008 soll das Urteil im Revisionsverfahren KZR 2/07 verkündet werden. Die Vorsinstanzen LG Dresden und OLG Dresden [RdE 2007, 58] hatten entschieden, dass die Preiserhöhungen der Enso gegenüber den Verbrauchern, die aufgrund von Sonderverträgen beliefert werden, unwirksam waren. Hieregen hatte der Versorger Revision eingelegt.
Die mündliche Verhandlung fand am 08.03.2008 statt.



Zitat
VIII ZR 138/07

AG Dinslaken - Urteil vom 13. Juli 2006 - 31 C 295/05

LG Duisburg - Urteil vom 10. Mai 2007 - 5 S 76/06

Die Beklagte, ein kommunales Gasversorgungsunternehmen, beliefert den Kläger aufgrund eines 1983 geschlossenen Vertrags mit Gas. Zum 1. Januar 2005 erhöhte die Beklagte den Arbeitspreis von 3,05 Cent/kWh auf 3,56 Cent/kWh, zum 1. Januar 2006 auf 4,35 Cent/kWh; ab dem 1. April 2006 verlangte sie 4,25 Cent/kWh.

Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass er zur Zahlung des von der Beklagten verlangten Gaspreises nicht verpflichtet sei, solange dessen Billigkeit nicht festgestellt sei. Mit der Widerklage hat die Beklagte bis einschließlich April 2006 einen Betrag von 594,94 € verlangt. Daraufhin hat der Kläger die Klage für erledigt erklärt.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die gegen die Verurteilung aufgrund der Widerklage gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die von der Beklagten verlangten Preise seien einer Billigkeitskontrolle (§ 315 BGB) zu unterziehen. Eine solche sei jedoch nicht möglich, weil die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen sei. Unter anderem hätte die Beklagte unter Vorlage ihrer Bezugsverträge vortragen müssen, dass, wie und warum ihre Bezugspreise gestiegen seien. Sie hätte ferner darlegen müssen, was sie ihrerseits unternommen habe, um günstigere Gaspreise bei ihren Lieferanten zu erzielen. Es reiche nicht aus, wenn die Beklagte lediglich die Beträge angebe, um die ihre Einkaufspreise in absoluten Zahlen gestiegen seien, ohne gleichzeitig darzulegen, wie sie ihren Preis kalkuliere. Die Offenlegung der Kalkulation sei der Beklagten auch unter dem Aspekt der vom Schutz des Art. 12 Grundgesetz erfassten Geschäftsgeheimnisse nicht unzumutbar.

Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.

Verhandlungstermin: 28. Mai 2008


VIII ZR 274/06

AG Euskirchen – 17 C 260/05 – Urteil vom 5. August 2005

LG Bonn – 8 S 146/05 – Urteil vom 7. September 2006 (RdE 2007, 84)

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von einseitig vorgenommenen Gaspreiserhöhungen. Die Beklagte ist ein regionales Gasversorgungsunternehmen; die Kläger sind Eigentümer eines Hausgrundstücks. Sie schlossen mit der Beklagten im Mai 2003 einen \"Gasversorgungs-Sondervertrag\" zur Versorgung ihres Wohnhauses mit Erdgas ab. In dem von der Beklagten vorformulierten Vertrag heißt es:

\"Der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der allgemeinen Tarifpreise eintritt.\"

Nachdem der Arbeitspreis zunächst zum 1. Januar 2004 gesenkt worden war, erhöhte die Beklagte den Arbeitspreis zum 1. Januar 2005 um 0,5 Cent/kWh, zum 1. Oktober 2005 um 0,4 Cent/kWh und zum 1. Januar 2006 um 0,46 Cent/kWh (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer).

Mit ihrer Klage haben die Kläger die Feststellung begehrt, dass die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen nicht der Billigkeit entsprechen und damit unwirksam seien. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Preisanpassungsklausel enthalte keine unangemessene Benachteiligung der Kläger und sei deshalb im Rahmen einer Prüfung nach § 307 BGB nicht zu beanstanden. Die Preiserhöhungen hielten auch einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB stand, denn es stehe zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die Preissteigerungen allein auf den gestiegenen eigenen Bezugskosten der Beklagten beruhten, was aus Gesichtspunkten der Billigkeit nicht zu beanstanden sei.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Feststellungsanträge weiter.

Verhandlungstermin: 18. Juni 2008

Quelle:

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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Bevorstehende Verhandlungen am BGH
« Antwort #1 am: 16. Juni 2008, 14:28:48 »
Am 18.06.2008 steht ein Fall zur Entscheidung an, bei dem das LG Bonn eine Monopolstellung des Gasversorgers angenommen hatte. Nach den Feststellungen der Tatsachensinstanz handelt es sich um einen Sondervertrag, bei dem das Preisänderungsrecht einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliege.

Das LG Bonn hatte ausgeführt:

Grundlage für die beanstandete Preiserhöhung ist die Regelung in § 2 Ziff. 2 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Gas- Sondervertrages, die wie folgt lautet: \"Der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der Allgemeinen Tarife erfolgt.\"

Damit hatte sich zuletzt das Urteil des Kartellsenats des BGH vom 29.04.2008 - KZR 2/07 befasst. Danach setzt die Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln in Erdgas- Sonderverträgen klare Termine in solchen Klauseln voraus, zu denen die Preise geändert werden können.

Aus der Klausel geht indes nicht hervor, wann genau  und vor allem in welche Richtung und in welchem Umfang sich der vereinbarte Gas- Sonderpreis ändert. Die Klausel scheint deshalb nach der Rechtsprechung des BGH wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot  des § 307 BGB unwirksam. Nach der Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH besteht auch kein Leitbild des § 4 AVBGasV, aus dem sich etwas anderes ergeben könnte. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht demnach nicht.

Fraglich, wie der achte Zivilsenat des BGH damit umgeht, ob er von der Rechtsprechung des Kartellsenats abweichen will. Offensichtlich eignet sich dieser Fall wohl nicht gerade für eine weitere Grundsatzentscheidung zur Billigkeitskontrolle von Gaspreisen, die der Senatsvorsitzende  Ball laut Pressebereichten anstrebt. Es fehlt schon am vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrecht als Voraussetzung einer Billigkeitskontrolle.

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Bevorstehende Verhandlungen am BGH
« Antwort #2 am: 18. Juni 2008, 15:02:37 »
Keine Billigkeitskontrolle bei Gas- Sonderkunden

Entscheidung im September

Zitat
Das Urteil wird auch beantworten, ob bei der Überprüfung von Gaspreiserhöhungen für Tarifkunden andere rechtliche Maßstäbe gelten als für Verbraucher mit Sonderverträgen.
Der achte Zivilsenat scheint möglicherweise mal wieder auf Abwegen zu sein.

Der Kartellsenat des BGH hatte bereits am 29.04.2008 (KZR 2/07) grundsätzlich entschieden, dass Preisänderungsklsaueln in Gas- Sonderverträgen der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegen, sich insoweit kein Preisfestsetzungsrecht des Gasversorgers aus § 4 AVBGasV ergibt. Die Fälle sind insoweit identisch.

In § 1 Abs. 2 AVBGasV war klar geregelt, dass diese nur für Tarifkunden gilt. Nur für diesen Bereich gab es in § 7 EnWG 1935/ § 11 EnWG 1998 eine Ermächtigungsgrundlage. Zu einer gesetzlichen Regelung für Gas- Sonderverträge fehlt nicht nur eine Rechtsgrundlage in einer Verordnung, sondern auch eine Ermächtigungsgrundlage für den Verordnungsgeber selbst. Der Verordnungsgeber hätte die Gas- Sonderverträge überhaupt nicht inhaltlich gestalten dürfen und hat es auch nicht getan.

Recht lässt sich auslegen, aber eben nicht grenzenlos.
Dies ergibt sich unter anderem aus Art. 20 Abs. 2 GG.

Fehlt es aber am einseitigen Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB, kommt auch keine Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB  in Betracht. Besteht hingegen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB, so ist die gerichtliche Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB zwangsläufig die Kehrseite der selben Medaille.

Wollte der achte Zivilsenat von der Rechtsprechung des Kartellsenats abweichen, müsste der Große Senat angerufen werden.

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