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Autor Thema: Verrechnungspreis - Wofür Aufsichtsbehörden?  (Gelesen 9822 mal)

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Offline JGrave

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Verrechnungspreis - Wofür Aufsichtsbehörden?
« am: 26. Mai 2005, 21:06:07 »
Die LEW Lechwerke AG Augsburg sind - nach einer unglaublichen Erhöhung der Preise für Wärmepumpenstrom zum 01.10.2004 um 43,7 % (Tag-) und 16,4 % (Nachtstrom) - offensichtlich bereits so \"verarmt\" oder aber auf den Geschmack gekommen, dass sie sogar Steuer- und Meßeinrichtungen beim Kunden als Verrechnungsentgelt in Rechnung stellen, die dort gar nicht eingebaut sind.

So wird seit Jahren unsere Wärmepumpe per Zweitarifzähler gemessen und mit einem Tarifschaltgerät geschaltet (Unterbrechbarkeit, Tarifumschaltung). Haushaltsstrom nach dem Allgemeinen Tarif -Zweitarifmessung- wurde über einen zweiten Zweitarifzähler gemessen, während die Tarifumschaltung mit dem gleichen Tarifschaltgerät der Wärmepumpe erfolgte und auch dort abgerechnet wurde; insgesamt wurden als Verrechnungspreis damit zwei Zweitarifzähler und ein Tarifschaltgerät berechnet - soweit so gut und richtig.

Seit 2004 berechnet das EVU - ohne Änderung des Preisblatts oder der AGB - bei jedem einzelnen Tarif (Haushalt, Wärmepumpe) je ein Tarifschaltgerät (also insgesamt zwei Tarifschaltgeräte zu je EUR 21,36), obwohl tatsächlich nur eines technisch notwendig und auch nur eines körperlich vorhanden ist. Unsere Einwendungen, dass nach § 4 Abs. 4 BTOElt nur \"die Kosten ... der technisch notwendigen und vom Kunden zusätzlich veranlaßten Meß- und Steuereinrichtungen\" verrechnet werden dürften, wurden zurückgewiesen, zunächst mit \"die Anzahl der eingebauten Tarifschaltgeräte ... ist bei der Verrechnung nicht ausschlaggebend\", dann handelte sich um eine \"zur Verfügungstellung von Schaltzeiten pro Meßeinrichtung\" (vielleicht erheben die bald auch einen Uhrzeit-Zuschlag, weil die Tarifumschaltung zweimal am Tag zu festen Zeiten erfolgt), und schließlich wurde der regelmäßige Mehrpreis von EUR 21,36 als \"Pauschale\" begründet, der von Behördenseite über den Allgemeinen Tarif genehmigt sei.

Die Nachfrage bei der zuständigen Behörde erwies sich so aufschlußreich wie hilflos: Da es sich beim Wärmepumpenstrombezug um einen Sondertarif handele, sei das Preisprüfungsreferat leider nicht zuständig. Synergieeffekte seien nicht Gegenstand der Tarifgenehmigung (und ich Dummchen dachte, die Prüfung auf \"Erforderlichkeit\" der Strompreishöhe nach § 12 BTOElt schließt Synergie-Vorteile ein, aber die sollen demnach nur beim EVU verbleiben). Man wies darauf hin, diese Frage des \"Vertragsrechts\" privatrechtlich von den Zivilgerichten klären zu lassen.

Da das strittige (weil nicht vorhandene, aber berechnete) \"zweite\" Tarifschaltgerät beim Allgemeinen Tarif abgerechnet wird, halten wir die Behörde, der nach § 14 BTOElt die Aufsicht über Verstöße gegen Vorschriften der BTOElt (hier: §§ 4 Abs. 4, 1 Abs. 1, 9 Abs. 3 BTOElt) obliegt, sehr wohl für zuständig und möchten diese als Aufsichtsbehörde auch in die Pflicht nehmen (sie arbeitet ja im Auftrag und auf Kosten des Steuerzahlers). Welche anderen behördlichen Zuständigkeiten und Pflichten für die Aufsicht über die Vorschriften der BTOElt gibt es denn sonst, oder müssen immer gleich die Gerichte bemüht werden?

Bitte melden: Gibt es außer uns tatsächlich keinen Kunden, der neben seiner Wärmepumpe Haushaltsstrom mit Zweitarifmessung von LEW bezieht (so jedenfalls die Behauptung von LEW gegenüber der Preisgenehmigungsbehörde) ?

Offline RR-E-ft

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Verrechnungspreis - Wofür Aufsichtsbehörden?
« Antwort #1 am: 27. Mai 2005, 13:38:01 »
@JGrave

Bei der bei der vertraglich vereinbarten Stromlieferung handelt es sich wohl um einen sog. Sondervertrag außerhalb der Allgemeinen Versorgung.

Deshalb unterfallen diese Preise wohl nicht der Tarifgenehmigungspflicht nach BTOElt, so wie schon von der Behörde mitgeteilt.

Für die vereinbarte Energiedienstleistung dürfte der Versorger jedoch über eine marktbeherrschende Stellung am Ort verfügen, da nach Auskunft des BKartA sich in diesem Bereich bisher kein Wettbewerb herausbilden konnte:

Mit einem solchen ist auch in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, weil wegen der geforderten hohen Netznutzungsentgelte durch den Netzbetreiber dieses Geschäft sich für dritte Stromhändler als unlukrativ erweist, der Eintritt in einen Wettbewerb mit zu hohen Kosten verbunden ist.

Wegen letzterer Problematik kann die Landeskartellbehörde eine entsprechende Stellungnahme des Bundeskartellamtes einholen.

Sie könnten sich dehalb mit dem gesamten Vorgang unter Beifügung aller Unterlagen an die Landeskartellbehörde wenden, damit diese prüfen möge, ob ihr Versorger etwa eine marktbeherrschende Stellung zu einem kartellrechtswidrigem Preishöhenmissbrauch ausnutzt.

Beim Bundesverband Neuer Energieanbieter (bne) http://www.bne-online.de könnten Sie sich zudem erkundigen, ob nicht vielleicht doch ein dritter, günstigerer Anbieter bei Ihnen am Ort seine entsprechenden Dienste anbietet.


Soweit zum Kartellrecht. Die Eingriffsschwelle für ein Eingreifen der Behörde liegt relativ hoch.

Sie können sich aber auch selbst gegen die Preiserhöhungen zur Wehr setzen, indem Sie die Unbilligkeit einwenden. Immerhin berichten Sie, der Versorger ahbe die Änderung der zur Abrechnung gebrachten Entgelte vollkommen einseitig bestimmt.

Es stehen Ihnen demnach wohl beide aufgezeigten Wege zur Verfügung. Mit dem Weg über die Kartellbehörde leisten Sie auch einen entscheidenden Beitrag für andere betroffene Verbraucher.

Wegen der Rechtsprechung zur Unbilligkeit ist der zweite Weg wohl für Sie konkret noch effektiver.

Ich würde beide Wege parallel beschreiten.


Vgl. auch hier:

Bundeskartellamt antwortet auf Heizstrompreiserhöhung in KL
Abrechnung Strompreise
Wärmepumpe


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline JGrave

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Verrechnungspreis - Wofür Aufsichtsbehörden?
« Antwort #2 am: 28. Mai 2005, 00:04:33 »
@RR-E-ft

Herzlichen Dank für Ihre umgehende Stellungnahme.

Ich wollte zunächst das Problem des ungerechtfertigten Verrechnungspreises (1 Tarifschaltgerät eingebaut, 2 Tarifschaltgeräte als \"Pauschale\" abgerechnet) in diesem neuen Thread ansprechen und mich zur Strompreisthematik in bereits eröffneten Threads äußern, um beide Problemthemen nicht zu sehr zu vermischen. (@Moderator: Abschnitte II-III bitte ggf. verschieben)


I. Verrechnungspreis
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Kundenanlage wie folgt:
Sondervertrag Wärmepumpe: Zweitarifzähler + Tarifschaltgerät korrekt abgerechnet;

Allgemeiner Tarif - Zweitarifmessung - für Haushaltsstrom (kam einige Jahre später dazu): Zweitarifzähler jahrelang korrekt abgerechnet (Tarifum­schaltung erfolgt über o.a. Tarifschaltgerät, das zur Wärmepumpe gehört und dort abgerechnet wird).

Seit 2004 (Kundenanlage, Verrechnungspreise und AGB unverändert) wird beim Allgemeinen Tarif für Haushaltsstrom - Zweitarifmessung - statt des Zweitarifzählers nun ein Verrechnungspreis für Zweitarifzähler plus zweites Tarifschaltgerät berechnet, obwohl ein zweites Tarifschaltgerät weder technisch notwendig noch tatsächlich vorhanden ist.

Wenn sich das EVU das zweite Tarifschaltgerät sparen kann - und hierzu ist es nach §§ 4 Abs. 4, 9 Abs. 3 BTOElt verpflichtet - , so müßte es diesen \"Synergieeffekt\" (so die Formulierung der Preisgenehmigungsbehörde) doch wohl gem. § 1 EnWG und § 1 Abs. 1 BTOElt weitergeben, da es den Kunden zumindest im Allgemeinen Tarif \"möglichst preisgünstig\" (EnWG) bzw. \"so preiswürdig wie möglich\" (BGH VII ZR 240/90) zu bedienen hat.

Ich sehe hierin eine Verletzung aller o.a. Rechtsvorschriften (und zwar ausschließlich im Vertragsverhältnis \"Allgemeiner Tarif\") und möchte Steuerzahler\'s Behörde nach § 14 BTOElt zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen bewegen; nach Inkenntnissetzung der zuständigen Behörde müßte diese h.E. bereits von Amts wegen tätig werden. Gibt es hierzu alternative Empfehlungen?

Die Verbraucherzentrale Bayern hat sich den Vorgang angesehen und meine Auffassung bestätigt (\"Dies ist ein Fall für die künftige Regulierungsbehörde\" - womit mir leider in Ermangelung selbiger zur Zeit nicht gedient ist). Ansonsten ist man dort eher um Ruhe bemüht (haben Sie mal auf deren Homepage geschaut und nach dem Stichwort \"Strom\" oder \"Gas\" gesucht? Das läuft im Norden ganz anders).


II. Preiserhöhung Wärmepumpenstrom
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Der Wärmepumpenstrompreis ist seit 2000 jedes Jahr um rund 10% gestiegen, im Oktober 2004 nochmal auf einen Schlag um rd. 40% (bis jetzt: gegenüber 2000 insgesamt +85% beim Tag- und +57% beim Nachttarif). Der Allgemeine Tarif ist im gleichen Zeitraum +11,9% beim Tag- und +27,6% beim Nachttarif gestiegen.

Der Abstand zwischen Allgemeinem Tarif und Wärmepumpentarif wurde von 54,9% in 1992 (Einführung des Sondertarifs für Wärmepumpenanlagen \"im Zuge der verstärkten Umweltdiskussion\") auf jetzt 35,2% verringert (ausreichend Äquivalenz erkennbar?).

Die Landeskartellbehörde hat bestätigt, dass für Wärmepumpenstrom kein Wettbewerber im hiesigen Bereich verfügbar ist, LEW besitzt insoweit Monopolstellung. Auf die der Behörde wohl aus anderen Anfragen bekannte Strompreiserhöhung um rd. 40% angesprochen, wurde mitgeteilt, dass die Landeskartellbehörde nur zwischen Wettbewerbern vergleicht, hier aber kein Vergleichswettbewerber verfügbar sei (hier beißt sich der Hund in den Schwanz: weil kein Vergleichspreis existiert, wird der Preis kartellrechtlich nicht geprüft - eben rechtsstaatliche Logik), und dass der Preis unterhalb des genehmigten Allgemeinen Tarifs liege - wie viel sei egal, Hauptsache unterhalb.

Bei weiterem Nachhaken tauchten dann auch behördlicherseits Redewendungen wie \"unterschiedliche Stromprodukte\" und \"teilweise Unterdeckung im Wärmepumpentarif\" auf, die wortgleich schon Monate zuvor von meinem Versorger verwendet wurden (seltsame Nähe? - gibt aber zu denken). Mit Schützenhilfe von der Bayerischen Landeskartellbehörde ist also nicht zu rechnen (1.Weg nicht erfolgversprechend).

Da hat man vor Jahren mit dem Zugpferd \"Ökologie\" und \"günstige Energie für umweltfreundliche Erdwärmenutzung\" eine fast dreimal so teuere Investition (gegenüber Öl) in eine monovalente Erdsonden-Wärmepumpenanlage (allein die Sondenbohrungen kosteten über 25.000 DM) gesteckt, und jetzt heißt es \"April, April!\": Preisdiktat nur zum Abnicken, weil kein Wettbewerb, kein alterna­tiver Einkauf, keine vertretbare Umstellung auf andere Energieträger. Aber weiter steigende Strompreise wurden schon vorsorglich vom EVU prognostiziert, so dass sich ein Umstieg vielleicht doch bald rechnet, wenn man Amortisationszeiträume wie bei Photovoltaik einplant.

Hinsichtlich des 2.Wegs (Billigkeit nach § 315 BGB) könnte nur das Argument \"Offenlegung\" ziehen; ob es inhaltlich - bei einem Preisabstand zum Allgemeinen Tarif von z.Zt. 35% - erfolgversprechend ist, bin ich noch am zweifeln, zumal die Gefahr des \"Preisdumpings\" dann auf mich selbst zurückfallen könnte.


III. Strompreisbildung
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Mein Versorger hatte mir eine Aufstellung der Kosten von \"Beschaffung und Vertrieb\" bis \"Arbeitspreis pro kWh\" übersandt; danach kostet ihn Beschaffung und Vertrieb von Wärmepumpenstrom (alles Nettopreise) zur Hochtarifzeit 1,53 ct/kWh und 2,30 ct/kWh im Niedertarif (verdrehte Welt - nachts teurer als tags!). Durch ebenso abenteuerliche wie unterschiedliche Netznutzungsentgelte (5,51 ct/kWh Tag, 1,59 ct/kWh Nacht) und Steuern kommt dann der Arbeitspreis zustande. Bei derart niedrigen Beschaffungskosten und solch hohen Netznutzungsentgelten kann sich jeder leicht ausrechnen, wie sich künftiger Wettbewerb, der auf Netzdurchleitung angewiesen ist, vermeiden läßt.

Die Strompreiserhöhung zum 01.10.2004 wurde von LEW aber wie folgt angekündigt und begründet:

\"Die Medien erinnern fast täglich daran, wie die Energiepreise nach oben klettern. Beispielhaft dafür ist Rohöl. Die Preise stiegen hier von Mai 2003 bis Mai 2004 durchschnittlich um 37,5% (Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle). Und auch Importkohle und Erdgas haben sich stark verteuert.\"

In der zeitgleich ausgelieferten Hauszeitschrift des EVU ist nachzulesen: LEW erzeugt Strom zu 1,4% aus Öl, zu 84,7% aus Wasserkraft und Kernenergie (Bezug von RWE).

Der Rohölpreis pro Barrel ist 2000 von durchschnittlich 27,60 US$ (1 US$ = 1,16 EUR) bis September 2004 auf etwa 40 US$ (1 US$ = 0,82 EUR) gestiegen, d.h. von 32,02 EUR (2000) auf 32,80 EUR (2004) = 2,4%. Bei einem Öl-Anteil von 1,4% bei der Stromerzeugung und durchschnittlich 17,7% Beschaffungs- und Vertriebsanteil am Arbeitspreis ergibt das ein Erhöhungspotential von 0,25% (erhöht wurde bekanntlich seit 2000 um 85% Hochtarif bzw. 57% Niedertarif). Sobald der Wechselkurs wieder dreht, werden die Stromkonzerne zeitgleich mit den Mineralölkonzernen die ersten sein, die nach Erhöhung rufen und neue Preisgenehmigungen beantragen, die dann mit vielleicht einem \"aber net gar so doll\" genehmigt werden.

Offline RR-E-ft

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Verrechnungspreis - Wofür Aufsichtsbehörden?
« Antwort #3 am: 30. Mai 2005, 13:39:00 »
@JGrave

Die Kartellbehörde muss prüfen, ob eine marktbeherrschende Stellung für einen kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauch ausgenutzt wird.

Dabei stellt sich die Frage, ob das EVU aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung einen Preis durchsetzt, der bei wirksamem Wettbewerb am Markt so nicht durchsetzbar wäre.

Die Prüfung erfolgt nach dem sog. Vergleichsmarktkonzept bei Unterstellung eines \"Als- ob- Wettbewerb\"- Szenarios.

Zunächst ist zu prüfen, wie sich die entsprechenden Tarife bei anderen Versorgern entwickelt haben. Liegen diese wesentlich geringer ist ein Anfangsverdacht für einen kartellrechtlichen Preishöhenmissbrauch gegeben.

Der Versorger kann diesen durch sachliche Rechtfertigungsgründe auszuräumen versuchen.

Eine umfassende Untersuchung hierzu findet sich in der Dissertation von Dr. Gabriele Braband \"Strompreise zwischen Privatautonomie und staatlicher Kontrolle\", C.-H. Beck-Verlag, München 2003 - kann im Buchhandel bestellt werden.

Nicht ziehen dürfte das Argument, dass der Tarif bisher nicht kostendecekend gewesen wäre:

Ein solcher Dumpingpreis oder Kampfpreis dürfte sich zugleich als kartellrechtlich unzulässige Wettbewerbsbehinderung gegenüber dritten Stromhändlern im Sinne von § 20 GWB erweisen.

Zudem müsste dieser Dumpingpreis in Unterdeckung dann bisher über andere Erlöse subventioniert worden sein.

Regelmäßig sind die Tarifkunden die \"Melkkühe\".

Dies ließe einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Ausgewogenheit der Tarife besorgen:

Über das Tatbestandsmerkmal \"ausgewogen\" schlägt § 1 Abs. 1 Satz 3 BTOElt zudem eine Brücke zu § 12 Abs. 2 BTOElt, wonach bei der Preisgenehmigung die \"Kosten- und Erlöslage bei der Versorgung der einzelnen Bedarfsarten besonders zu berücksichtigen\" ist.

Außerdem ergänzt § 1 Absatz 1 Satz 3 BTOElt den rein kostenmäßigen Aspekt des § 1 Abs. 1 BTOElt insoweit um einen Wettbewerbsgedanken, als danach auch die Pflichttarife anderer EVU bei vergleichbaren Versorgungsverhältnissen zu berücksichtigen sind (vgl. Braband , aaO, S. 52 f., Amtliche Begründung zu § 1 Abs. 1 BTOElt vom 21.09.1989, Bundesrats- Drucksache 493/89, S. 22).


Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB wäre effektiv:


Hat der Versorger mit dem Verbraucher einen nicht kostendeckenden Strompreis vereinbart, geht dieses unternehmerische Risiko allein zu seinen Lasten: pacta sunt servanda.

Der Versorger darf hiernach gerade nicht die Preise dergestalt einseitig neu festsetzen, dass sein eigener Gewinnanteil am Preis steigt oder auch nur eine Kostendeckung erreicht wird. Dies wäre unbillig.

Zudem bestände die Gefahr, dass Kunden zunächst mit niedrigen Tarifen in diese Versorgungsart gelockt werden, um hiernach nach Aufwendung hoher Investitionen - durch welche sie sodann hierin gefangen sind - vom Versorger \"abkassiert\" zu werden.

Zudem wäre durch eine Annäherung der sog. Sonderpreise an einen Allgemeinen Tarif natürlich auch das Äquivalenzprinzip im konkreten Vertragsverhältnis gestört.  

Deshalb sollte die Unbilligkeit gegen die Preiserhöhungen eingewandt werden.

Und auch an die Kartellbehörde sollte man sich nochmals wenden.


Weil der Tarif jederman im Versorgungsgebiet angeboten wird, lässt sich zudem die Frage aufwerfen, ob es sich dabei nicht doch um einen Allgemeinen Tarif im Sinne von § 10 Abs. 1 EnWG handelt, welcher nach § 12 BTOElt grundsätzlich einer behördlichen Genehmigung bedarf:

Allein durch die Einstufung aller möglichen Tarife als Sonderprodukte könnte ein Versorger sonst die staatliche Tarifpreisaufsicht vollständig  umgehen.

Bei den in § 10 Abs. 1 EnWG genannten \"jederman\" und damit den nach dieser Norm Berechtigten kann es sich nur um Kunden mit standardisierten Abnahmebedingungen handeln. Das Kriterium der \"Allgemeinen Tarife\" erfasst somit Abnahmeverhältnisse, die aufgrund einer relativen Homogenität des nachgefragten Lastverhaltens eine solche Standardisierung zulassen. Objektives Kriterium für die Allgemeinheit eines Tarifs im Sinne des § 10 Abs. 1 EnWG ist, ob die fraglichen Tarife einem größeren Kundenkreis regelmäßig eingeräumt werden (vgl. Braband, aaO, S. 35 f.. mit weiteren Nachweisen).

Höchst interessant ist zudem das Schreiben des Versorgers mit den Angaben zu den Stromgestehungskosten (entweder Stromerzeugungskosten oder -bezugskosten vom Vorlieferanten):

Elektrizität wird kontinuierlich erzeugt.

Wofür diese an die Kunden geliefert wird, also  Hauhaltsbedarf, Wärmepumpenstrom etc. ist dabei nicht bekannt und somit unerheblich.

Ersichtlich wird, dass die Stromerzeugungskosten in jedem Falle relativ gering sind.

Die Netznutzungsentgelte bestimmt der Versorger selbst.

Die Konzessionsabgabe und die Stromsteuer sind feste Größen.

Die Vorauszahlungen nach EEG und KWKG werden im weitesten Sinne auch vom Versorger selbst bestimmt.

Nach alldem stellt sich die Frage, wie die genannten Stromerzeugungskosten überhaupt die insgesamt hohen Tarife rechtfertigen könnten.

Stellen Sie deshalb dieses Schreiben mit den entsprechenden Angaben des Versorgers sowohl der Strompreisaufsichts- und Landeskartellbehörde, aber auch dem Bund der Energieverbraucher e. V. und der VZ Bayern zur Verfügung.
 

 



Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
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Verrechnungspreis - Wofür Aufsichtsbehörden?
« Antwort #4 am: 31. Mai 2005, 16:23:21 »
Gibt es auch einen Vorschlag / eine Lösung zur Frage des Verrechnungspreises (doppelt berechnetes Tarifschaltgerät beim Allgemeinen Tarif - Zweitarifmessung -, s.o. Kapitel I.)?

 

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