@Ronny
Ich bin ernstlich bemüht, auf Ihre sachlichen Beiträge
umfänglich einzugehen. Das von mir oben aufgeworfene Problem der juristischen Kontrolle der Gaspreisneufestsetzung der Stadtwerke Delmenhorst GmbH zum 01.10.2008 konnte wohl noch keiner Lösung zugeführt werden....
Unsere Diskussion führte zunächst zu dem
Zwischenergebnis, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB besteht.
Black hatte dazu die Frage aufgeworfen, weshalb dann nicht gerichtlich auf Festsetzung des angemessenen Entgelts gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vom betroffenen Kunden geklagt werde. Unter Bezugnahme auf das Urteil des LG Hannover vom 19.02.2007 wurde darauf verwiesen, dass eine solche Klage regelmäßig dann ins Leere gehen
muss, wenn der Versorger seiner Darlegungs- und Beweislast in einem solchen Prozess nicht genügt, es also der Versorger mit seinem Prozessverhalten in der Hand hat, ob eine solche Klage scheitert. In diesem Zusammenhang ist es
belanglos, wie sich die Darlegungs- und Beweislast des Versorgers
inhaltlich konkret gestaltet.
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Ich stelle das Urteil des BGH vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06),
dessen Inhalt hinlänglich oft referiert wurde, in Frage aus den dargelegten Gründen:
Besteht ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB des Gläubigers hinsichtlich der vertraglichen Haupt- Gegenleistung, so besteht eine vertragliche Verpflichtung des Gläubigers, die Haupt- Gegenleistung
nach Vertragsabschluss der Billigkeit entsprechend (neu) zu bestimmen.
Die entsprechende Willenserklärung des Versorgers ist die getroffene, unwiderrufliche Bestimmung gem. § 315 Abs. 2 BGB, deren Wirksamkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB
allein davon abhängt, ob sie der Billigkeit entspricht oder nicht. Es handelt sich demnach gerade nicht um ein annahmefähiges Angebot gem. § 145 BGB, das - jedoch nur im Falle einer Annahme - zu einer Neuvereinbarung führen könnte. Die Erklärung gem. § 315 Abs. 2 BGB und eine Einigung nach §§ 145 ff. BGB folgen juristisch vollkommen verschiedenen Regeln. Eine unwiderrufliche Bestimmung gem. § 315 Abs. 2 BGB kann
denknotwendig nicht zugleich ein Angebot gem. § 145 BGB sein, dem der andere Vertragsteil
nur durch fristgerechte Annahmeerklärung überhaupt Geltung verschaffen könnte. Ohne Angebot jedoch auch keine Annahme und somit auch keine vertragliche Neuvereinbarung gem. § 145 ff. BGB.
Dies gilt für die unmittelbare (direkte) Anwendung des § 315 BGB
generell, nicht nur im Energiebereich und nicht nur im Gasbereich.
Es stellt sich deshalb
juristisch allein die entscheidende Frage:
Besteht ein Leistungsbestimmungsrecht des Gläubigers hinsichtlich der vertraglichen Haupt- Gegenleistung, vermöge dessen der Gläubiger berechtigt und verpflichtet ist, die vertragliche Haupt- Gegenleistung nach Vertragsabschluss (neu) zu bestimmen?
Ein solches Bestimmungsrecht ist
conditio sine qua non für die Berechtigung zur einseitigen Änderung der Entgelte nach Vertragsabschluss, deren einseitige Neufestsetzung.
Es ist zugleich
conditio sine qua non und allein hinreichende Tatbestandsvoraussetzung dafür, dass der andere Vertragsteil Anspruch auf gerichtliche Überprüfung und ggf. gerichtliche Leistungbsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB hat.
In der Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) hat der BGH meines Erachtens, nachdem er das Bestehen eines Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB
zutreffend festgestellt hatte, die Rechtsnorm des § 315 BGB juristisch
unzutreffend angewendet.
Möglicherweise geschah dies mit Rücksicht auf ein bestimmtes, beabsichtigtes Ergebnis, wie einige hier meinen. Eine
ergebnisorientierte Rechtsanwandung ist jedoch
unzulässig.
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Die weitergehenden Überlegungen des BGH in der Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) betreffen hingegen die
entsprechende Anwendung des § 315 BGB (für sog. Monopolfälle), auf die es m.E. aus oben genannten Gründen schon gar nicht erst ankommen kann und darf.
Auch diese weiteren Überlegungen überzeugen mich
nicht.
Die Frage ob
ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie besteht, wurde vom Kartellsenat des BGH
mehrfach anders entschieden, zuletzt BGH, Urt. v. 29.04.2008 (KZR 2/07):
Die Versorgung von Letztverbrauchern mit Erdgas bildet sachlich einen eigenen Markt; ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie besteht nicht (Bestätigung von BGHZ 151, 274, 282 – Fernwärme für Börnsen).
Auch das eine
klare Aussage, vgl. vorhergehend auch BGH, B. v. 25.09.2007 (KZR 33/06).
(Wenn es schon gar keinen einheitlichen Markt für Wärmeenergie gibt, wann und wo sollte dann der behauptete Substitutionswettbewerb überhaupt stattfinden?)
Die Fragen,
a) ob überhaupt ein
einheitlicher Wärmemamrkt besteht und
b) ob ggf. auf einem solchen (sachlich, räumlich und zeitlich konkret abzugrenzenden Markt) ein
wirksamer Wettbewerb bestand, der die HuK- Gaspreise des konkreten Versorgers wirksam begrenzen konnte, sind
Tatsachenfragen, für deren Klärung der BGH als Revisionsinstanz nicht zuständig ist, vgl. nur BGH, Urt. v. 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) Rdn. 35.
Für diese Tatsachen trägt im Falle des Bestreitens das Gasversorgungsunternehmen die Darlegungs- und Beweislast, vgl. BGH, B. v. 14.03.2007 (VIII ZR 36/06).
Für die Tatsache, dass es keinen einheitlichen Markt für Wärmeenergie gibt und zudem bisher kein wirksamer Wettbewerb existiert, der die HuK- Gaspreise wirksam beeinflussen könnte, wird auf die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Preismissbrauchs im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels
vom 27.06.2007 (BT- Drs. 16/5847) verwiesen, in der es zutreffend heißt:
a) Verschärfung der Missbrauchsaufsicht im Energiesektor
Die den Energienetzen vor- und nachgelagerten Märkte haben sich seit der mehr als acht Jahre zurückliegenden rechtlichen Marktöffnung noch nicht zu funktionierenden Wettbewerbsmärkten entwickelt.
Defizite sind insbesondere im Erzeugungsbereich von Elektrizität und – u.a. bedingt durch bislang nur unzureichend funktionierende Durchleitungsmodelle – im Haushaltskundengeschäft mit Gas festzustellen. Die Energiemärkte sind von einer starken vertikalen Integration und zunehmender Konzentration geprägt.
Die Energiepreise sind auf ein volkswirtschaftlich bedenkliches Niveau gestiegen, das mit der Entwicklung der Primärenergiekosten nicht mehr begründbar erscheint und industrielle Abnehmer sowie Endverbraucher über Gebühr belastet. Insbesondere mit Blick auf die nicht regulierten Märkte sollen deshalb die Eingriffsmöglichkeiten nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gegenüber marktbeherrschenden Energieversorgungsunternehmen verbessert werden.
Ziel des § 29 ist eine Schärfung des kartellrechtlichen Instrumentariums zur Bekämpfung missbräuchlich überhöhter Energiepreise mittels einer auf den Energiesektor zugeschnittenen Ausprägung der Generalsklausel des § 19 Abs. 1 GWB.
Das Gesetz ist mit dieser Begründung in Kraft getreten. Das entspricht also auch der
Auffassung und Entscheidung des Gesetzgebers undzwar in 2007, die der achte Zivilsenat in seiner Entscheidung vom
13.06.2007 offensichtlich noch nicht berücksichtigt hatte.
Es gibt keinen Substitutionswettbewerb. Die von den Gasversorgern einseitig festgesetzten Erdgaspreise beeinflussen zB. die Entwicklung der Preise auf dem Heizölmarkt überhaupt nicht.
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Nach alldem erscheint es juristisch untunlich, die Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) wie eine Monstranz vor sich herzutragen. Der achte Zivilsenat hat zum Ausdruck gebracht, dass er selbst Veranlassung sieht, die Fragen noch einmal neu zu überdenken.
@nomos
Das geltende Recht ist nicht dazu da, den einen oder den anderen glücklich zu machen. Wenn es professionell zugeht, darf es auf Emotionen nicht ankommen. Justizia trägt nicht ohne Grund eine Augenbinde. Es kommt auch nicht darauf an, ob an einem konkreten Rechtsstreit ein pensionierter Richter aus Helbronn beteiligt war. Für das
abstrakte Rechtsproblem ist auch nicht entscheidend, ob es sich bei dem Leistungsbestimmungsrecht um ein solches handelt, das einem Energieversorger eingeräumt ist.