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Autor Thema: Gas-Tarif, Änderung zum 01.09.2008, Ölpreisbindung  (Gelesen 4839 mal)

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Offline enerveto

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Gas-Tarif, Änderung zum 01.09.2008, Ölpreisbindung
« am: 16. August 2008, 17:29:53 »
Gas-Tarif, Grundversorgung, Änderung zum 01.09.2008, Ölpreisbindung
Zitat
Briefliche Information der Stadtwerke Lingen „STADTWERKE AKTUELL“ vom 21.07.2008
„… Einflussfaktoren auf die Preise von Energien – ob Benzin, Strom, Heizöl oder Erdgas – sind der stetig steigende Energiebedarf in China und Indien. … Die Ölpreisbindung … wurde in den 1970er Jahren eingeführt und vertraglich langfristig zwischen Lieferanten, Importeuren und Händlern vereinbart. Endverteiler wie die Stadtwerke Lingen haben derzeit keine echte Alternative und müssen die Ölpreisbindung auch in den Bezugsverträgen akzeptieren. …
Fazit: Die Ölpreisbindung schützt langfristig vor einem Preisdiktat der produzierenden Länder …“

Zitat
Kundenzeitschrift „Tag und Nacht“ 03/2008
„… Lingen und der Weltmarkt … Die Energiekosten werden nicht in Lingen bestimmt, sondern weltweit. Wichtige Einflussfaktoren … China und Indien …“

Zitat
Aussagen in der Lingener Tagespost (LT):
LT 30.12.2004 „… Die so genannte Ölpreisbindung koppelt den Gaspreis zeitverzögert an den Ölpreis. … Die Ölpreisbindung ist jedoch keine Einbahnstraße nach oben: Verbraucher profitieren bei einem niedrigen Ölpreisniveau von den dann auch wieder niedrigen Gaspreisen. …“
LT 27.10.2005 „… Während bis zum Juni dieses Jahres [2005] ein Mittelwert für sechs Monate beim leichten Heizöl [Deutschland] ausgerechnet wurde, dem dann das Erdgas mit einer einmonatigen Verzögerung folgte, sieht nun der neue Zweijahresvertrag der Stadtwerke mit der Erdgas Münster eine Anpassung bereits nach drei Monaten vor – allerdings auch wieder mit einer einmonatigen Verzögerung. …“
LT 05.12.2005 „Querelen in Russland … Große Erdgasspeicher sichern über Monate die Versorgung … die riesigen Erdgasspeicher … auch, um den unterschiedlichen Absatz in Sommer und Winter auszugleichen … Erdgasspeicher in Rheden, südlich von Bremen … Dieser größte Erdgasspeicher Westeuropas … in Deutschland … in etwa ein Fünftel des deutschen Jahresverbrauchs …“
LT 28.05.2008 „… der Erdgaspreis aufgrund langfristiger Verträge („30 Jahre sind in der Branche üblich“) an den Ölpreis gekoppelt sei. … Die Ölpreisbindung sei ein Schutz vor der Preiswillkür der Erdgas-Produzenten.
LT 09.07.08 … Es gibt keine andere Möglichkeit, als die gestiegenen Bezugskosten weiterzugeben … insbesondere mit Hinweis auf die explodierenden Ölpreise, an die der Gaspreis gekoppelt ist. … haben die Erdgasimporteure langfristige Verträge mit Ölpreisbindung abgeschlossen. Somit ist auch der Erdgaseinkaufspreis der Stadtwerke Lingen an den Ölpreis gekoppelt. …“

Gas-Ölpreisbindung
Vereinfachend wird dargestellt und behauptet, dass eine einheitlich gestaltete so genannte „Ölpreisbindung“ zur Anwendung kommt. Mit der gleichen Bezeichnung handelt es sich in Wirklichkeit jedoch um unterschiedliche Preisgestaltungen auf zwei Handelsstufen,  was zu differenzieren ist:
A. Lieferverträge zwischen ausländischen Erzeugern und Importeuren (Importpreis)
Die deutschen Gasimporteure haben in der Regel langfristige Lieferungsverträge mit den Hauptexporteurländern (u.a. Russland, Norwegen, Niederlande). Soweit in diesen Verträgen der Gaspreis an die Entwicklung des Ölpreises gekoppelt ist, sind es die Rohölnotierungen an der Rotterdamer Börse (angeblich nach einer einheitlichen europäischen Formel). Abgerechnet wird in US-Dollar je 1.000 Kubikmeter. Zum Preisvergleich in Euro muss der Wechselkurs US-Dollar zu Euro berücksichtigt werden sowie die Heizwertumrechnung von Kubikmeter in Kilowattstunden.
Die Erdgasbeschaffung erfolgt aufgrund der langfristigen Verträge im Jahresverlauf mit gleichmäßigen Liefermengen. In den verbrauchsschwachen Monaten (Sommer) wird das nicht benötigte Gas in Untertagespeicher zwischengelagert.
B. Lieferverträge zwischen Importeuren/Großhändlern/inländischen Erzeugern und Weiterverteilern (z.B. Stadtwerken)
Bei dieser Preisgestaltung wird für den Arbeitspreis in der Regel eine so genannte „City-Gate-Preisformel“ angewendet. Dabei wird der Gaspreis aus dem durchschnittlichen Heizölpreis (leichtes Heizöl - HEL) in einem begrenzten deutschen Marktgebiet („Rheinschiene“, Statistisches Bundesamt) in einem bestimmten Zeitraum (6 Monate Referenzzeitraum) ermittelt, zur Anwendung mit einer zeitlichen Verzögerung (3 Monate „time lag“) für einen nachfolgenden Zeitraum (3 Monate Preisgültigkeit). Das wird als „6/3/3 bzw. 3/6/3 – Regelung“ bezeichnet.

Ende der Alibiveranstaltung „Gas-Heizölpreisbindung“ im Zwischenhandel?
Zitat
Forum Bund der Energieverbraucher – Gerichtsurteile – LG Hannover, B. v. 21.01.2008 -21 O 89/06 (kartellrechtswidrige Lieferverträge/Ölpreisbindung ?)
„Die Kammer für Handelssachen des LG Hannover stellt in einem Hinweisbeschluss vom 21.01.2008 – 21 O 89/06 sowohl die kartellrechtliche Zulässigkeit des Vorlieferentenvertrages, wie auch die Zulässigkeit der Ölpreisbindung, wie auch das Bestehen eines wirksamen Preiswettbewerbs auf einem einheitlichen Wärmemarkt in Frage (RA Thomas Fricke, Jena).“

Durch diese Form der Preiskopplung ist ein Preis-Wettbewerb von Gas zu Heizöl ausgeschlossen.
Hierbei handelt es sich nicht um eine Marktpreisbildung auf einem Handelsmarkt.
Die Preise sind auch nicht vergleichbar, weil die Preisbildung jeweils ganz verschieden ist (z.B. bei Gas: verbrauchsunabhängiger Grundpreis, Erdgassteuer, Konzessionsabgabe, Netzentgelt …).

Erdgas Münster Gaslieferant der Stadtwerke Lingen
Zitat
Web-Seite Erdgas Münster GmbH:
„Seit 1959 versorgt Erdgas Münster ihre Kunden mit dem in Norddeutschland geförderten Erdgas der Gesellschafter.
Noch heute stammt das von uns gelieferte Erdgas fast ausschließlich aus deutschen Vorkommen in der norddeutschen Tiefebene.
Unser Erdgas stammt überwiegend aus inländischen Vorkommen, über die unsere Gesellschafter in der norddeutschen Tiefebene verfügen. So ist unsere Lieferfähigkeit mit heimischen Ressourcen gesichert.“

Es ist nicht ersichtlich, das Erdgas Münster auch Lieferant nach China und Indien ist.
Erdgas Münster steht als Lieferant im Preiswettbewerb mit den Importeuren von Erdgas aus dem Ausland (insbesondere Norwegen und Russland). Hier sind die Gas-Importpreise maßgebend und nicht der inländische Heizölpreis. Der Gas-Importpreis (BAFA) hat sich seit 2003 nominal bei weitem nicht so stark erhöht, wie der Heizölpreis (HEL Verbraucher 40-50 hl).
Diese Begründung ist absurd: „Die Ölpreisbindung schützt langfristig vor einem Preisdiktat der produzierenden Länder …“

Ob die Stadtwerke Lingen GmbH eine Ausschreibung zum Auslauf des Bezugsvertrages Ende September 2007 vorgenommen hat, ist nicht bekannt.

Referenzpreis leichtes Heizöl (HEL) und Anpassungsregelung Stadtwerke Lingen:
In den 90er Jahren Standort „Hamburg“ und danach Standort „Deutschland“.
Bis zum 30.06.2005 6 / 1 / 3 und ab 01.07.2005 3 / 1 / 3.

Die von den Stadtwerken Lingen behauptete Anpassungsregelung an den Preis für das leichte Heizöl wird nachweislich in der angegeben Form nicht durchgeführt, und zwar schon seit Januar 1991 nicht.

So war – nachweislich – im Zeitraum von Januar 2003 bis Juli 2006 und von Oktober 2006 bis Oktober 2007 der Gas-Verbraucherpreis deutlich höher als der Heizöl-Referenzpreis. Inzwischen besteht überwiegend ein Missverhältnis zu Nachteil der Verbraucher von Erdgas. Diese Regelung erweist sich bei näherer Betrachtung als Instrument  zur willkürlichen Preisgestaltung.
Apropos „Betriebsgeheimnisse“
Wenn angeblich die Bezugspreise aller Gas-Versorger an den Heizölpreis gekoppelt sind, was ist dann noch am Bezugspreis „geheim“?

 

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