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Autor Thema: BGH, B. v. 04.03.2008 - KVR 21/07 (Soda Club II) zur sachlichen Marktabgrenzung  (Gelesen 4487 mal)

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Offline RR-E-ft

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BGH, B. v. 04.03.2008 - KVR 21/07 (Soda Club II)

Anmerkung von Prof. Klaue (EWeRK HU Berlin)

Der Kartellsenat des BGH hat mit Urteil vom 29.04.2008 - KZR 2/07 (Erdgas- Sondervertrag) entschieden, dass die Belieferung von Letztverbrauchern mit Erdgas einen eigenen sachlich-relevanten Markt bildet. Ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie besteht hingegen nicht.  Zugleich hat der BGH eine marktbeherrschende Stellung eines Gasversorgungsunternehmens auf diesem sachlich eigenständigen Markt bestätigt.

Bereits mit B. v. 25.09.2007 - KZR 33/07 hatte der BGH die Monopolstellung eines Fernwärmeversorgers bestätigt.

Offline uwes

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Die Gedanken des Prof Klaue zur Marktabgrenzung sind ja nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen, wenn er sagt:

\"Gefragt wird dann nicht mehr welche „Systeme“ aus der Sicht des verständigen Verbrauchers als ohne weiteres miteinander austauschbar anzusehen sind, sondern nur noch für welches „System“ der Verbraucher sich entschieden hat. Die Konsequenzen sollte man sich überlegen. Denn damit werden möglicherweise alle Hersteller von langlebigen technischen Geräten marktbeherrschend gegenüber allen Käufern ihrer Produkte, obwohl im Einzelfall unstreitig sein kann, dass sie vor dem Kauf in vollkommenen Wettbewerb zu anderen Herstellern standen. So würde zum Beispiel ein Staubsaugerhersteller, der in einem gnadenlosen Wettbewerb mit vielen anderen Herstellern aus der Sicht des verständigen Verbrauchers ohne weiteres austauschbare Geräte anbietet, nach der Kaufentscheidung des Verbrauchers marktbeherrschend sein, denn der Kauf des Staubsaugers als „System“ ist auf lange Dauer und Kundenbindung angelegt.\"

Das kann es ja in der Tat auch nicht sein.

Uwes
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
____________________________________________________
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten

Offline RR-E-ft

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@uwes

Der Kartellsenat des BGH hatte in seiner Entscheidung vom 05.10.2004 - KVR 14/03 gerade im Bereich Staubsaugerbeutel eine marktbeherrschende Stellung nicht ausgeschlossen, welche sich durch eine Fusion verstärken könne.

Wenn sich jemand für einen bestimmten Staubsaugertyp entschieden hat, von welchem er nach dem Kauf feststellt, dass er ständig auf den Nachkauf von Staubsaugerbeutel angewiesen ist, die er nur bei einem einzigen Anbieter erwerben kann, so sieht sich dieser nach dem Kauf und somit der getroffenen Systementscheidung einem Monopolanbieter solcher Staubsaugerbeutel gegenüber, dem er sich nur entziehen kann, in dem er sich um den Preis der nutzlosen Aufwendung für das konktrete Staubsaugersystem von diesem wieder verabschiedet.

Der Anbieter der Staubsaugerbeutel muss mit dem Gerätehersteller des Staubsaugers überhaupt nicht identisch sein.

Die Revidierung der einmal getroffenen Systementscheidung ist also mit hohen Transaktionskosten verbunden, die sich als Marktzutrittsschranke erweisen. Man hat den Kaufpreis des bisherigen Systems im Ergebnis vergeblich aufgewandt und muss noch einmal einen Kaufpreis für ein anderes System aufwenden.

Dies schließt es also nicht aus, dass das Staubsaugersystem zunächst preiswert angeboten wird und sich erst durch die überteuerten Folgekosten, die nur infolge eines Angebotsmonopols möglich sind, der Missbrauch erweist. Bei der leitungsgebundenen Erdgasversorgung mag dies nicht anders sein. Der Staubsaugerbeutel bzw. das Gas können eben infolge einer Monopolsituation auf Angebotssseite für sich genommen völlig überteuert sein. Die Rockefellers sollen auch die Öllampen günstig abgegeben haben, um dann am benötigten Öl kräftig zu verdienen. Der billige Drucker, der teure Toner....

Der Staubsaugerbeutel bzw. das Gas, auf welche der Betreiber einer Erdgasheizung  angewiesen ist, können also vollkommen überteuert sein.

Dies gilt insbesondere dann, wenn die Preise bei der Entscheidung für ein System nicht vergleichbar sind. So lassen sich z. B. Heizölpreise und Erdgaspreise bei der Entscheidung für das eine oder das andere Beheizungssystem überhaupt nicht ohne weiteres miteinander vergleichen, weil die Preisbildung eine andere ist (verbrauchsunabhängige Grundpreise bei Gas...).

Schließlich kann der Anbieter einer Erdgasheizungsanlage sein Produkt losschlagen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, welche Folgekosten auf seinen Kunden durch den Gasbezug bei einem marktbeherrschenden Gasversorger zukommen. Wer erst einmal eine solche Heizung erworben hat, ist hiernach auf den entsprechenden Brennstoff angewiesen. Hohe Kosten für einen Anschluss an das Gasnetz (Hausanschlusskosten/ Baukostenzuschuss) verstärken den Effekt der Gefangenheit des Kunden.

 

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