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Autor Thema: OLG Nürnberg, Urt. v. 21.12.10 Az. 1 U 2329/09 - Preiswiderspruch mit Tücken  (Gelesen 6108 mal)

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OLG Nürnberg, Urt. v. 21.12.10 Az. 1 U 2329/09 - Widerspruch mit Tücken

Vorinstanz LG Nürnberg-Fürth

Zunächst gelangt das OLG Nürnberg mit überzeugender Begründung dazu, dass es sich bei dem betroffenen Vertragsverhältnis um einen Sondervertrag handelt.

Das OLG Nürnberg will jedoch aus der Widerspruchserklärung des Sonderkunden durch Auslegung im Einzelfall entnommen haben, dass dieser von einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers ausging, woraus nicht nur eine Preisanerkenntnis  hinsichtlich des alten Preises, sondern sogar auch ein Preisänderungsrecht des Versorgers für die Zukunft hervorginge, Seite 19 ff. UA.  

Der Kläger soll indes das Recht des Versorgers zur Preisänderung also solches bestritten haben, so dass die Forderung nach einem Billigkeitsnachweis als Hilfsargument erscheint, nämlich nur für den Fall, das ein Preisänderungsrecht überhaupt bestehen sollte.

Demnach kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass aus Sicht des Kunden tatsächlich ein Preisänderungsrecht des Versorgers bestand.


Entscheidend ist nicht, ob dem Versorger aus Sicht des Kunden ein Preisänderungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB eingeräumt ist, sondern vielmehr, ob der Versorger tatsächlich wirksam verpflichtet ist, Preisanpassungen zugunsten des Kunden vorzunehmen (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 56/08 Rn. 29, VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Der Kunde kann durch eine einseitige Erklärung jedenfalls keine wirksame Verpflichtung des Versorgers, die Preise zugunsten des Kunden anzupassen, begründen.  

Eine solche Preisanpassungspflicht des Versorgers wäre indes Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 315 BGB (vgl. BGH, aaO;  Fricke, ZNER 15/2/2011, S. 130 ff.).

Dem Kunden fehlt bei einem solchen Widerspruch zudem regelmäßig das Erklärungsbewusstsein, dem Versorger die Einräumung eines bis dahin überhaupt nicht bestehenden Rechts erstmalig anzutragen (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 13.07.10 Az. 9 U 93/10, juris).

Die Entscheidung steht deshalb wohl im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH, der Preisänderungen dann für unwirksam erklärt hat, wenn sich Sondervertragskunden auch auf die fehlende Billigkeit beriefen (BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 246/08, VIII ZR 295/09.

Nach alldem überzeugt die Entscheidung des OLG Nürnberg nicht.

Sie stellt denjenigen Sondervertragskunden, der Widerspruch eingelegt hatte, schlechter als einen ebensolchen Kunden, der den Preisänderungen nicht widersprochen hatte, weil er schon nicht widersprechen musste (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 57, 59), wodurch ein erheblicher Wertungswiderspruch entsteht.

In Anbetracht dieser Umstände überzeugt auch die Begründung dafür nicht, die Revision nicht zuzulassen.

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Das OLG Frankfurt/ Main  führt in seiner Entscheidung vom 07.12.10 Az. 11 U 27/10  auf Seite 6 UA für einen ähnlich gelagerten Fall ausdrücklich zutreffend aus:


Zitat
Auch das Schreiben des Klägers vom 08.01.2005 kann entgegen der Meinung der Beklagten nicht dahin ausgelegt werden, dass der Kläger mit ihm die Berechtigung der Beklagten zur einseitigen Preisänderung akzeptiert hat. Für eine in diese Richtung gehende Rechtsvorstellung des Klägers fehlen ausreichende Anhaltspunkte. Die Erklärung des Klägers, er zahle die bisherigen Preise zuzüglich 2 % weiter, kann nicht dahin ausgelegt werden, dass der Kläger die Berechtigung dieser Preise akzeptiert. Gegen eine solche Auslegung spricht, dass der Kläger sich ausdrücklich vorbehält, nicht nur die Billigkeit der Preiserhöhung, sondern auch die Billigkeit der Hauptforderung gerichtlich überprüfen zu lassen.

Ablehnend gegenüber OLG Nürnberg:

OLG Celle, Urt. v. 27.01.11 Az. 13 U 100/10,
OLG Celle, Urt. v. 19.05.11 Az. 13 U 6/10 (Kart),

ferner:

LG Hamburg, Urteil vom 13.05.2011 Az. 309 S 45/10,

LG Lübeck, Beschluss nach § 522 ZPO vom 06.04.2011 Az. 14 S 148/10: http://www.vzhh.de/energie/121795/LG_Luebeck_Eon_110406.pdf

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Zum Schriftsatz der Kl. vom 27.05.11 wird wie folgt Stellung genommen:

Bei dem betroffenen Vertragsverhältnis handelt es sich um ein Sonderabkommen. Dies ergibt sich daraus, dass die S. den Tarif als Sonderabkommen (Anlage K ) bezeichnete, für die Sonderabkommen über Erdgaslieferungen besondere Allgemeine Bedingungen mit eigenständiger Preisänderungsklausel in Gebrauch hatte (Anlage BB ) sowie daraus,  dass sich aus  deren Preisblättern (Anlage K ) ergab, dass die Bedingungen der AVBGasV für die Sonderabkommen- Tarife nur subsidiär gelten sollten (vgl. BGH, Urt. 15.07.09 VIII ZR 225/07 Rn. 17; Urt. v. 09.02.11 VIII ZR 295/09 Rn. 22, Urt. v. 11.05.11 VIII ZR 42/10 Rn. 34, juris).

Ein Sonderatrif oder Sonderabkommen ist aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers nun einmal schon sprachverständlich kein Allgemeiner Tarif (vgl. BGH VIII ZR 42/10 Rn. 34).

Es würde sich selbst dann um einen Sondervertrag handeln, wenn der Gasversorger den Kunden zu Beginn des Vertragsverhältnisses  in einen Sondertarif eingestuft hatte (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/07 Rn. 27, juris) oder sonst zur Belieferung nach einem Sondertarif übergegangen war (vgl. BGH, Urt. v. 09.02.11 VIII ZR 295/09 Rn. 24, Urt. v. 11.05.11 VIII ZR 42/10 Rn. 33, juris).

Vorliegend erfolgte die Belieferung und Abrechnung des Gasverbrauchs von Anfang an zu einem Sonderabkommen- Gaspreis (Anlage K ), der bei Vertragsabschluss bereits feststand und mit Vertragsabschluss vereinbart wurde.

Es bestand kein Recht des Gasversorgers zur einseitigen Abänderung dieses bei Vertragsabschluss vereinbarten Sonderabkommen- Gaspreises.

Ein solches Recht ergab sich insbesondere nicht aus § 4 AVBGasV, da die Norm nicht unmittelbar anwendbar war (vgl. BGH VIII ZR 42/10 Rn. 33, juris).

Die Bestimmungen der AVBGasV/ GasGVV wurden auch nicht rechtsgeschäftlich in das Vertragsverhältnis wirksam einbezogen.

Weder waren der Bekl. vor Vertragsabschluss entsprechende Bedingungen ausgehändigt worden, noch kannte sie diese,  noch hatte sie sich bei oder nach Vertragsabschluss mit der Einbeziehung einverstanden erklärt (OLG Dresden, Urt. v. 26.01.10 Az. 14 U 983/08; OLG Oldenburg, Urt. v. 12.02.10 Az. 6 U 164/09; OLG Dresden, Urt. v. 13.07.10 Az. 9 U 93/10, juris).

Es wurde auch später nicht individuell vereinbart, dass die S. den von der Bekl. zu zahlenden Gaspreis einseitig bestimmen soll (Preisbestimmungspflicht), was Voraussetzung für eine unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB wäre (vgl. BGH VIII ZR 36/06 Rn. 22, VIII ZR 138/07 Rn. 16, juris).

Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus dem mit der Anlage K vorgelegten Schreiben der Bekl. vom 20.01.05.

In diesem vertrat die Bekl. die Auffassung, dass der zum 01.10.2004 einseitig neu festgesetzte Preis auch nicht der Billigkeit entspreche und deshalb für sie jedenfalls auch nicht verbindlich sein könne. Ferner wandte sie sich gegen die Erhöhung des monatlichen Abschlags zum einen wegen der unzutreffenden Verbrauchsermittlung, zum anderen wegen der unzutreffend berücksichtigten Nennwärmebelastung. Die Bekl. bot zur gütlichen Regelung die Erhöhung des monatlichen Abschlags um 2 % an gegen Korrektur der Verbrauchsabrechnung.

Dabei handelte es sich nicht um ein Angebot auf Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts hinsichtlich der zu zahlenden Gaspreise zugunsten der Rechtsvorgängerin der Kl..

Der Bekl. fehlte jedenfalls bereits das Erklärungsbewusstsein, durch ihr Widerspruchsschreiben dem Gasversorger ein bis dahin überhaupt nicht bestehendes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Vertragsverhältnis erstmals anzubieten (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 13.07.10 Az. 9 U 93/10, juris).

Für ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein hätte die Bekl. indes bei ihrem Widerspruch schon wissen müssen, dass dem Gasversorger  im konkreten Vertragsverhältnis bis dahin jedenfalls gar kein Preisänderungsrecht zustand.

Der Rechtsirrtum über ein bis dahin nicht bestehendes Preisänderungsrecht, der gerade darin zum Ausdruck kommt, dass die Bekl. sich auf die Unbilligkeit berief, obschon der Anwendungsbereich des § 315 BGB schon gar nicht eröffnet war, kann nun gerade nicht dazu führen, dass der Bekl. unterstellt werden kann, sie habe um das fehlende Preisänderungsrecht des Gasversorgers  gewusst und diesem deshalb erstmals die Einräumung eines entsprechenden Rechts antragen wollen.  

Wurde eine Preisänderungsklausel in einen Sondervertrag nicht wirksam einbezogen oder erweist sie sich als unwirksam, folgt ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers schließlich auch nicht daraus, dass der betroffene Kunde außergerichtlich einen Billigkeitsnachweis verlangt oder gar gerichtlich eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB beansprucht (BGH, Urt. v. 29.04.08  KZR 2/07, Urt. v. 17.12.08 VIII ZR 274/06 Rn. 12, Urt. v. 15.07.09 VIII ZR 225/07 Rn. 11, Urt. v. 28.10.09 Rn. 46, Urt. v. 13.01.10 VIII ZR 81/08 Rn. 12, Urt. v.  09.02.11 VIII ZR 295/09 Rn. 42; juris).

Dies erweist sich exemplarisch anhand der Entscheidung des BGH: Urt. v. 28.10.09 VIII ZR 320/07. Dort hatten die Kläger in I. Instanz die Feststellung der Unbilligkeit der Preisbestimmung des Gasversorgers verlangt.


LG Bremen, Urt. v. 24.05.06 Az. 8 O 1065/05 (ZIP 2006, 1301)


Die Kläger, die für den Zeitraum zwischen Januar 1996 und Januar 2005 eine Preissteigerung um insgesamt 93% errechnet haben, haben den Erhöhungsverlangen der Beklagten unter Hinweisauf § 315 BGB widersprochen und von der Beklagten eine – für sie –nachvollziehbare Erklärung verlangt. Nachdem die Beklagte dem - nach Auffassung der Kläger – nicht nachgekommen ist, begehren sie mit ihrer Klage die Feststellung, dass die jüngsten in ihren Verträgen vorgenommenen Preiserhöhungen unbillig und unwirksam sind.

Dies erweist sich ferner exemplarisch anhand der Entscheidung des BGH, Urt. v. 29.04.2008 KZR 2/07, wo einzelne Kläger den Preisänderungen auch unter Verweis auf Unbilligkeit widersprochen und 2 % zugebilligt hatten, soweit der Gasversorger auf die weitergehende Preiserhöhung verzichtet (vgl. LG Dresden, Urt. v. 30.06.06 Az. 10 O 3613/05 S. 29 UA.

Die Bekl. hatte in ihrem Widerspruchsschreiben  hinreichend deutlich gemacht, dass der Gasversorger seine vermeintlichen Ansprüche auf erhöhte Preise/ Abschläge gerichtlich durchsetzen müsse, diese also zur vollständigen gerichtlichen Überprüfung stünden.


Das OLG Frankfurt führt in seiner Entscheidung vom 07.12.10 Az. 11 U 27/10 (Anlage BB ) auf Seite 6 UA für einen ähnlich gelagerten Fall ausdrücklich aus:

Auch das Schreiben des Klägers vom 08.01.2005 kann entgegen der Meinung der Beklagten nicht dahin ausgelegt werden, dass der Kläger mit ihm die Berechtigung der Beklagten zur einseitigen Preisänderung akzeptiert hat. Für eine in diese Richtung gehende Rechtsvorstellung des Klägers fehlen ausreichende Anhaltspunkte. Die Erklärung des Klägers, er zahle die bisherigen Preise zuzüglich 2 % weiter, kann nicht dahin ausgelegt werden, dass der Kläger die Berechtigung dieser Preise akzeptiert. Gegen eine solche Auslegung spricht, dass der Kläger sich ausdrücklichvorbehält, nicht nur die Billigkeit der Preiserhöhung, sondern auch dieBilligkeit der Hauptforderung gerichtlich überprüfen zu lassen.

Selbst wenn es sich bei der Erklärung der Bekl. vom 20.01.05 um ein Angebot gehandelt hätte, so wurde dieses von der Rechtsvorgängerin der Kl. jedenfalls auch nicht angenommen. Schließlich wurde die dabei angefochtene Verbrauchsabrechnung Rechnungsnummer 9006 1135 9127 nicht korrigiert, sondern blieb unverändert und bildet  als Anlage K 1 den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Gerade dadurch, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit ihrer Klage vom 28.06.2007 unter Berufung auf die Verbrauchsabrechnung vom 20.12.04 (Anlage K 1) ab dem 01.10.04 unverändert die einseitig erhöhten Preise einforderte, brachte diese selbst überdeutlich zum Ausdruck, dass mit der Bekl. nach deren Schreiben vom 20.01.05 (Anlage K ) jedenfalls (rückwirkend) kein Preis neu vereinbart worden war, der deshalb auch für die Rechtsvorgängerin der Klägerin aufgrund einer Preisvereinbarung verbindlich war, § 433 BGB.

Die Rechtsvorgängerin der Kl. sich wie die Klägerin rechtsirrig davon ausgegangen sein, dass zu ihren Gunsten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im konkreten Vertragsverhältnis bestand.

Ein solcher Irrtum vermag indes an der maßgeblichen Rechtslage nichts zu ändern, nach welcher immer noch die bei Vertragsabschluss 1996 eingegangene Preisvereinbarung für beide Vertragsteile verbindlich war, § 433 BGB.

Es ist jedenfalls überhaupt nichts dafür ersichtlich, dass die Bekl. mit ihrem Schreiben vom 20.01.05 (Anlage K )   oder aber die Rechtsvorgängerin der Klägerin hiernach etwas an der bis dahin bestehenden Rechtslage ändern wollten und dementsprechend (übereinstimmende) Willenserklärungen abgegeben wollten oder abgegeben haben, etwa um eine vertragliche Neuvereinbarung herbeizuführen.  

Die von der Kl. vertretene Rechtsauffassung verkennt ferner, dass es für die wirksame Begründung eines einseitigen Preisänderungsrechts des Gasversorgers nicht auf die Einräumung eines Rechts, sondern auf die wirksame vertragliche Begründung einer Pflicht des Gasversorgers zur Preisanpassung zugunsten des Kunden ankommt (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.08 KZR 2/07 Rn. 26; Urt. v. 15.07.09 VIII ZR 56/08 Rn. 29; Urt. v. 13.01.10 VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Dass wirksam eine vertragliche Verpflichtung der Rechtsvorgängerin der Kl. vereinbart worden sei, den Gaspreis zugunsten der Bekl. anzupassen, lässt sich dem kl. Vortrag auch schon nicht entnehmen.

Da es vorliegend von Anfang an einem Recht des Gasversorgers zur einseitigen Preisänderung fehlte, blieb dieser an den bei Vertragsabschluss zum 18.07.1996 vereinbarten Erdgas- Sonderabkommenpreis gebunden, alle nach Vertragsabschluss vorgenommenen einseitigen Preisänderungen waren unwirksam (vgl. BGH, Urt. v. 09.02.11 VIII ZR 295/09 Rn. 42, juris).

Eine vertragliche Preisneuvereinbarung war nach Vertragsabschluss im Juli 1996 ebenso wenig zustande gekommen wie die vertragliche Vereinbarung einer Preisbestimmungspflicht des Gasversorgers im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB.

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Bekl. bei Abfassen ihres Schreibens vom 20.01.05 (Anlage K ) ein Erklärungsbewusstsein dahin gehabt habe, eine bis dahin nicht bestehende vertragliche Zahlungsverpflichtung (vgl. BGH Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08 Rn. 57, 59; Urt. v. 09.02.11 VIII ZR 295/09 Rn. 42, juris) anerkennen zu wollen.

 
BGH, Urt. v. 09.02.11 VIII ZR 295/05 Rn. 41 f., juris:

a) Zwar wird in einem Tarifkundenvertrag, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vor-genommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis und kann deshalb nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden (Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 36; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 15 f.).

b) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, lässt sich diese Rechtsprechung jedoch nicht auf Fälle übertragen, in denen nicht (nur) die Billigkeit der Preiserhöhung im Streit steht, sondern in denen es bereits an einem wirksamen Preisanpassungsrecht des Versorgungsunternehmens fehlt, weil die Preisanpassungsregelung nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam ist (Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 59). Da hier die von der Beklagten seit November 2001 verwendeten Bedingungen für ihren Tarif E. kein wirksames Preisanpassungsrecht enthalten, sind alle auf der Grundlage dieser Bedingungen vorgenommenen Preisänderungen unwirksam.


Mit dem Schreiben vom 20.01.05 (Anlage K ) wollte sich die Bekl. ganz offensichtlich gegen einseitige Preisneufestsetzungen ihres Gasversorgers  wehren, also ihre Rechte wahren und sich gerade nicht bestehender Rechte (Rückzahlungsansprüche gem. § 812 BGB) begeben.

Dafür, dass sich die Bekl. bestehender Rechte und Ansprüche begeben wollte, besteht jedenfalls keinerlei Anhalt.
 
 
Zur Stützung unserer Rechtsauffassung verweisen wir auf die Entscheidungen OLG Koblenz, Urt. v. 02.09.10 Az. U 1200/09 Kart. (Anlage BB ),
OLG Celle, Urt. v. 27.01.11 Az. 13 U 100/10 (Anlage BB ),
OLG Celle, Urt. v. 19.05.11 Az. 13 U 6/10 (Kart), juris.

 
Die Entscheidung des OLG Celle, Urt. v. 27.01.11 Az. 13 U 100/10 (Anlage BB ) nimmt auf die von der Kl. zitierte Entscheidung des OLG Nürnberg vom 21.12.10 Az. 1 U 2329/09  Bezug:

Soweit die Klägerin geltend macht, in dem späteren Verhalten des Beklagten sei eine stillschweigende Zustimmung zu den erhöhten Preisen zu sehen, kann sich der Senat dem nicht anschließen.Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei einer einseitigen Preiserhöhung eines Gasversorgungsunternehmens aufgrund einer unwirksamen Preisanpassungsklausel jedenfalls die vorbehaltlose Zahlung des erhöhten Preises durch den Kunden nach Übersendung einer auf der Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung nicht als stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis angesehen werden könne (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 — VIII ZR 246/08, zitiert nach juris, Tz. 57). Dies mag nicht ausschließen, dass im Einzelfall dennoch in einem bestimmten nachträglichen Verhalten eines Kunden eine stillschweigende Zustimmung zu Preiserhöhungen seines Energieversorgers gesehen werden kann. Das muss der Senat nicht entscheiden.Jedenfalls die von der Klägerin, insbesondere im Schriftsatz vom 19. Januar 2011 aufgeführten Umstände rechtfertigen eine derartige Annahme nicht.Aus ihnen kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass der Beklagte das Erklärungsbewusstsein gehabt hat, sich mit bestimmten (im Verhältnis zu den ursprünglichen Vertragspreisen erhöhten) Preisen der Klägerin einverstanden zu erklären.Es bedarf schließlich auch keiner Auseinandersetzung mit der seitens der Klägerin aufgezeigten Entscheidung des OLG Nürnberg. Dieses hatte ebenfalls über einen Einzelfall zu entscheiden. Dazu, ob diese Einzelfallentscheidung richtig ist, muss sich der Senat nicht äußern.

In der weiteren Entscheidung des OLG Celle vom 19.05.11 Az. 13 U 6/10 (Kart), lautet es in den Entscheidungsgründen unter II 3 bb), juris:

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass mit den Klagen zunächst lediglich die Unbilligkeit der Preiserhöhungen geltend gemacht wurde. Entgegen der offenbar neuerdings vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg in einem Hinweisbeschluss vertretenen, entsprechende Widersprüche betreffenden Auffassung (Beschluss vom 09.12.2010, 13 U 211/09, zitiert nach juris) kann die Frage des Kündigungsanlasses nicht dann anders beurteilt werden, wenn sich die Widersprüche - oder hier: die Klagen - „nur“ gegen die Billigkeit der Erhöhungen und nicht (auch) gegen das Preisanpassungsrecht richteten. In jedem Fall bestand nämlich Grund für die Beklagten, die fehlende Bestandskraft ihrer Erhöhungen in Zweifel zu ziehen. Sie konnten und mussten das Verhalten ihrer Kunden so einschätzen, dass die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen aus jedem denkbaren Grund geltend gemacht würde. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass zu diesem Zeitpunkt eine Anzahl ungeklärter Rechtsfragen zu Gaspreiserhöhungen im Raume stand. Nicht zuletzt hat der Bundesgerichtshof die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung verneint, ohne nach der Begründung der Kundenwidersprüche zu differenzieren (BGH, Urteil vom 09.02.2011, a. a. O.). Im Hinblick auf die Klagebegründung kann nichts anderes gelten.

Alle zitierten Entscheidungen sind auch im Internet abrufbar unter

http://www.energieverbraucher.de/de/site/Preisprotest/Urteilssammlung__1711/

Sollte das Gericht weiteren Vortrag für notwendig erachten, wird ausdrücklich um einen gerichtlichen Hinweis gebeten.

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OLG Nürnberg, Urt. v. 21.12.10 Az. 1 U 2329/09 - Preiswiderspruch mit Tücken
« Antwort #3 am: 21. September 2011, 10:11:35 »
Auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH nunmehr die Revision teilweise zugelassen.


BGH, B. v. 17.08.11 VIII ZR 34/11 - Nichtzulassungsbeschwerde teilweise erfolgreich

Revision erfolgreich:

BGH, Urt. v. 22.02.12 VIII ZR 34/11 Gas Sondervertrag

 

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