Forum des Bundes der Energieverbraucher

Energiepreis-Protest => Grundsatzfragen => Thema gestartet von: fortunato am 10. März 2016, 18:37:10

Titel: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: fortunato am 10. März 2016, 18:37:10

Hallo Zusammen,

Ich versuche mich kurz zu fassen.

In der neusten Ausgabe der Energiedepesche (März 2016) lesen wir:
 
„(...) Verbraucher können daher grundsätzlich den Preisprotest wie früher fortsetzen. Aber: Durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes werden viele Gerichte dazu neigen, die Rechtsauffassung des BGH ungeprüft zu übernehmen, wodurch eine Überprüfung der Preise in der Praxis nicht mehr stattfinden könnte. Wer den Preisprotest also fortführt, muss jetzt eher damit rechnen, durch seinen Versorger verklagt zu werden, da die Versorger darauf hoffen, dass viele Gerichte kritiklos dem BGH folgen werden."

Strom: RWE Klassik Strom (Grundversorgung)
Gas: vermutlich ein Sondervertrag (Stadtwerke)

Ich bin kein Jurist, deswegen frage ich ganz simpel: Kann ich den Protest gem. §315 weiter fortsetzen ? Ist es empfehlenswert ?

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen  :-\
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: bolli am 11. März 2016, 08:17:17
Strom: RWE Klassik Strom (Grundversorgung)
Gas: vermutlich ein Sondervertrag (Stadtwerke)

Ich bin kein Jurist, deswegen frage ich ganz simpel: Kann ich den Protest gem. §315 weiter fortsetzen ? Ist es empfehlenswert ?
Was für eine weitergehende Antwort erwarten Sie ? Es bleibt auf jeden Fall unsicher. Wenn, dann kann das Ganze nur mit anwaltlicher Hilfe empfohlen werden. Und der sollte Ihnen auch heute schon sagen können, ob es empfehlenswert ist.

Info am Rande: Falls es sich beim Gasvertrag tatsächlich um einen Sondervertrag handelt ist ein Preisprotest auf Basis vom § 315 BGB eh nur dann möglich, wenn im Vertrag ein Preisanpassungsrecht vereinbart ist, welches auf dem gesetzlichen Preisfestsetzungrecht basiert (§ 5 Abs. 2 GasGVV). Ohne diese Verbindung zur gesetzlichen Regelung entfällt § 315 für Sonderverträge. Hier zieht dann § 305 i.V.m. § 307 BGB.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: userD0010 am 11. März 2016, 14:40:50
@bolli
"Was soill @fortunato denn mit dieser Ihrer Aussage anfangen???
@fortunato fragt, ob er seinen Protest gem. § 315BGB weiter fortsetzen kann und Sie antworten, dass das Ganze nur mit mit anwaltlicher Hilfe empfohlen werden kann.
Und welcher Anwalt wird heute schon sagen können, ob "es empfehlenswert ist".  Haben da nicht auch schon Juristen und Nichtjuristen gejubelt, dals der EuGH seine Entscheidungen verkündet hat?
Und was bedeutet denn eine evtl. Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht für ALLE Protestler ? Lesen Sie doch einfach den Kommentar zum Thema Verfassungsbeschwerde eingelegt auf Seite 9 der Energiedepesche. Die dortige evtl. Entscheidung betrifft nur den betroffenen Endverbraucher, aber jedenfalls nicht die gesamte Protestlerwelt.
Und die Frage einem Anwalt zu stellen, wird vermutlich dann erst erforderlich, wenn der Versorger mit den Muskeln spielt und Klage androht.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: bolli am 11. März 2016, 15:01:19
@fortunato fragt, ob er seinen Protest gem. § 315BGB weiter fortsetzen kann und Sie antworten, dass das Ganze nur mit mit anwaltlicher Hilfe empfohlen werden kann.
Das Sie sich in Ihrem Kampf mit den Versorgern bzw. im Preisprotest in Bezug auf § 315 BGB mittlerweile etwas einsam fühlen, ist aus Ihren letzten Beiträgen zu diesem Thema ja zu entnehmen. Aber gleichwohl gibt es zahlreiche Protestler, die sehr wohl VOR dem kampf wissen möchten, wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Obsiegens ist. Denn ein solcher Kampf kostet neben Geld nun mal auch Kraft, wie wir alle wissen.
Wenn @fortunato trotz des Lesens der Energiedepeche mit der dortigen Berichterstattung noch nicht einordnen kann, inwieweit er weitermachen soll oder nicht, so kann ich ihm als zusätzlichen Schritt halt nur die Konsultation eines Anwalts empfehlen, der ihm das Ganze ggf. noch ein wenig erläutern kann, so er denn in dem Bereich fit ist (was bekanntermaßen nicht alle Anwälte sind  ;) ).

Und welcher Anwalt wird heute schon sagen können, ob "es empfehlenswert ist".  Haben da nicht auch schon Juristen und Nichtjuristen gejubelt, dals der EuGH seine Entscheidungen verkündet hat?
Wie das mit Gerichtsentscheidungen nun mal so ist, der eine jubelt und der andere ist zu Tode betrübt. Manchmal wandelt es sich dann noch später.

Und was bedeutet denn eine evtl. Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht für ALLE Protestler ? Lesen Sie doch einfach den Kommentar zum Thema Verfassungsbeschwerde eingelegt auf Seite 9 der Energiedepesche. Die dortige evtl. Entscheidung betrifft nur den betroffenen Endverbraucher, aber jedenfalls nicht die gesamte Protestlerwelt.
So sind in den letzten jahren aber doch alle Entscheidungen gewesen. Wer jahrelang nicht reagiert hat, hat auch nur begrenzten Anspruch auf "Schadenersatz". Die Anderen machen lassen und sich dann ins gemachte Nest setzen geht halt nicht immer.

Und die Frage einem Anwalt zu stellen, wird vermutlich dann erst erforderlich, wenn der Versorger mit den Muskeln spielt und Klage androht.
Tja, da hat jeder seine eigenen Strategien. Bevor ich mich in einen Boxring wage, schaue ich mir meinen Gegner an und wäge die Chancen ab. Erst in den Ring zu klettern um bei der ersten Geraden das weiße Handtuch zu schmeißen lohnt den Aufwand nicht.

Und gehen Sie davon aus, dass die Konzerne NICHT das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde abwarten, bevor sie die Protestler in der Grundversorgung unter Druck setzen.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: uwes am 11. März 2016, 16:05:53
Kann ich den Protest gem. §315 weiter fortsetzen ? Ist es empfehlenswert ?

@fortunato In Ihrem Nicknamen steht bereits die Prognose geschrieben.
Der VIII. Zivilrechtserfindungs-und Energieversorgerschutzsenat wird am 6. April in diversen Verfahren weitere Entscheidungen verkünden. Ich rechne erneut mit einer Überraschung. Es geht um die Grundversorgung und das dort nunmehr im Wege ergänzender Vertragsauslegung vom BGH als möglich erachtete Preisänderungsrecht.

Sollte der Senat die vielfache Kritik an seiner Entscheidung zum Anlass nehmen, seine Rechtsprechung zu korrigieren, wäre ich ganz besonders überrascht, obwohl natürlich weder für Laien noch für Juristen verständlich ist, warum erst durch ein europäisches Gericht die gesetzlichen Vorschriften als unzureichend für ein Preisänderungsrecht eingestuft wurden, und dann der BGH das - unwirksame - gesetzliche Preisänderungsrecht 1:1 flugs nach Treu und Glauben in ein - wirksames vertragliches umdeutet.

Er maßt sich etwas an, wozu er nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr befugt ist.
So hat das BVerfG am 25.1.2011 [1 BvR 918/10] den Spielraum zulässiger Rechtsfortbildung durch die Fachgerichte - also auch des BGH - erheblich eingeschränkt. Zwar betont das BVerfG die Aufgabe der Gerichte, angesichts „des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers sowie der offenen Formulierung zahlreicher Normen“ das geltende Recht an veränderte Verhältnisse anzupassen, und beschränkt die verfassungsgerichtliche Kontrolle darauf, ob die rechtsfortbildende Auslegung durch die Fachgerichte die gesetzgeberische Grundentscheidung und dessen Ziele respektiert und ob sie den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung folgt. Gleichzeitig betont der Senat aber, dass eine
Zitat
„Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird, … unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers“
eingreift.

Zwar unterstreicht auch das BVerfG
Zitat
Schöpferische Rechtsfindung durch gerichtliche Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung ist praktisch unentbehrlich und wird vom Bundesverfassungsgericht seit jeher anerkannt (vgl. BVerfGE 34, 269 <287 f.>; 49, 304 <318>; 65, 182 <190 f.>; 71, 354 <362>; 128, 193 <210>; 132, 99 <127 Rn. 74>). Dass der Gesetzgeber den Zivilgerichten mit den Generalklauseln des Privatrechts besonders weite Möglichkeiten der Rechtsfortbildung verschafft, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bieten die privatrechtlichen Generalklauseln den Zivilgerichten nicht zuletzt die Möglichkeit, die Schutzgebote der Grundrechte zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 97, 169 <178>; stRspr) und so die gesetzgeberische Erfüllung grundrechtlicher Schutzaufträge zu ergänzen; die Zivilgerichte verhelfen den Grundrechten so in einem Maße zur praktischen Wirkung, das zu leisten der Gesetzgeber im Hinblick auf die unübersehbare Vielfalt möglicher Fallgestaltungen (vgl. BVerfGE 102, 347 <361>) allein kaum in der Lage wäre (vgl. hierzu insbesondere Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 132, 232; Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 324 f.; Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VI Rn. 90 <Dez. 2007>; Michael/Morlok, Grundrechte, 4. Aufl. 2014, Rn. 571 f.).
(BVerfG vom 24.2.2015 -  1 BvR 472/14 Rn. 39)
jedoch betont das Gericht auch,
Zitat
Die Grenzen richterlicher Rechtsfindung verlangen gerade dort besondere Beachtung, wo sich die rechtliche Situation des Bürgers verschlechtert, ohne dass verfassungsrechtliche Gründe dafür ins Feld geführt werden können (BVerfGE 122, 248 <301> - abw. M.). Auf eine privatrechtliche Generalklausel lässt sich eine verfassungsrechtlich schwerwiegende Belastung eines Beteiligten dann umso weniger stützen, je weniger sich im einfachgesetzlichen Umfeld Anknüpfungspunkte dafür finden lassen (vgl. Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, 2004, S. 120 f.).
BVerfG a.a.O. Rn. 42

Wenn - wie hier - schon der Wortlaut der verordnungsrechlichen Normen (§ 4 AVBGasV; § 5 GasGVV) nicht auf ein gesetzliches Preisänderungsrecht schließen lässt, und nun durch den EuGH ein solches schon allein wegen der fehlenden Transparenz (also Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit) nicht zugebilligt wird, dann muss der BGH bei Einhaltung der o.g. Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung ganz besonders darauf achten, dass dabei die Interessen der "Schwächeren" Berücksichtigung finden. Dazu gehört sicher nicht, ein für unwirksam oder gar nicht als bestehend angesehenes Recht im Wege der Vertragsergänzung umzudeuten in ein Recht gleichen - unverständlichen - Inhalts.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: userD0010 am 11. März 2016, 17:42:20
@bolli
Sie schreiben so schön: Und gehen Sie davon aus, dass die Konzerne NICHT das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde abwarten, bevor sie die Protestler in der Grundversorgung unter Druck setzen.

Hatte ich nicht deutlich gemacht:
Und gehen Sie davon aus, dass die Konzerne NICHT das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde abwarten, bevor sie die Protestler in der Grundversorgung unter Druck setzen.

Wozu dann Ihre umfangreichen "Ausführungen"?
Übrigens fühle ich mich in meinem Vorgehen nicht einsam und glaube, in meiner unterstellten  Einsamkeit sehr wohl meinem Energieversorger Paroli zu bieten und mir ist unergründlich, was Sie mit dem Begriff "vor dem Kampf" feststellen möchten.
Wenn jeder Protestler erst vor der Anwendung des § 315 BGB im Falle der Grundversorgung einen Anwalt konsultieren würde, stünde dies vermutlich ein wenig dem wirtschaftlichen Erfolg ein wenig im Wege.

In welches gemachte Nest Sie vermeintlich Andere sog. Protestler sich gesetzt haben sollen,vermag ich nicht nachzuvollziehen. Allerdings bleibt zu vermuten, dass so Mancher im Laufe der Zeit auf das Trittbrett aufgesprungen ist und heute glaubt, es immer gewusst zu haben.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: fortunato am 12. März 2016, 19:51:04
Ich möchte mich bei allen Teilnehmern dieser Diskussion recht herzlich bedanken!

Ich bin mir - leider - immer noch nicht sicher, ob ich den Protest fortführen soll.. Ich bin seit Jahren schon ein BDEV-Mitglied und ein Fondsmitglied (BDEV - Prozesskostenfonds), da sich aber die AGB's (der Prozesskostenfonds) ständig ändern (negativ) ist man m.E. zurzeit nirgendwo sicher.. Hier ein Auszug:

„Gerichtliche Auseinandersetzung

Für Fondsmitglieder übernimmt der Verein in der Regel die Kosten einer erfolgsversprechenden gerichtlichen Auseinandersetzung. Die Kosten von gerichtlichen Gutachten werden nicht übernommen. Der Verein hilft bei der Suche nach einem geeigneten Anwalt. Der Verein legt Kriterien und eine Prüfprozedur fest.“

Ich denke, wenn es so weiter geht, dann hat der Verein bald keine Mitglieder mehr.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: userD0010 am 12. März 2016, 20:25:37
@fortunato
Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott, haben unsere Altvorderen früher als Wahlspruch genutzt.
So sollten Sie es in diesem Fall auch sehen. Wenn Sie von Ihrer Vorgehensweise überzeugt sind, was den Unbilligkeitseinwand gegen das Preisgebastel Ihres Versorgers angeht, dann sollten Sie auch weiterhin den § 315 als Begründung nutzen.
Im Falle gerichtlicher Auseinandersetzung setzen derzeit zahlreiche (auch) obere Gerichte die Verfahren aus, bis das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung getroffen hat.
Ob mit oder ohne Vorgehen gegen Ihren  Versorger sollten Sie im Hinterkopf behalten, dass ggf. dessen Ansprüche erst nach drei Jahren obsolet sind und alles bis dahin Aufgelaufene zum ''Streit genutzt werden kann.
Sie sollten aber -im Falle einer Rechtsschutzversicherung- prüfen, wie lange dieser Versicherungsschutz bereits besteht, denn wenn Sie erst nach Ihrem ersten Vorgehen gegen Ihren Versorger diesen Vertrag abgeschlossen haben, kann es Ihnen passieren, dass der Versicherer eine Risikoübernahme ablehnt, weil der Fall behauptet bereits vor Vertragsbeginn eingetreten ist.
Bleiben Sie stur bei Ihrer Linie, es ist allerdings schade, dass sich auch der Prozesskostenfond anscheinend Möglichkeiten sucht und auch findet, ein Engagement zu vermeiden.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: energienetz am 14. März 2016, 18:48:19
Sie stören sich daran, dass der Prozesskostenfonds im Voraus nicht jedem Mitglied, das einzahlt, in unbegrenzter Höhe eine Zahlungszusage macht. Wenn Sie sich das aber einmal überlegen, so liesse sich ein solches Versprechen finanziell nicht einhalten, weil bereits zwei oder drei Prozesse den gesamten Fonds leeren könnten. Davon abgesehen würde eine solches Versprechen den Fonds zu einer Rechtsschutzversicherung machen, was natürlich aus den verschiedensten Gründen unzulässig wäre. Und: Sogar Rechtsschutzversicherungen prüfen, in welchen Fällen sie in welcher Höhe eintreten. Zudem bietet der Fonds die Möglichkeit, auch in Bagatellsachen Honorare mit Anwälten zu vereinbaren, die über den gesetzlichen Sätzen liegen. Ansonsten wäre viele Streitigkeiten für Verbraucher schon deshalb verloren, weil kein Anwalt für die gesetzlichen Sätze arbeiten würde. So schlecht ist also der Fonds auch wieder nicht.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: userD0010 am 14. März 2016, 19:56:33
@energienetz
Ich bedauere, Ihnen widersprechen zu müssen.
Zur Klar- und Richtigstellung:
Lediglich aufgrund der Aussage des Mitglieds @fortunato, der die Befürchtung äußerte, dass "der Verein" bald keine Mitglieder mehr habe,habe ich geantwortet, dass der Prozeßkostenfonds ANSCHEINEND Möglichkeiten sucht und findet, ein Engagement zu vermeiden!

Es stellt doch wohl einen kleinen, aber feinen Unterschied dar, ob ich etwas feststelle oder nach einer Aussage eines Mitglieds der Anschein erweckt wird, dass es dort Probleme zu geben scheint.

Das Mitglied @fortunato wird sicherlich Gründe haben, warum er sich skeptisch äußert.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Ronny am 15. März 2016, 07:31:33
@ h.terbeck

Derart feine Unterschiede hat vor ein paar Jahren auch mal ein Präsident der Vereinigten Staaten anlässlich einer kleinen Affäre mit einer Praktikantin bemüht ...
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: bolli am 15. März 2016, 07:39:26
@energienetz
Ich bedauere, Ihnen widersprechen zu müssen.
Zur Klar- und Richtigstellung:
Lediglich aufgrund der Aussage des Mitglieds @fortunato, der die Befürchtung äußerte, dass "der Verein" bald keine Mitglieder mehr habe,habe ich geantwortet, dass der Prozeßkostenfonds ANSCHEINEND Möglichkeiten sucht und findet, ein Engagement zu vermeiden!

Es stellt doch wohl einen kleinen, aber feinen Unterschied dar, ob ich etwas feststelle oder nach einer Aussage eines Mitglieds der Anschein erweckt wird, dass es dort Probleme zu geben scheint.
Warum fühlen Sie sich denn überhaupt bemüßigt, zu etwas Stellung zu nehmen, was Sie selbst nicht genau kennen. Ob @fortunato nun Gründe hat, warum  er sich skeptisch äußert oder wie und warum der Fall liegt wie er liegt, können wir von außen doch gar nicht beurteilen. Da sollte man mit Glaskugelweisheiten sehr vorsichtig sein.

Übrigens:

@bolli
Sie schreiben so schön: Und gehen Sie davon aus, dass die Konzerne NICHT das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde abwarten, bevor sie die Protestler in der Grundversorgung unter Druck setzen.

Hatte ich nicht deutlich gemacht:
Und gehen Sie davon aus, dass die Konzerne NICHT das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde abwarten, bevor sie die Protestler in der Grundversorgung unter Druck setzen.

Können Sie mal erläutern, WAS Sie deutlich gemacht haben ? Das, was Sie dort in Antwort #5 geschrieben haben, war es auf jeden Fall nicht, denn DAS war ein Zitat von mir, was Sie im übrigen im Satz vorher ja selbst zitiert haben.  ;)
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: userD0010 am 15. März 2016, 08:32:40
@bolli
Es lohnt nicht!  Wie gut, dass Sie es immer schon gewusst haben.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: DieAdmin am 17. März 2016, 08:22:12
...
In der neusten Ausgabe der Energiedepesche (März 2016) lesen wir:
 
„(...) Verbraucher können daher grundsätzlich den Preisprotest wie früher fortsetzen. Aber: Durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes werden viele Gerichte dazu neigen, die Rechtsauffassung des BGH ungeprüft zu übernehmen, wodurch eine Überprüfung der Preise in der Praxis nicht mehr stattfinden könnte. Wer den Preisprotest also fortführt, muss jetzt eher damit rechnen, durch seinen Versorger verklagt zu werden, da die Versorger darauf hoffen, dass viele Gerichte kritiklos dem BGH folgen werden."
...

Der eingangs erwähnte Artikel aus der ED ist online: http://www.energieverbraucher.de/de/site__1700/?contId=16471#con-16471
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: userD0010 am 17. März 2016, 09:05:54
"Wer den Preisprotest also fortführt, muss jetzt eher damit rechnen, durch seinen Versorger verklagt zu werden, da die Versorger darauf hoffen, dass viele Gerichte kritiklos dem BGH folgen werden."
Und in diesen Fällen ist dann die Unterstützung durch eine fachlich versierte Rechtsvertretung unabdingbar. Und diese sollte dann überzeugend versuchen, dem zuständigen Gericht nahezulegen, nicht nur die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten und in der Folge ggf. eine Verweisung an den EuGH zu berücksichtigen. Und sollte dies nicht bereits dem erstbefassten Gericht einleuchten, bleibt immer noch das Berufungsgericht, das zu überzeugen wäre.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: uwes am 01. April 2016, 22:50:34
"Wer den Preisprotest also fortführt, muss jetzt eher damit rechnen, durch seinen Versorger verklagt zu werden, da die Versorger darauf hoffen, dass viele Gerichte kritiklos dem BGH folgen werden."

Warten wir erst einmal den 6. April ab.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Lothar Gutsche am 12. Juni 2016, 11:29:23
Die Leitsätze e) bis h) aus dem BGH-Urteil vom 28.10.2015 unter Aktenzeichen VIII ZR 158/11 befassen sich mit einer ergänzenden Vertragsauslegung und führen im Ergebnis zu einer Abschaffung der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. Die verbraucherschützenden Normen der EU-Richtlinien zur Strom- und Gasversorgung kommen in dem Urteil des BGH vom 28.10.2015 bei der Preiskontrolle gar nicht zur Anwendung.

In den juris-Randnummern 62 – 64 seines Urteil vom 28.10.2015 unter Aktenzeichen VIII ZR 158/11 weist der VIII. Zivilsenat des BGH jedoch darauf hin, dass die EU-Richtlinien für Strom und Erdgas auch unmittelbar anwendbar sein können:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes kann sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (siehe nur EuGH, Rs. 41/74, Slg. 1974, 1337 Rn. 9 ff. - van Duyn; Rs. C-148/78, Slg. 1979, 1629 Rn. 18 ff. - Ratti; Rs. 8/81, Slg. 1982, 53 Rn. 17 ff. - Becker; Rs. 152/84, Slg. 1986, 723 Rn. 46 ff. - Marshall; Rs. 103/88, Slg. 1989, 1839 Rn. 28 ff. - Fratelli Costanzo SpA; Rs. C-397/01 bis 403/01, aaO Rn. 103 - Pfeiffer u.a.; jeweils mwN; vgl. BAGE 128, 134, 154; [sogenannte vertikale Direktwirkung]). So kann sich der Einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie auch gegenüber Organisationen oder Einrichtungen - unabhängig von ihrer Rechtsform - berufen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (EuGH, Rs. C-188/89, Slg. 1990, I-3313 Rn. 17 ff. - Foster u.a.; Rs. C-253/96 bis C-258/96, Slg. 1997, I-6907 Rn. 46 f. - Kampelmann u.a.; jeweils mwN).

In vielen Fällen sind die Energieversorgungsunternehmen trotz ihrer Rechtsform als GmbH oder Aktiengesellschaft keine rein privaten Unternehmen, sondern unterstehen als Kommunalunternehmen der jeweiligen Gemeinde staatlicher Aufsicht. So sitzen im Aufsichtsrat neben den obligatorischen Arbeitnehmervertetern oft viele Stadtverordnete, Bürgermeister und Kämmerer. Nach § 53 des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) gelten erhöhte Berichtspflichten bei der Prüfung des Jahresabschlusses, sobald 50% Gebietskörperschaften gehören, siehe im Detail https://www.gesetze-im-internet.de/hgrg/__53.html (https://www.gesetze-im-internet.de/hgrg/__53.html). Viele Kommunalvorschriften sind im Landesrecht der Bundesländer verankert und sehen eine besondere öffentliche Aufsicht über Unternehmen und Unternehmensanteile in öffentlicher Hand vor. Deshalb handelt es sich bei vielen Stadtwerken um kommunale Dienstleistungsunternehmen, die anders als rein privatwirtschaftliche Unternehmen dem Staat unterstehen.

Vor dem Hintergrund kann jeder Verbraucher eine direkte Anwendung der EU-Richtlinien zum Verbraucherschutz und der EU-Richtlinien zur Strom- und Gasversorgung verlangen, und zwar unter Zitierung der EuGH-Urteile, die der BGH oben selbst nennt. Für eine ergänzende Vertragsauslegung, wie sie der VIII. Zivilsenat des BGH am 28.10.2015 willkürlich vorgenommen hat, bleibt dann überhaupt kein Raum. Die versorgerfreundlichen Leitsätze e) – h), auf die sich der BGH und die unteren Instanzen seit dem 28.10.2015 stützen, sind damit gar nicht anwendbar.

Allerdings muss im Falle eines Prozesses der Verbraucher dieses Argument auch vortragen, sonst wird vom jeweiligen Gericht genau so argumentiert, wie es der BGH unter Aktenzeichen VIII ZR 158/11 vom 28.10.2015 unter juris-Randnummer 65 ausführt:

Das Berufungsgericht hat jedoch weder festgestellt noch ist sonst ersichtlich, dass es sich bei der Klägerin um eine Organisation oder Einrichtung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt (siehe oben aa). Übergangenen Tatsachenvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf.

Im Urteil unter Aktenzeichen VIII ZR 158/11 vom 28.10.2015 ging es um die Stadtwerke Hamm GmbH, die zu 100% der Stadt Hamm gehört, und um die Stadtwerke Geldern GmbH, die sich zu 51 % im Eigentum der Stadt Geldern befindet. Nur wurde diese Tatsache offenbar im Prozess nicht vorgetragen und es hat sich niemand direkt auf die EU-Richtlinien berufen. Die ganze Begründungskette des VIII. Zivilsenats, die zu den fatalen Einschränkungen des § 315 BGB führt, wäre in sich zusammengebrochen. Ungeachtet der verbraucherfeindlichen BGH-Urteile seit dem 28.10.2015 steht es jedem Energieverbraucher frei, bei seinem Gericht über seinen Rechtsanwalt die direkte Anwendung der EU-Richtlinien zu verlangen, falls sein Energieversorger mehrheitlich der öffentlichen Hand gehört.

Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche
Email: lothar.gutsche@arcor.de
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Martinus11 am 23. August 2016, 23:21:55
Interessanter Gedanke, aber woher weiß man, ob sein EVU mehrheitlich der öffentlichen Hand gehört und wie bestimmt sich das?
Ich vermute mal, EON Energie Deutschland gehört leider nicht mehrheitlich der öffentlichen Hand und die Überlegung beschränkt sich allein auf "Stadtwerke" ect.?

Wenn ich die Beiträge im Unterforum zu Urteilen richtig verstehe, scheint zumindest das Urteil des BGH vom 6.4. erneut nicht sehr verbraucherfreundlich ausgefallen zu sein.

Wurde zwischenzeitlich noch immer keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Verfassungsbeschwerde des Energieverbraucherbundes gefällt?


Martinus11
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Lothar Gutsche am 24. August 2016, 19:48:04
@ Martinus11
Wenn der Energieversorger als Unternehmensform eine private Rechtsform gewählt hat, dann meist in Gestalt einer Kapitalgesellschaft. Weit verbreitet sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und Aktiengesellschaften (AG). Eine Kapitalgesellschaft hat immer ein Grundkapital oder Eigenkapital in Euro. Wenn von dem Eigenkapital mehr als 50% öffentlichen Eigentümern wie z. B. Städten, Gemeinden, Bundesländern oder dem Bund gehören, dann befindet sich das Unternehmen mehrheitlich in öffentlicher Hand.

Große Kapitalgesellschaften geben auf ihren Internetseiten und in ihren jährlichen Geschäftsberichten öffentlich Auskunft über ihre größeren Anteilseigner. Bei GmbHs besteht nach § 40 des GmbH-Gesetzes für das Unternehmen die Pflicht, die Liste der Gesellschafter und deren jeweilige Geschäftsanteile im Handelsregister einzureichen. Das Handelsregister ist für jedermann im zuständigen Amtsgericht zu den dortigen Geschäftszeiten einsehbar. Auf allen Rechnungen und Verträgen Ihres Versorgers finden Sie seine Handelsregisternummer und das zuständige Registergericht. Wer etwas Geld investiert, kann sich den Weg sparen und die gewünschte Information im „Gemeinsamen Registerportal der Länder“ abrufen, siehe https://www.handelsregister.de.

Parallel dazu gibt es auch eine Berichtspflicht der öffentlichen Hand, die gegenüber dem Steuerzahler und den Parlamenten Rechenschaft über die Verwendung der anvertrauten öffentlichen Gelder ablegen muss. So müssen z. B. im Bundesland Bayern Gemeinden jährlich einen Bericht über ihre Beteiligungen an Unternehmen in einer Rechtsform des Privatrechts erstellen, wenn ihnen mindestens fünf Prozent der Anteile eines Unternehmens gehören, siehe für Details https://www.freistaat.bayern/dokumente/leistung/068532559496. Eine verständliche Einführung in die Berichtspflichten liefert die Internetseite http://www.haushaltssteuerung.de und speziell einige Links auf zahlreiche Beteiligungsberichte http://www.haushaltssteuerung.de/beteiligungsberichte.html.
Informationen vor Ort bieten oft eine Abteilung der Kämmerei, eine Stabsstelle beim Bürgermeister oder die Finanzverwaltung.

So können sie durch etwas Recherche herausfinden, ob Ihr EVU mehrheitlich der öffentlichen Hand gehört. Die E.ON Energie Deutschland GmbH mit Sitz in München, eingetragen am Amtsgericht München unter HRB 209327, gehört zu 100% der E.ON SE, Düsseldorf, und gehört deshalb nicht mehrheitlich der öffentlichen Hand.


Zu dem BGH-Leitsatzurteil vom 6.4.2016 unter Aktenzeichen VIII ZR 79/15 finden Sie schöne Besprechungen von Professor Dr. Kurt Markert und Wilhelm Zimmerlin hier im Forum in der Rubrik „Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest“ unter dem Titel „BGH, Urt. v. 6.4.16 Az. VIII ZR 79/15 Erg. Vertragsauslegung= kundenfreundlich“, siehe http://forum.energienetz.de/index.php/topic,20132. In Prozessen mit einem ähnlichen Fall muss jeder einzelne Verbraucher diese Argumente von seinem Rechtsanwalt vortragen lassen und damit Zweifel bei seinem Gericht schüren, ob die Rechtsprechung des VIII. BGH-Zivilsenates mit dem Grundgesetz und mit den europäischen Richtlinien vereinbaren lässt. Die Zweifel müssen so groß werden, dass das Gericht sich zu einer Vorlage an den EuGH genötigt sieht, statt einfach die verbraucherfeindlichen Leitsätze der BGH-Urteile u. a. vom 28.10.2015 und 6.4.2016 zur Grundlage seines eigenen Entscheidung zu machen.

Eine derartige Vorlage hat auch den Vorteil, dass das vom Gericht angerufene Bundesverfassungsgericht sich mit der Sache befassen und entscheiden muss. Bei der immer noch unveröffentlichten Verfassungsbeschwerde des Bundes der Energieverbraucher ist mir nicht bekannt, ob die Verfassungsbeschwerde überhaupt zur Entscheidung angenommen wurde oder ob die Beschwerde wie so viele andere ohne jede Begründung inzwischen einfach zurückgewiesen wird. Selbst im positiven Fall der Annahme ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts frühestens 2017 zu erwarten, wahrscheinlich sogar erst 2018.

Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche
Email: lothar.gutsche@arcor.de
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Martinus11 am 24. August 2016, 20:23:38

Zu dem BGH-Leitsatzurteil vom 6.4.2016 unter Aktenzeichen VIII ZR 79/15 finden Sie schöne Besprechungen von Professor Dr. Kurt Markert und Wilhelm Zimmerlin hier im Forum in der Rubrik „Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest“ unter dem Titel „BGH, Urt. v. 6.4.16 Az. VIII ZR 79/15 Erg. Vertragsauslegung= kundenfreundlich“, siehe http://forum.energienetz.de/index.php/topic,20132. In Prozessen mit einem ähnlichen Fall muss jeder einzelne Verbraucher diese Argumente von seinem Rechtsanwalt vortragen lassen und damit Zweifel bei seinem Gericht schüren, ob die Rechtsprechung des VIII. BGH-Zivilsenates mit dem Grundgesetz und mit den europäischen Richtlinien vereinbaren lässt. Die Zweifel müssen so groß werden, dass das Gericht sich zu einer Vorlage an den EuGH genötigt sieht, statt einfach die verbraucherfeindlichen Leitsätze der BGH-Urteile u. a. vom 28.10.2015 und 6.4.2016 zur Grundlage seines eigenen Entscheidung zu machen.

Eine derartige Vorlage hat auch den Vorteil, dass das vom Gericht angerufene Bundesverfassungsgericht sich mit der Sache befassen und entscheiden muss. Bei der immer noch unveröffentlichten Verfassungsbeschwerde des Bundes der Energieverbraucher ist mir nicht bekannt, ob die Verfassungsbeschwerde überhaupt zur Entscheidung angenommen wurde oder ob die Beschwerde wie so viele andere ohne jede Begründung inzwischen einfach zurückgewiesen wird. Selbst im positiven Fall der Annahme ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts frühestens 2017 zu erwarten, wahrscheinlich sogar erst 2018.

Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche
Email: lothar.gutsche@arcor.de

Danke für das ausführliche Statement.
Dass die Verfassungsbeschwerde gar nicht angenommen wurde, hätte der Bund der Energieverbraucher doch sicherlich schon mitgeteilt. Dass es für eine Zurückweisung Gründe geben könnte, auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen.
Vielleicht kann der Admin hier aufklären zum Stand der Dinge.
2018... meine Güte.

Was das konkrete Schüren ausreichender Zweifel beim Gericht angeht, damit es die Sache an das BVerfG und/oder EUGH weitergibt: Das klingt etwas theoretisch, aber kann vielleicht dazu führen, dass das Gericht die Entscheidung aussetzt. Mag im Einzelfall ja bereits von Nutzen für den beklagten Energiekunden sein. Der Artikel von besagtem Prof. Dr. Markert vom 29.6.2016 macht zwar Mut, aber ich fürchte, bis sich die Hoffnungen auf mehr Gerechtigkeit erfüllen, wird es für viele zu spät sein. Was meinen gerade gerichtsanhängig gewordenen Fall angeht, so kann ich jedenfalls nicht auf 2017 oder 2018 hoffen.


Martinus11
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: bolli am 25. August 2016, 09:30:23
Für den Fall, dass die Verfassungsbeschwerde angenommen wurde/wird, wäre ja neben dem inhaltlichen Vortrag entsprechend den angeführten Beiträgen auch eine Möglichkeit, ein Aussetzen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG zu beantragen. Dieses wurde in früheren Zeiten ja auch des Öfteren bei anstehenden BGH-Entscheidungen gemacht.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: userD0010 am 25. August 2016, 16:20:32
@Martinus11
"Der Artikel von besagtem Prof. Dr. Markert vom 29.6.2016 macht zwar Mut, aber ich fürchte, bis sich die Hoffnungen auf mehr Gerechtigkeit erfüllen, wird es für viele zu spät sein. Was meinen gerade gerichtsanhängig gewordenen Fall angeht, so kann ich jedenfalls nicht auf 2017 oder 2018 hoffen."

Und all das wird sich kostentreibend auswirken, zumal vielfach die zuständigen unteren bis mittleren ''Gerichte" sich soweit gar nicht aus dem Fenster lehnen werden !
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Martinus11 am 29. August 2016, 13:36:34
Angenommen, man folgt dem BGH-Urteil und hält dessen Auffassung für richtig (was ich nicht tue, aber nur mal angenommen).
Dann wäre ja noch immer im Sinne des Verbraucherschutzes zumindest zu prüfen, ob tatsächlich lediglich die Kostensteigerungen weitergegeben wurden.
Darüber hinaus wäre noch immer zu prüfen, ob das EVU Kostensenkungen weitergegeben hat.

Dürfte das dem EVU nicht immer noch relativ schwer fallen bzw. lieber von ihm vermieden werden? Gerade wenn das EVU - anders als bei obigen BGH-Urteil - in der Rolle des Klägers ohnehin höhere Beweispflichten hat? Gerade die letzten Jahre sind die Ölpreise drastisch gesunken und die Gaspreise aber konstant geblieben, wie eine Studie der "Grünen" zeigt.

Wobei ich mal unterstelle, dass tatsächlich nicht nur Kostensteigerungen weitergegeben wurde... sonst macht die ganze Überlegung natürlich keinen Sinn.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Black am 30. August 2016, 12:00:03
Angenommen, man folgt dem BGH-Urteil und hält dessen Auffassung für richtig (was ich nicht tue, aber nur mal angenommen).
Dann wäre ja noch immer im Sinne des Verbraucherschutzes zumindest zu prüfen, ob tatsächlich lediglich die Kostensteigerungen weitergegeben wurden.
Darüber hinaus wäre noch immer zu prüfen, ob das EVU Kostensenkungen weitergegeben hat.

Dürfte das dem EVU nicht immer noch relativ schwer fallen bzw. lieber von ihm vermieden werden? Gerade wenn das EVU - anders als bei obigen BGH-Urteil - in der Rolle des Klägers ohnehin höhere Beweispflichten hat? Gerade die letzten Jahre sind die Ölpreise drastisch gesunken und die Gaspreise aber konstant geblieben, wie eine Studie der "Grünen" zeigt.

Wobei ich mal unterstelle, dass tatsächlich nicht nur Kostensteigerungen weitergegeben wurde... sonst macht die ganze Überlegung natürlich keinen Sinn.

Das Risiko ist für die Versorger nicht so hoch. Der Versorger wird natürlich nur für die Zeiträume Klage erheben, für die er eine korrekte Preiskalkulation belegen kann. Auch mit der Beweislast ist das so eine Sache. Der Versorger kann Wirtschaftsprüfer oder sogar eigene Mitarbeiter als Zeugenfür eine korrekte Preiskalkulation benennen. Da erbringen Sie mal den Gegenbeweis.

Sollte es zu einer Beweiserhebung per Sachverständigengutachten kommen, dann ist das eine sehr teure Sache (Kosten nach meiner Erfahrung zwischen 3.500 und 10.000 EUR). Die Kosten trägt der Verlierer. Da sollte man als Kunde schon eine Rechtschutzversicherung im Rücken haben.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Martinus11 am 31. August 2016, 08:36:04
Ich würde an Stelle des EVU dennoch vermeiden wollen, dass der Nachweis überhaupt erst geführt werden muss. Nicht umsonst haben sämtliche EVUs in der mittlerweile langen Geschichte des Energiepreisprotestes sich bislang nie in die Preiskalkulationskarten schauen lassen. Ein Präzedenzfall wäre höchst unangenehm und wir unterstellen ja mal, dass tatsächlich nicht nur Kostensteigerungen weitergegeben wurden bzw. Preissenkungen nicht weitergegeben wurden an den Kunden. Es gilt also vor den Augen der Öffentlichkeit geschickt zu lügen. Und wenn das Ganze nur die Kostenseite betrifft, dann ist das Ganze schon sehr viel einfacher zu durchschauen, als bei einer Gesamtpreis-Kalkulation, denke ich mir.

So gesehen kann die auf den Kostenfaktor reduzierte Nachweispflicht laut BGH vom 28.10.15 u.U. dazu führen, dass für die EVU "der Schuss nach hinten losgeht". Wenn ich mir die Studie der Grünen anschaue, aus der glasklar die massiv gesunkenen Rohölpreise bzw. Gaspreise hervorgehen, dann würde ich als EVU nur ungern einen quasi öffentlichen, gelogenen Beweis führen wollen, dass es dennoch nicht möglich war, den Preis zu senken. Allein der "starke Verdacht", der dann durch die Medien geistert und der Imageschaden wären doch wohl tunlichst zu vermeiden.

Und da der Überprüfungsrahmen bereits deutlich eingeschränkt eh nur noch die Kostenseite betrifft, könnte man fordern, dass diese ohnehin nur noch sehr eingeschränkte Billigkeitsüberprüfung umso gründlicher und transparenter zu erfolgen habe.

"Der Versorger wird natürlich nur für die Zeiträume Klage erheben, für die er eine korrekte Preiskalkulation belegen kann".

Wie meinen Sie das? Er kann sich das doch nicht aussuchen, welche Jahre er belegt bzw. welche nicht. Es würde um die in einem bestimmten Gerichtsfall relevanten Jahre gehen, z.B. drei bestimmte, noch nicht verjährte Jahre.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Black am 31. August 2016, 16:36:06
Ich würde an Stelle des EVU dennoch vermeiden wollen, dass der Nachweis überhaupt erst geführt werden muss. Nicht umsonst haben sämtliche EVUs in der mittlerweile langen Geschichte des Energiepreisprotestes sich bislang nie in die Preiskalkulationskarten schauen lassen. Ein Präzedenzfall wäre höchst unangenehm und wir unterstellen ja mal, dass tatsächlich nicht nur Kostensteigerungen weitergegeben wurden bzw. Preissenkungen nicht weitergegeben wurden an den Kunden. Es gilt also vor den Augen der Öffentlichkeit geschickt zu lügen.

Natürlich führt man als EVU den Nachweis nicht aus Spass an der Freude, sondern nur wenn er unvermeidbar ist. Aber zwischen der Überprüfung der Billigkeit und der vollständigen Offenlegung der Preiskalkulation ist noch viel Raum.
Lügen ist da eine eher schlechte Idee.



"Der Versorger wird natürlich nur für die Zeiträume Klage erheben, für die er eine korrekte Preiskalkulation belegen kann".

Wie meinen Sie das? Er kann sich das doch nicht aussuchen, welche Jahre er belegt bzw. welche nicht. Es würde um die in einem bestimmten Gerichtsfall relevanten Jahre gehen, z.B. drei bestimmte, noch nicht verjährte Jahre.

Wer die Klage erhebt kann sehr wohl aussuchen, welche Lieferjahre er einklagt und welche nicht. Und Kläger ist in dieser Sache im Regelfall das EVU. Der typische Protestkunde kürzt eher die Forderungen des EVU und klagt nicht selber.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Martinus11 am 01. September 2016, 19:09:38

Natürlich führt man als EVU den Nachweis nicht aus Spass an der Freude, sondern nur wenn er unvermeidbar ist. Aber zwischen der Überprüfung der Billigkeit und der vollständigen Offenlegung der Preiskalkulation ist noch viel Raum.
Lügen ist da eine eher schlechte Idee.


Wer die Klage erhebt kann sehr wohl aussuchen, welche Lieferjahre er einklagt und welche nicht. Und Kläger ist in dieser Sache im Regelfall das EVU.


Nicht die vollständige Offenlegung der Preiskalkulation (wird es die jemals geben? Ist das nicht praxisfremd?), sondern einzig die Weitergabe deutlich und nachweisbar gesunkener Bezugspreise an den Verbraucher. Ich denke, je anspruchsloser die Billigkeitsprüfung ausfallen muss, desto mehr kann man den EVUs zumuten und desto praxisnäher ist es, sich tatsächlich mal "ein wenig" in die Karten schauen lassen zu müssen.
Ich habe nicht BWL studiert, aber so einfach ist die Kosten- und die Gewinnseite vielleicht gar nicht zu trennen bei einer Überprüfung, wenn man etwas zu verstecken hat.


Der Kläger kann sich grundsätzlich natürlich aussuchen, welche Jahre er einklagen will. Er ist der aktive Teil. Aber jeder betreffende Einzelfall gibt einen Rahmen vor. In vielen Fällen werden es z.B. drei noch nicht verjährte Jahre sein (nur als Beispiel). Und der Kläger wird vielleicht gar nicht damit rechnen bei Klageerhebung, dass er in die Verlegenheit einer Billigkeitsüberprüfung "nur" der Kostenseite kommt.
Ich bezweifle außerdem, dass es überhaupt Jahre gibt, in denen ganz klar das EVU zu Gunsten der Verbraucherpreise Bezugskostensenkungen weitergegeben hat bzw. nur Kostensteigerungen in der Preiserhöhung stecken.


Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Martinus11 am 05. September 2016, 16:23:15
Wen's noch interessiert: ich habe ein paar Urteile gefunden, in denen die Versorger nachgewiesen haben, dass sie "nur Kostensteigerungen weitergegeben haben". Diese vereinfachte Form von Billigkeitsprüfung scheint also schon einige Male stattgefunden zu haben.

Scheint im Wesentlichen so zu laufen, dass höhere Mitarbeiter zu Zeugen berufen werden, manchmal werden unabhängige Gutachter eingeschaltet.


Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: userD0010 am 06. September 2016, 08:54:28
@Martinus11
Zitat: manchmal werden unabhängige Gutachter eingeschaltet

Die Frage ist, wie unabhängig diese sog. unabhängigen Gutachter sind. Und letztendlich wissen die EVU sehr genau, wie man eine gepflegte Kostenverteilung und -Struktur darstellen kann, damit kein Ungemach droht.
Nehmen Sie doch nur die veröffentlichten Statistiken.  Da werden auch Vergleichsdaten produziert, die schon bei bloßem Betrachten ihre Unsinnigkeit erkennen lassen.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: Martinus11 am 06. September 2016, 10:55:17
Schon klar...

Jenseits der rechtlichen Beurteilung erwarte ich auch keineswegs, dass die Versorger fair sind und natürlich tricksen sie. Ich sehe es ja an meiner Klage. Da wird einfach mal behauptet, es sei eine Grundversorgung ganz regulär und normal zustande gekommen, obwohl ich dem per dreimonatigen Schriftverkehr mit mehrfachem Hin und Her ständig widersprochen habe. Diese drei Monate verschweigen sie komplett und legen einen neuen Beginn der Zeitrechnung fest.

Man muss das halt einkalkulieren in sein eigenes Verhalten. Wenn man es vorher weiß und sich darauf einstellt, dann kann es einem sogar helfen, weil man wachsam ist und alles belegt. Nach dem Motte "Ah, der Kläger verschweigt das komplett, also muss er es wohl fürchten und deshalb stürze ich mich erst recht auf diese Sache".

Das Verlangen nach Billigkeitsüberprüfung bez.  "reiner Kostensteigerungsweitergabe" könnte allenfalls wegen des Aufwandes das EVU abschrecken. Und auch das macht nur Sinn, wenn man noch andere Trümpfe hat. Sonst geht der Schuss vermutlich nach hinten los. So würde ich es im Moment sehen.
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: DieAdmin am 11. Oktober 2016, 08:47:17
In diesen Thread passt die heutige Meldung:

Preiserhöhungen in der Grundversorgung: Eine von drei Verfassungsklagen nicht angenommen
http://www.energieverbraucher.de/de/site__1700/?contId=16721#con-16721
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: userD0010 am 11. Oktober 2016, 09:02:56
Was sonst hätte man vom VIII Senat erwarten dürfen? 
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: bolli am 12. Oktober 2016, 09:42:57
Was bitteschön hat der VIII. Senat des BGH mit der Frage der Annahme der Verfassungsbeschwerde zu tun ?
Titel: Re: "Der BGH läuft Amok" (Urteil vom 28.10.2015 vs. § 315)
Beitrag von: userD0010 am 12. Oktober 2016, 09:56:46
NIX, Herr Bolli !