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Autor Thema: Landeskartellbehörde BW: Stellungnahme zu Gaspreiserhöhungen  (Gelesen 5846 mal)

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Offline MartinG

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Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde schreibt zu den gestiegenen Gaspreisen der Stadtwerke Backnang Folgendes:

\"[...] Begründet werden die jüngsten Preissteigerungen von den Gasversorgungsunternehmen mit stark gestiegenen Gasbezugskosten, deren Ursache in deutlich höheren Heizölpreisen in 2004 und zu Anfang 2005 liegen. Die Bindung des Gaspreises an die Entwicklung des Heizölpreises ist auf Regelungen in den langfristigen Erdgasbezugs- und Erdgasabsatzverträgen zurückzuführen. Dies ist rechtlich zwar nicht vorgeschrieben; vielmehr handelt es sich hierbei um vertragliche Vereinbarungen insbesondere zwischen den Gasproduzenten (u.a. aus Russland, Norwegen, Niederlande) und den deutschen Gasimporteuren (u.a. Ruhrgas, WinGas).

Das Bundeskartellamt in Bonn prüft derzeit, ob diese Preisgleitklausel ein wettbewerbsrechtlich zulässiges Preisbildungsinstrument ist und ob die Gasversorgungsunternehmen ihre Preissetzungsspielräume missbrauchsfrei gestalten. Das Ergebnis dieser Prüfung bleibt abzuwarten und wird dann zu gegebener Zeit voraussichtlich in der Presse veröffentlicht.

Bezüglich der konkreten Preiserhöhungen bei Ihrem Gasversorgungsunternehmen wäre anzumerken, dass die Gaspreise von den 107 selbständigen Gasversorgungsunternehmen in Baden-Württemberg in eigener Verantwortung festgesetzt werden. Eine staatliche Genehmigungspflicht besteht seit 1959 nicht mehr.

Die Landeskartellbehörde kann im Wege der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht nur dann eingreifen, d.h. ein kartellrechtliches Verfahren durchführen, wenn ein einzelnes Gasversorgungsunternehmen seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt.
In diesem Zusammenhang wurde von der Landeskartellbehörde vorrangig untersucht, inwieweit über die vorgenommenen Preiserhöhungen, wie von dem Gasversorgungsunternehmen im allgemeinen kommuniziert, tatsächlich nur die gestiegenen Gasbezugskosten weitergewälzt wurden. Sollten die gestiegenen Gasbezugskosten vom Unternehmen eins zu eins über die Preise weitergegeben worden sein, so sieht die Landeskartellbehörde grundsätzlich keinen Anlass für ein weiteres Tätigwerden.

Von der SWB wurden die Arbeitspreise zum 01.01.2005 um rd. 0,61 Cent/kWh erhöht. Eine weitere Preiserhöhung zum 01.04. und 01.07.2005 ist nach Angaben der SWB nicht beabsichtigt.
Nach Auswertung der übersandten Unterlagen und Erläuterungen werden von der SWB die höheren Gasbezugskosten vom Vorlieferanten im Betrachtungszeitraum April 2004 bis einschließlich April 2005 nahezu eins zu eins, d.h. zumindest erlösneutral, durch die genannte Preiserhöhung an die Endkunden weitergegeben. Im Betrachtungszeitraum liegt die vorgenommene Gaspreiserhöhung zum 01.01.2005 sogar unter den bisher vom Vorlieferanten berechneten und bis einschließlich Juli 2005 angekündigten Gasbezugspreiserhöhungen.

Aus Sicht der Landeskartellbehörde liegen daher keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Erhöhung der Erdgaspreise durch die SWB vor, insbesondere keine willkürliche Preisanpassung und willkürliche Variabilität des Preiserhöhungszeitpunktes.\"

Gruß
MG

Offline Cremer

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Landeskartellbehörde BW: Stellungnahme zu Gaspreiserhöhungen
« Antwort #1 am: 04. April 2005, 07:50:33 »
@ MartinG

Nun, so ähnlich sieht es auch die Landeskartellbehörde in Rheinland-Pfalz.

Nach persönlicher tel. Rücksprache mit der zuständigen Referatsleiterin sieht diese auch ihre Möglichkeiten als Kartellbehörde in dem gleichen Rahmen.

Die Landeskartellbehörden bei den Wirtschaftministerien prüfen im Rahmen ihrer Zuständigkeit nur, ob Gasversorger außerhalb der marktüblichen Preise liegt oder nicht (marktbeherschende Stellung). Sie prüfen nicht, ob die Gewinnmarge/Kalkulationsfaktoren des Verkaufspreises zum Einkausfpreis eines Versorger billig ist.

Deshalb ist es für eine Landeskartellbehörde unerheblich und interessiert sie nicht, ob ein Versorger nur 3-5% Gewinn oder sogar, wie in unserem Fall Stadtwerke Kreuznach 15% Gewinn vor Zinsen Steuern (EBIT) macht (Nach Steuer sind dies immernoch 11%).
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline RR-E-ft

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Landeskartellbehörde BW: Stellungnahme zu Gaspreiserhöhungen
« Antwort #2 am: 04. April 2005, 18:41:13 »
Es wird ersichtlich, dass die Gaspreise entgegen der Mitteilung vieler Versorger keiner Genehmigungspflicht unterliegen und deshalb auch gar nicht \"genehmigt\" werden.

Auch prüfen die Kartellbehörden grundsätzlich nicht, ob die Preise selbst oder Preiserhöhungen \"angemessen\" sind.

Der Verbraucher selbst kann schon gar nicht wissen, welche Zahlen die Gasversorger den Kartellbehörden mitgeteilt haben und ob dabei alles seine Ordnung hatte.

So hat der BGH bei Stromtarifgenehmigungsverfahren im Urteil vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02 festgestellt, dass der Versorger zum Nachweis der Billigkeit der geforderten Strompreise selbst im Falle eines Rückerstattungsprozesses eines Kunden nach zunächst vollkommen vorbehaltloser Zahlung durch diesen zumindest die erteilte Tarifgenehmig nachweisen und alle Tarifgenehmigungsunterlagen einschließlich der Kostenträgerrechnungen offen legen muss, damit der Kunde prüfen kann, ob diese etwa Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Genehmigungsverfahrens gebieren.

Gasversorger, die sich auf die Prüfung der Landeskartellbehörde berufen, sollten demnach neben der Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen dazu aufgefordert werden, zumindest alle mit den Kartellbehörden geführte Korrespondenz in Abschrift vorzulegen.

Der Verbraucher war schließlich an den entsprechenden Verfahren nicht beteiligt und kann gar nicht wissen, ob alles ordnungsgemäß ablief.

Wie ersichtlich reicht es oftmals aus, dass Gasversorger geloben, auf weitere Preiserhöhungen vorerst zu verzeichtn oder diese geringer ausfallen zu lassen, um ein Kartellverfahren abzuwenden.

Dann müßten aber die vorherigen Preiserhöhungen wohl in jedem Falle schon zu hoch gewesen sein und die Kunden müßten also eigentlich Geld zurückverlangen können, da die Preise vom Versorger ersichtlich \"vorsorglich\" erhöht worden waren, selbstredend vor oder während der Heizperiode.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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