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Autor Thema: Neue Frage an alle Rechtsexperten zu Zahlung unter Vorbehalt  (Gelesen 9250 mal)

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Offline Rebell

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Hallo an alle,

die Fragen zu den Zahlungen unter Vorbehalt wurden ja schon reichlich diskutiert, aber mal was anderes. An unsere Bügerinitiative in Gevelsberg
werden jetzt immer mehr Fragen gestellt.
Wie verhält es sich wenn ein Kunde den Widerspruch abgeschickt hat, dann von unserem EVU (hier die AVU) buchstäblich überredet oder genötigt wird unter Vorbehalt zu zahlen unter der Angabe das Landeskartellamt überprüft ja die Preise. Wenn das Landeskartellamt nun zu dem Ergebnis kommt, die Preisgestaltung ist nicht missbräuchlich kann man dann immer noch die unbillige Preiserhöhung beim Amtsgericht einklagen? Der Kunde hat vorher ja dem EVU schriftl. oder mdl. erklärt das er unter Vorbehalt zahlt.

Zur Info: wir haben jedem geraten nicht unter Vorbehalt zu zahlen (die Gründe sind ja völlig klar) und nur den alten Arbeitspreis zzgl. Sicherheitsaufschlag zu zahlen. Ich habe auch schon mit dem Landeskartellamt in Düsseldorf telefoniert, dort wurde mir auch bestätigt, daß nur die Missbräuchlichkeit und nicht die Billigkeit überprüft wird.
Mir scheint auch das die AVU dazu übergegangen ist die Kunden einzuschüchtern. Dies belegt z.B. eine E-Mail von gestern an uns. Dort schrieb eine Kundin an uns (sie hat schon mehere Schreiben der AVU erhalten)

Auszug:
Auf dieses Schreiben habe ich nicht geantwortet. Daraufhin erhielt ich ca. 4 Wochen später einen Anruf eines Mitarbeiters der AVU. Er empfahl mir dringend, diesen Vorbehalt anzunehmen, da ein Gerichtsverfahren für mich sehr teuer werden würde. Außerdem sagte er mir, dass ich ja einen Sondertarif hätte (von dem ich bislang noch gar nichts wußte, weil ich ohne mein Dazutun von der AVU in diesen Tarif eingestuft wurde)und die AVU mir diesen Sondertarif jederzeit wegnehmen könnte und ich dann noch viel mehr als jetzt bezahlen müsse. Diese Äußerung war ganz klar eine Drohung, was mich sehr verärgert hat.

Nunmehr habe ich erneut ein Schreiben der AVU erhalten, worin mir nochmals nahegelegt wird, eine Vorbehaltserklärung abzugeben. Außerdem wird mir mit Mahngebühren und Verzugszinsen gedroht, sofern ich die Jahresrechnung kürze.


Nach meinem ganzen Geschreibe nun nochmal die Fragen, kann der Kunde denn noch die Unbilligkeit der Preiserhöhung einklagen und könnte er gegebenenfalls seine Zahlung unter Vorbehalt auch wieder zurückziehen und den Abschlagsbetrag auf altes Arbeitspreisniveau kürzen auch wenn er dies vorher der AVU erklärt hat?

Grüße aus Gevelsberg

Maik Kranz

Offline RR-E-ft

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Neue Frage an alle Rechtsexperten zu Zahlung unter Vorbehalt
« Antwort #1 am: 09. Februar 2005, 17:35:35 »
Ohne, dass ich zu Vorbehaltszahlungen rate, da ich diese für ungeeignet halte:

Die \"Masche\" läuft derzeit in ganz Deutschland.
So haben es z.B. auch Sächsische Stadtwerke ihren Kunden geschrieben.

Hierzu muss man wissen, dass die Versorger in BGW- und VDEW- Landesgruppen organisiert sind und über diese ihr Vorgehen wegen der Zahlungsverweigerer abstimmen. Beobachter der entsprechenden Verbände und deren Rechtsberater nehmen an vielen Veranstaltungen von Bürgerinitiativen teil. Viele Kollegen kennt man.

So wird es die Paderborner nicht verwundern zu erfahren, dass der \"große Warner\" vom Abend im HNF am 21.01.2005, der bereits tags zuvor in Münster einen Auftritt hatte, nun auch in dem Verfahren vor dem Amtsgericht in Heilbronn beteiligt war.

Nicht zuletzt wird dadurch wohl auch erklärlich, weshalb die Schreiben der Versorger in ganz Deutschland oft die selben Mustertextbausteine enthalten. Die entsprechenden Passagen denken sich die Geschäftsführer ja nicht jeden Tag neu aus.

Dieser Beitrag ist interessant:

http://www.stadtwerke-muenster.de/unternehmen/pressemeldungen/20041227_preise.cfm


Dem Kunden wird suggeriert, eine kartellrechtliche Missbrauchsverfügung hätte auch eine rückwirkende Preissenkung zur Folge, was nicht der Fall ist. Alle Kunden würden in jedem Falle - auch vollkommen ohne Widerspruch - Geld zurück erhalten. Die guten Stadtwerke, beraten ihre Kunden besser als die Verbraucherzentralen. Auf solche Ratschläge möchte man vertrauen. Wenn sich später jemand darauf berufen wollte, wird ggf. noch der Geschäftsführer ausgetauscht und niemand kann sich mehr an etwas erinnern....

Was den Gasversorger eine Vorbehaltszahlung der Kunden überhaupt interessiert, ist hier nachzulesen:

http://www.taz.de/pt/2005/02/10/a0031.nf/text


Zur Frage:

Bei Vorbehaltszahlungen muss der Kunde schriftlich erklären, dass er seine Zahlungen nur noch unter dem Vorbehalt der Rückforderung leistet und sich eine gerichtliche Überprüfung der Billigkeit der geforderten Preise ausdrücklich vorbehält.

Er sollte den Vorbehalt keinesfalls so einschränken, wie es die Versorger verlangen:

Vorbehalt der Rückforderung nur für den Fall, dass die Kartellbehörde die Preise (innerhalb eines Jahres) als missbräuchlich überhöht beanstandet o. ä..  Das ist eine Falle!

Der aufmerksame Leser des Forums weiß, dass die Nichteinleitung eines Kartellverfahrens noch nichts über die Angemessenheit der Preiserhöhungen, also die Billigkeit besagt.

Ein unabhängiges Gericht kann diese Frage nur beurteilen, wenn die Preiskalkulation offen gelegt wird.

Zudem kann ein bisheriger \"Vorbehaltszahler\" jederzeit zum \"Nichtzahler/ Nichtvollständigzahler\" wechseln.

Beachtet werden muss dabei jedoch, dass vor einer entsprechenden Kürzung nochmals die Unbilligkeit eingewandt wird und der Versorger unmissverständlich darauf hingewiesen wird, dass die Kürzungen nur wegen des bisher fehlenden Nachweises der Billigkeit der Preiserhöhung durch Offenlegung der Preiskalkulation erfolgt.

Erst danach kann mit dem Kürzen begonnen werden.

Die durch die bis dahin geleisteten Vorbehaltszahlungen erfolgten Überzahlungen muss der Kunde jedoch dann gegenüber dem Versorger einklagen, da er gem. § 31 AVBV nicht aufrechnen darf.

Und das ist ja bekanntlich der Haken an der Geschichte.

Wenn Sie einen \"Lakmustest\" machen wollen, ob es Ihr Versorger ehrlich mit Ihnen meint, schreiben Sie Ihrem Versorger, dass Sie zu Vorbahaltszahlungen bereit wären, wenn dieser Ihnen gegenüber schriftlich und rechtsverbindlich unterzeichnet  erklärt, sich in der Zukunft nicht auf das Aufrechnungsverbot des § 31 AVBGasV/ AVBEltV zu berufen.

Vielleicht gelingt es noch, \"Vorbehaltszahler\" umzustimmen.

Denn nur über den resultierenden Druck einer Preisverweigerung können die Versorger überhaupt nur gezwungen werden, selbst vor Gericht ihre Preiskalkulationen offen zu legen. Anders ist dies ja kaum möglich.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Cremer

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Neue Frage an alle Rechtsexperten zu Zahlung unter Vorbehalt
« Antwort #2 am: 09. Februar 2005, 21:06:35 »
Hallo

ich kann nur den Ausführungen von Herrn Fricke beipflichten

Hier bei uns in Bad Kreuznach gibt es von den Stadtwerken einen sogenannten Energieclub. Dieser gewährt unter der Bedingung der Gewährung der Einzugsermächtigung 10% Rabatt auf den Arbeitspreis. Ca. 50% der Haushaltungen von etwa insgesamt 62.000 sind im Energieclub für Strom und nur 20% im Energieclub für Gas.

Da wir, ca. 65-70 Widersprüchler, die Einzugsermächtigung auf einen max. Betrag begrenzt haben (Preise Sep. 2004 +2%) wurden die Einzugsermächtigungn insgesamt zurückgegeben, weil (fadenscheinliche Behauptung) diesnicht mit dem Abrechnungswesen vereinbar ist. Somit sind wir nicht mehr Mitrglied im Energieclub. Es sei denn wir unterzeichnen bis zum 10.2. eine sogenannte Einverständniserklärung.

Diese sagt aus, dass wir \"unter dem Vorbehalt der Rechtmäßigkeit und Angemessenheit der Gaspreise der Stadtwerke Bad Kreuznach stehen\".

Das ist die gleiche Masche  wie oben geschildert und die in ganz Deutschland zur Zeit abläuft!!!  

Erst mal unter Vorbehalt zahlen und dann muss man als Kunde klagen. Die Versorger haben somit ihr \"Schäfchen, sprich Geld, im Trockenen\".
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline Rebell

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Neue Frage an alle Rechtsexperten zu Zahlung unter Vorbehalt
« Antwort #3 am: 10. Februar 2005, 11:45:00 »
Danke für die schnellen Antworten,

ich habs mir ungefähr so gedacht, nur kennt man als juristischer Laie nicht die Spitzfindigkeiten in der Wortwahl.
Nach Stellungnahmen der AVU in der Presse ergibt sich momentan folgendes:

Bislang sind ca. 1000 Widerspruchsbriefe bei der AVu eingegangen; man konnte mit fast allen Kunden eine Zahlung unter Vorbehalt vereinbaren; nur 8-10 haben Ihre Zahlungen gekürzt.

Ich hoffe wir können über die Presse noch einige zum Nachdenken anregen.

Grüße Maik Kranz

Offline Harry01

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Neue Frage an alle Rechtsexperten zu Zahlung unter Vorbehalt
« Antwort #4 am: 10. Februar 2005, 14:49:44 »
Hallo Rebell!

Zitat
Bislang sind ca. 1000 Widerspruchsbriefe bei der AVu eingegangen; man konnte mit fast allen Kunden eine Zahlung unter Vorbehalt vereinbaren; nur 8-10 haben Ihre Zahlungen gekürzt.


Das würde ja belegen, daß die Einschüchterungsmasche der EVU`s funktioniert. Das ist echt traurig. Anders gesehen ist es natürlich gut für die wenigen Kunden, die die Einzugsermächtigung begrenzt oder ganz entzogen haben. Das Geld von den Vorbehaltszahlern ist definitiv verloren bzw. den EVU`s sicher, wenn sie nicht selbst klagen. Im Gegenzug werden die EVU`s für die übrigen Kunden auf eine Klage und der Offenlegung der Kalkulation verzichten, weil sich das Risiko, die Klage zu verlieren, unverhältnismäßig wäre. Somit ist es unwahrscheinlich, daß die zurückbehaltenen Beträge jemals eingefordert werden.

Offline Rebell

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Neue Frage an alle Rechtsexperten zu Zahlung unter Vorbehalt
« Antwort #5 am: 14. Februar 2005, 14:03:44 »
Hallo zusammen,

ich habe heute ein Formular erhalten wo die AVU die Zahlungen unter Vorbehalt akzeptiert.

Hier der Text:

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich erkläre hiermit, dass ich die Rechnungen der AVU in 2005 nur unter Protest begleichen werde. Falls eine Einzugsermächtigung erteilt ist, erhalte ich diese Aufrecht, erkläre aber ausdrücklich, dass damit kein Zugeständnis verbunden ist, dass ich die Preise der AVU akzeptiere.

Ich erkläre ausdrücklich, dass ich meine Zahlungen unter Vorbehalt leiste. Kommt die Landeskartellbehörde zu dem Ergebnis, dass die Preisanpassung nicht angemessen war, zahlt die AVU die zuviel gezahlten Beträge zurück.


Darunter kommen noch Felder für Name, Kd.-Nr. usw. und ganz wichtig eine Zeile für die Unterschrift.

Jetzt ist mir auch klar weshalb sowenig ihre Abschlagsbeträge gekürzt haben.

Ich hoffe wir können über die Presse so viele Kunden wie möglich, zu den von Herrn Fricke vorgeschlagenen Möglichkeiten, informieren.

 

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