Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Durch Tarifwechsel automatisch Sondervertragskunde und mögliche Folgen für den Widerspruch?  (Gelesen 8503 mal)

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Offline Rippraff

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Hallo zusammen!

Nachdem in diesem Thread leider keine Antworten auf Fragen von ubu, daniela und mir kommen, womöglich weil der Titel \"Vattenfall Berlin (Bewag), Strom- und Netzkosten\" etwas zu allgemein gehalten ist, versuche ich es hier noch einmal, zumal ich nun wirklich dringend Hilfe benötige, da in zwei Tagen mein Tarif umgestellt wird.

Wie im anderen Thread bereits geschrieben, bin ich im Grundversorgungstarif (Berlin Klassik) von Vattenfall Berlin eingestuft und zum 1.7.07 werden die Preise deutlich angehoben (Verbrauchspreis 5,5%, Grundpreis 20,2%).

Ich habe bisher keinen Unbilligkeitseinwand bei meinem Stromanbieter geführt, sondern habe mich lediglich gegen meinen Gasanbieter gewehrt. Das möchte ich nun aber nachholen, bin mir aber in diesem Fall nicht im klaren, wie am günstigsten vorgehen:

1. Ich widerspreche den Preiserhöhungen und rüge den Gesamtpreis als unbillig, stelle meine eigene Rechnung auf und kürze in Zukunft meine Zahlungen, also wie bei Gas auch.

2. Ich wechsele in den weitaus günstigeren Tarif Berlin Easy Privatstrom und verfahre dann wie unter 1.

Die zweite Variante hätte den Vorteil, sollte ich bei einem eventuell stattfindenden Prozess unterliegen, würde ich Vattenfall weniger Geld schulden.
Was ich allerdings nicht ganz begreife: Wenn ich quasi freiwillig in einen günstigeren Tarif wechsele, werde ich wohl Sondervertragskunde. Bedeutet dies dann, dass ich durch den Wechsel automatisch die dort geltenden Preise akzeptiere und gar nicht mehr §315 BGB anführen kann?

Ich möchte mir natürlich ungern selber Knüppel zwischen die Beine werfen und wäre dankbar, wenn mir jemand mitteilen könnte, welches Vorgehen sinniger wäre.

Schöne Grüße aus Berlin,
Rippraff


@Cremer
Ich bin mir bewusst, dass Crossposting eine unschöne Sache ist und hätte auch nichts dagegen, wenn dieser Thread gleich wieder geschlossen wird und es im Ursprungsthread weitergeht. Dann würden das wohl auch ubu und daniela eher mitbekommen. ;)
Wer weiß, wovon er redet, kann es sich leisten, sich verständlich auszudrücken.

Offline RR-E-ft

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@Rippraff

§ 315 BGB greift nur, soweit einseitige Preisfestelegungen des Lieferanten bei oder nach Vertragsabschluss vorliegen.

Wenn man freiweillig einen bestimmten, bestehenden Tarif wählt - gerade weil er günstig ist - so einigt man sich bei Vertragsabschluss auf diesen Preis und kann ihn hiernach nicht angreifen. Man wurde schließlich nicht gezwungen diesen günstigeren tarif zu wählen. Man hätte Vattenfall ja auch den Rücken kehren können, wie so viele in diesen Tagen.

Da wird einem Vattenfall wohl später entgegenhalten, wenn man jetzt freiwillig einen günstigeren Tarif wählt und sich danach beschwert, dieser sei nicht angemessen.

Wo der bisherige Vertrag nicht wirksam gekündigt wurde, besteht er fort und auch Vattenfall ist daran gebunden.

Ob im bisherigen Vertragsverhältnis überhaupt ein Recht zu einseitigen Preisänderungen besteht, ist eine Frage des Einzelfalles.

Möglicherweise greift also bei einzelnen Preiserhöhungen in laufenden Verträgen § 315 BGB allein deshalb nicht, weil der Lieferant - etwa infolge einer gem. § 307 BGB unwirksamen Preisänderungsklausel in AGB - überhaupt nicht zu einseitigen Preisänderungen berechtigt ist, so dass es auf eine Billigkeit gar nicht erst ankommt, vgl. nur Gaspreisurteil des LG Berlin in Sachen Gasag.

Offline Rippraff

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Besten Dank, Herr Fricke, für die prompte Antwort!
Zitat
Original von RR-E-ft
Ob im bisherigen Vertragsverhältnis überhaupt ein Recht zu einseitigen Preisänderungen besteht, ist eine Frage des Einzelfalles.

Möglicherweise greift also bei einzelnen Preiserhöhungen in laufenden Verträgen § 315 BGB allein deshalb nicht, weil der Lieferant - etwa infolge einer gem. § 307 BGB unwirksamen Preisänderungsklausel in AGB - überhaupt nicht zu einseitigen Preisänderungen berechtigt ist, so dass es auf eine Billigkeit gar nicht erst ankommt, vgl. nur Gaspreisurteil des LG Berlin in Sachen Gasag.
Wie bekommt man das heraus, ob ein Recht zu einseitigen Preisänderungen besteht?

Nach der Entnahme bekam ich 2002 eine schriftliche Bestätigung der Bewag, dass ein Stromlieferungsvertrag zustande gekommen sei, dass ich zum \"allgemeinen Tarif BerlinKlassik\" eingestuft wurde und für mich die (beiliegende) AVBeltV gelten würde.

Dazu die beiden lapidare Sätze: \"Eine gesonderte Benachrichtigung über Preisänderungen aus diesem Vertrag ist nicht erforderlich. Den aktuellen Preis entnehmen Sie bitte Ihrer Stromrechnung.\"

Gruß, Rippraff
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Offline RR-E-ft

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@Rippraff

Selbst wenn sich ein Recht zur einseitigen Preisänderung aus einer Verordnung ergeben sollte, unterliegt eine solche Preisänderung doch der Billigkeitskontrolle, so dass ein entsprechender Nachweis verlangt werden kann....

Als Tarifkunde hatte man die jeweils aktuellen Preise nicht der Rechnung, sondern den öffentlichen Bekanntmachungen gem. § 4 Abs. 2 AVBEltV zu entnehmen.

Die Preise  mussten feststehen, bevor die Rechnungen erstellt wurden (weil sie dafür benötigt wurden), und konnten sich deshalb denknotwendig nicht erst aus der Rechnung selbst ergeben.

Offline Rippraff

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@RR-E-ft

Schön, die Bewag hat also seinerzeit unsinniges Zeug an mich geschrieben, was mir aber nach wie vor unklar ist, inwieweit man im Widerspruch nun §315 oder §307 oder gar beide anführen sollte?

Gruß,
Rippraff
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Offline eislud

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@Rippraff

im Musterbrief des Bundes der Energieverbraucher sind beide Aspekte, also § 307 und § 315, berücksichtigt worden. Das sicherlich schon deshalb, weil die Vertragsgestaltung nicht immer eine eindeutige Zuordnung zu Grundversorgungsvertrag oder Sondervertrag zuläßt.
Musterschreiben an den Gas- / Stromversorger

In Kürze:
Wenn Grundversorgung, dann regelmäßig einseitige Leistungsbestimmung und damit § 315 BGB.
Wenn außerhalb der Grundversorgung, dann regelmäßig keine einseitige Leistungsbestimmung, sondern Einigung auf Anfangspreis und Preisanpassungsklausel die dem Transparenzgebot des § 307 BGB unterliegt.

Vielleicht auch mal noch grundsätzlich in den ersten Beiträgen im Forum Grundsatzfragen oder beim Bund der Energieverbraucher hier stöbern.

 Gruss eislud

 

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