Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Preisgleitklausel schließt § 315 aus ?  (Gelesen 10005 mal)

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Offline gynterfriedrich

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Preisgleitklausel schließt § 315 aus ?
« am: 13. März 2006, 12:28:29 »
Ist bei einem Gassondervertrag mit Preisgleitklausel der §315 nicht anwendbar ?

In einem Mahnschreiben auf meinen Widerspruch zu Gaspreiserhöhung zum 1.10.06 argumentieren die Stadtwerke Dreieich:

Die Billigkeitskontrolle nach §315 BGB setzt voraus, dass der Gaspreis einseitig vom Versorgungsunternehmer festgelegt wird. \"Fehlt es an einem eiseitigen Preisbestimmungsrecht, ist sowohl eine direkte als auch indirekte Anwendung des § 315 BGB ausgeschlossen \"...
Vorliegend wurde in dem mit Ihnen geschlossenen Gassondervertrag eine sog. Preisgleitklausel vereinbart, die den Preis für Gasleiferungen nach einer Kalkulationsformel festlegt ... AP = 0,092 HEL ... Der Arbeitspreis hängt somit von objektiven Kriterien ab. Bei einer Preiserhöhung auf der Grundlage einer Preisgleitklausel ist die Erhöhung nicht nach §315 BGB gerichtlich überprüfbar, weil keine einseitige Leistungsbestimmung vorliegt ...

In meinem Versorgungsvertrag von 1995 ist lediglich erwähnt: der Arbeitspreis ändert sich in Abhängigkeit vom Heizölpreis. Die Stadtwerke drohen nun, den von mir einbehaltenen Teil der Nachzahlung (130 Euro) gerichtlich durchzusetzen.

Muß ich nun die Segel streichen ? Wie teuer kann eine gerichtliche Auseinandersetzung für mich werden ?

Offline Cremer

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Preisgleitklausel schließt § 315 aus ?
« Antwort #1 am: 13. März 2006, 12:45:02 »
@gynterfriedrich,

Bitte Lesen Sie die Threads der vergangenen Wochen, insbesondere bei Grundsatzfragen, ist zwar viel Arbeit, gibt aber viel her.

Ferne rbitte unter energienetz.de lesen \"Fragen  und Antworten\" etc.

Wir können nicht für jeden neuen Leser alle Argumente erneut wiederholen, haben Sie bitte dafür Verständnis.

In Ihrem Fall gilt ebenfalls bei dem (allgemeinen) Sondervertrag, es ist ja ein Tarifvertrag, die Anwendbarkeit des § 315 BGB.
MFG
Gerd Cremer
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Offline gynterfriedrich

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Preisgleitklausel schließt § 315 aus ?
« Antwort #2 am: 13. März 2006, 13:19:36 »
Leider sind die Ausführungen hier für einen einfach gestrickten Menschen wie mich genauso wenig Hilfe wie die Argumente der Stadtwerke...

Ja was ist denn nun ? ...
Mit einem runtergeladenen 11seitigen Urteil zum Thema und einem unverbindlichen Satz wie \"Preisgleitklauseln sind  O F T nicht geeignet, die Billigkeitskontrolle nach § 315 abzuwenden\" gewinne ich keine Klarheit und muß es lassen oder einen Rechtsanwalt persönlich aufsuchen.

Vielen Dank für die nunterlassene Hilfeleistung

Offline Napez

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Preisgleitklausel schließt § 315 aus ?
« Antwort #3 am: 13. März 2006, 13:37:15 »
@gynterfriedrich

Jetzt sollten wir den Ball aber mal ein wenig flach halten. Natürlich kann in diesem Forum nicht jeder eine Einzelberatung erwarten. Am besten mal unter dem Stichwort \"Preisgleitklausel\" suchen. Auch im entsprechenden Themenbereich mal schauen, ob über den eigenen Anbieter schon etwas vermeldet wurde. Man ist hier ganz selten der Erste mit einem Problem. Für mich sieht das im konkreten Fall nach dem üblichen Bluff der Energieversorger aus. Sie versuchen es halt. Frustriert sich seinem Schicksal ergeben, ist mit Sicherheit die unsinnigste Lösung.

Gruß

Napez

Offline gynterfriedrich

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Preisgleitklausel schließt § 315 aus ?
« Antwort #4 am: 13. März 2006, 13:40:02 »
Sorry, der Ton war etwas daneben, aber ich habe bisher wirklich nichts handfestes gefunden. Danke für die Suchtipps


Offline gynterfriedrich

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Preisgleitklausel schließt § 315 aus ?
« Antwort #6 am: 13. März 2006, 18:34:39 »
Habe aufgrund Ihrer Links soeben geantwortet. Tausend Dank.
Bin jetzt gespannt was da noch kommt

Grüsse aus Dreieich

Offline Cremer

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Preisgleitklausel schließt § 315 aus ?
« Antwort #7 am: 13. März 2006, 19:50:29 »
@gynterfriedrich,

lesen Sie meien letzten Satz:

Widerspruch gemäß § 315 BGB ist auch in Ihrem Fall anwendbar.
MFG
Gerd Cremer
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Offline Graf Koks

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Preisgleitklausel schließt § 315 aus ?
« Antwort #8 am: 13. März 2006, 22:53:23 »
@gynterfriedrich:


Das LG Neuruppin hat in einer gut begründeten Entscheidung zum Geschäftszeichen 2 O 28/05 festgestellt, dass sowohl die Kostenelemente einer Preisgleitklausel als auch deren konkrete Anwendung der Kontrolle nach § 315 BGB unterliegen.

Dieses Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Hier die Fundstelle:

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/LG_Neuruppin_050603.pdf


Viel Freude beim Lesen wünscht



Graf Koks

Offline RR-E-ft

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Preisgleitklausel schließt § 315 aus ?
« Antwort #9 am: 22. März 2006, 12:21:18 »
Wo Gasversorger die Arbeitspreise insgesamt an HEL gekoppelt haben, verstößt dies gegen §§ 307, 315 BGB.

Solche einseitig gestellten HEL- Klauseln in Gaslieferungsverträgen  unterliegen nach dem Urteil des OLG Rostock, RdE 2005, 171 der Inhaltskontrolle nach den genannten Vorschriften.

Der Teil des Arbeitspreises, welcher auf die Netznutzung entfällt, verteuert sich nämlich bei HEL- Preiserhöhungen auch.

Den entsprechenden Mehrerlösen stehen jedoch auf der Beschaffungsseite keine gestiegenen Kosten gegenüber:

Allenfalls der Gasbezug könnte sich entsprechend verteuert haben, nicht jedoch die Kosten des eigenen Verteilnetzes.

Wo deshalb Mehrerlösen keine gestiegenen Kosten gegenüberstehen, führt dies zwangsläufig zur Erhöhung des in die Preise einkalkulierten Gewinnannteils, ist also unbillig im Sinne von § 315 BGB.

Dieser Effekt wirkt nicht nur auf der Absatzseite, sondern wird durch einen ebensolchen Leverage- Effekt auf der Bezugsseite noch verstärkt, wenn die Bezugspreise nicht in Gasbezug einerseits und Netznutzung andererseits aufgespalten sind.

Auch beim Vorlieferanten verteuert sich nur das Gas selbst, nicht jeoch dessen Verteilnetz.

Über die kaskadierten Hebelwirkungen muss es also nicht verwundern, wenn plötzlich die Verbraucherpreise viel stärker steigen sollen als die Erdgasimportpreise in absoluten Beträgen.

In der Kette lässt sich wohl  ein jeder automatisch  auch die Nutzung seines Netzes teurer bezahlen, obschon die Kosten des Netzes, wie auch Personalkosten und sonstige Sachkosten gar nicht gestiegen sein können....


So verdient ein jeder in der Kette unterm Strich mehr und erhöht seinen Gewinn, wenn die HEL- Preise steigen.

Die Methode hat also System, ist jedoch mit den Preisbildungskriterien nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unvereinbar.

Diese verlangt nämlich eine möglichst preisgünstige Versorgung im Interesse der Allgemeinheit und lässt eine Gewinnmaximierung bewusst in den Hintergrund treten. Demgegenüber ist das System gerade auf Profitmaximierung angelegt.

Dieses System ist deshalb zu überwinden.

Der Versorger hat die Preisbasis und die Berechnungsformel einseitig vorgegeben und bestimmt, welche ihm zum Frommen und Nutzen gereichen sollen.

Dabei ist es vollkommen unbeachtlich, dass jedes einzelne Berechnungsergebnis sich dann \"objektiv\" nach dieser Formel ergibt.

Ebenso hätte der Versorger keine Formel nennen können, um nur die Ergebnisse seiner Berechnungen anhand einer verborgen gehaltenen Formel regelmäßig zu veröffentlichen.


Es liefe im Ergebnis auf das gleiche hinaus.

Es wird nur der Anschein einer Objektivität erweckt.

\"Öffentliche Bekanntgabe\"- wie früher die absolutistischen Majestäten durch Herolde im ganzen Lande gegenüber den Untertanen oder heute noch durch Energieversorger mit Anzeigen in der Tagespresse.
In jedem Falle anachronistisch.







Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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