Sachverhalt:
Ein Kunde, der hier anonym bleiben will, mit einem Gassondervertrag aus dem vorigen Jahrhundert wurde (wie vielen) 2007 gekündigt. Er hat der Kündigung widersprochen und in der Folge seine Zahlungen auf der Basis des Preises von 2004 gekürzt.
Ab 2008 wurde der Gasverbrauch bis heute in der Grundversorgung abgerechnet.
2014 forderte der Versorger die Rückstände ein und drohte bei Nichtzahlung eine Versorgungssperre an.
Der Kunde hinterlegte beim Amtsgericht einen Schutzbrief und erteilte Hausbetretungsverbot.
Anders als wohl sonst üblich, wollte er nicht 'wie ein Kaninchen vor der Schlange' auf eine Einstweilige Verfügung des Versorgers zur Aufhebung des Hausbetretungsverbots oder gar auf eine 'Aufgrabung' warten und erwirkte eine eigene Einstweilige Verfügung mit dem Inhalt, dass der Versorger nicht berechtigt ist, eine Sperrung durchzuführen.
Dagegen klagte der Versorger.
Das für den Kunden positive Urteil des AG v. 09/2014 lautet:
(auszugsweise)
„…..Das Versorgungsunternehmen (AG =Antragsgegnerin) ist nicht gemäß §§19 GasGVV/StomGVV berechtigt, die Lieferung zur Durchsetzung ihrer Forderungen einzustellen.
Die nach § 19 ABD. 2 GasGVV erforderliche Abwägung der Schwere der Zuwiderhandlung des Kunden gegen die Folgen der Unterbrechung ergibt hier, dass eine Unterbrechung nicht zulässig ist.
Die Antragsstellerin (=AS) der Einstweiligen Verfügung hat ..zwar .. eigenmächtig gekürzt, aber auch begründet, warum.
Ob die Kürzungen berechtigt sind, steht nicht fest und ist im summarischen Verfahren auch nicht zu klären......
Es wäre der AG ein leichtes, die aus Ihrer Sicht bestehenden Rückstände in einem Hauptsacheverfahren einzuklagen.
Keine Anhaltspunkte, dass die AS nicht leistungsfähig wäre.
Die AG hätte ihre Forderungen auch nicht bis zu der heute erreichten Höhe auflaufen lassen müssen.
Auch wenn sich als richtig herausstellen würde, dass .. Forderungen in nicht unerheblicher Höhe bestehen, ist die AG nicht zur Liefereinstellung berechtigt.“
{Die AG hatte u.a. eingewandt, dass kein Verfügungsgrund angegeben wurde]
Das Amtsgericht dazu:
„Der Verfügungsgrund ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt, den die Parteien dargelegt haben. Die AG will die Versorgung einstellen, damit sind erhebliche Nachteile für die AS verbunden. Diese liegen auf der Hand und mussten von der AS nicht schriftsätzlich dargelegt werden.
Berufung wird zugelassen.“
Berufung wurde von der AG eingelegt.
In dem Landgerichts-Termin im April 2015 hat das Gericht schon erkennen lassen, dass es der Berufung stattgeben wollte. Die Richterin glaubte zu erkennen, dass der Kunde doch seit 2007 in der Grundversorgung war und deshalb erhebliche Nachforderungen der AG berechtigt wären.
Die Einstweilige Verfügung sei nicht notwendig, weil der Kunde durch das Hausverbot ausreichend geschützt sei. Den Einwand, dass es schon vorgekommen sei, das ein Versorgungsunternehmen die Straße aufgegraben hätte, verwarf die Richterin mit: „Das ist Theorie!“
Das Urteil des Landgerichts vom 06/ 2015 ging dann gar nicht mehr auf die Höhe der Nachforderungen ein:
"Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstw. Verfügung
ist zwar zulässig, aber unbegründet, da kein Verfügungsgrund besteht.
Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn der Erlass der einstw. Verfügung zur Abwendung ´wesentlicher Nachteil oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. § 940 ZPO.
Einstw. Rechtsschutz ist nach dieser gesetzl. Wertung folglich nur dann möglich, wenn ohne entsprechende gerichtliche
Entscheidung eine Entwertung materieller Rechtspositionen des Antragstellers vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens droht (AG Ludwigslust v. 17.10.2011, 5 C 149/11).
Der Erlass einer einstw. Verfügung scheidet hingegen aus, wenn der Antragsgegner für die Verwirklichung der drohenden Beeinträchtigung auf eine Mitwirkung des Antragstelelrs angewiesen ist. Denn dann kann dieser die Mitwirkungshandlung schlicht unterlassen und den befürchteten Nachteil auf diese Weise ohne gerichtliche Entscheidung abwenden.
Nach diesen Grundsätzen ist ein Verfügungsgrund nicht ersichtlich.
Die Verfügungsklägerin bewohnt nach eigenem Bekunden ein Hausgrundstück. Sie hat der Verfügungsbeklagten bereits mit Schreiben vom 20.05.2014 das Betreten sowohl des Grundstücks als auch des Hauses verboten. Da die Verfügungsbeklagte eine Unterbrechung nur vornehmen kann, wenn sie Zugang zu den im Haus installierten Zählern erhält, ist eine Sperrung
mithin nur dann möglich, wenn die Verfügungsklägerin das Betretensverbot aufhebt und den Zutritt ermöglicht. In diesem Falle ist die Verfügungsbeklagte zur Vornahme der Versorgungsunterbrechung darauf angewiesen, zunächst einen Titel zu erstreiten, der ihr das 'Betreten des klägerischen Grundstücks gestattet. Die Verfügungsklägerin hat es also - so lange eine gerichtliche Klärung der Berechtigung der Versorgungssperre nicht in dieser Weise erfolgt - selbst in der Hand, ihre Rechte zu wahren. Auf die beantragte einstweilige Verfügung ist sie nicht angewiesen.“
Nun ist der Kunde auf sämtlichen Gerichts- und Anwaltskosten sitzengeblieben.
Der Kunde hat inzwischen (2015) den Gasversorger gewechselt.
Es kam dann noch zur Klage des Versorgungsunternehmen, wobei, soweit ich weiß, nur Nachforderungen für die unverjährten Jahre ab 2012 mit dem Anfangspreis in der Grundversorgung von 2007 gestellt wurden und hilfsweise, für den Fall, dass die Kündigung im Jahr 2007 nicht wirksam war und der Sondervertrag aus dem vorigen Jahrhundert bis 2015 fortbestand, Nachforderungen mit dem Sonderpreis etwa von 2004 auch nur für die Jahre 2012 – 2015.
Gestritten wird auch um die Höhe der Zahlungen des Kunden und deren Anrechnung.
Gerichtstermin und Urteil stehen noch aus.
Ich stelle die beiden Urteile mal zu Diskussion.
berghaus 01.11.15