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Autor Thema: Unrealistische Schätzung durch Heizungsableser  (Gelesen 5624 mal)

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Offline findus14472

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Unrealistische Schätzung durch Heizungsableser
« am: 09. Juli 2015, 14:05:29 »
Ich bewohne eine Eigentumswohnung in einer Wohnanlage. In den letzten 5 Jahren hatte ich laut  Heizungsabrechnung einen Verbrauch
so um die 2.0 Einheiten. Nun zeigte im letzten Abrechnungsjahr der Wärmemengenzähler wegen eines Defekts  keine Werte mehr an.
Die Ersteller der Heizungsabrechnung nahmen nun eine Schätzung des Verbrauchs  vor und kamen zu einem Verbrauchswert von 3.0 Einheiten, somit eine Steigerung von ca. 160,00 €.  Auf meine Reklamation hin antwortete die Fa. mit einem lapidaren Hinweis, dass es ihr möglich ist bei defekter Uhr laut § 9 HeizKV  den Verbrauch zu schätzen. Eine Antwort, woraus sich dieser geschätzte Verbrauch ergiebt, blieben Sie mir bisher schuldig und stellen sich "tot".
Ich wüsste nun gern, gegen wen ich hier rechtlich vorgehen kann. Kann ich gegenüber der Eigentümergemeinschaft (Anlagenverwalter) die Zahlung der Mehrkosten verweigern oder muss ich zunächst bezahlen und gegen den Heizungsableser auf Schadenersatz klagen?

Offline Wolfgang_AW

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Re: Unrealistische Schätzung durch Heizungsableser
« Antwort #1 am: 16. Juli 2015, 18:24:34 »
Mit dem Hinweis auf §9 HeizKV liegt der Verwalter grundsätzlich richtig. Allerdings kann er nicht nach "Gusto" schätzen.

Heizkostenverordnung mit Anmerkungen des Sachverständigen

Zitat
Als Vergleichsmaßstab für den zu schätzenden Verbrauch sollte vorrangig das Vorjahresergebnis des Nutzers verwendet werden. Dabei werden aber nicht einfach die gleichen Einheiten angerechnet wie im Vorjahr, sondern es muss die Verbrauchstendenz beachtet werden. Hatte der Nutzer beispielsweise im Vorjahr 15 % der gesamten Verbrauchseinheiten, so bekommt er nach diesem Schätzverfahren in diesem Jahr wieder 15 % der Verbrauchseinheiten. Wenn Ergebnisse vom Vorjahr da sind, ist das auch unproblematisch.

Urteil Heizkostenabrechnung

Zitat
Die Heizkostenabrechnung ist formell unwirksam, wenn in ihr die Schätzungsgrundlage nicht erläutert wird.
LG Berlin, Urteil vom 11.06.2007  - 67 S 472/06
...
Es fehlte jedoch eine Erläuterung, auf welcher Grundlage der dem Mieter in Rechnung gestellte Verbrauch geschätzt wurde. Auf der Rückseite der Abrechnung befand sich lediglich ein Hinweis, dass bei einer notwendigen Schätzung der Wert unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 9 a Heizkostenverordnung ermittelt werde.
...
Auch wenn ein Vermieter zur Schätzung berechtigt sei, müsse er die Grundlagen dieser Schätzung in der Abrechnung angeben. Der pauschale Verweis auf die Vorschrift des § 9 a Heizkostenverordnung genüge insoweit nicht, zumal dort mehrere Schätzmethoden zur Auswahl angeboten werden.
...
Eine Heizkostenabrechnung, die dem Mieter keine Möglichkeit bietet, die Angemessenheit der Schätzung zu überprüfen, ist nach Ansicht des Landgerichts Berlin formell unwirksam

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW
« Letzte Änderung: 18. Juli 2015, 13:44:33 von Wolfgang_AW »
„Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.“

(Alfred Polgar)

Offline Wolfgang_AW

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Re: Unrealistische Schätzung durch Heizungsableser
« Antwort #2 am: 17. Juli 2015, 12:52:02 »
Ich wüsste nun gern, gegen wen ich hier rechtlich vorgehen kann. Kann ich gegenüber der Eigentümergemeinschaft (Anlagenverwalter) die Zahlung der Mehrkosten verweigern oder muss ich zunächst bezahlen und gegen den Heizungsableser auf Schadenersatz klagen?

Nach meinem Dafürhalten liegt die Verantwortung zunächst bei dem Ersteller der Betriebskostenabrechnung, ich vermute dem Anlagenverwalter, der für eine ordnungsgemäße Verwaltung in Haftung steht.
Aber, beschließen nicht die Eigentümer über die Richtigkeit der Nebenkostenabrechnung?

Ich halte es für ratsam, dass Sie, bevor Sie sich in einen Streit mit dem Verwalter stürzen, einen WEG-erfahrenen RA zu Rate ziehen.

Der Heizungsableser bzw. der Messdienst arbeitet im Auftrag des Anlagenverwalters (der Eigentümergemeinschaft)


Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW
„Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.“

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Offline findus14472

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Re: Unrealistische Schätzung durch Heizungsableser
« Antwort #3 am: 19. Juli 2015, 18:45:03 »
Vielen Dank für die Erläuterungen. Eines der Probleme ist, dass bei der Eigentümerversammlung die Abrechnung abgesegnet wurde, da es sonst keine Geschädigten gab. Die Fa. BFW nutzt es natürlich aus, dass es in der Praxis  schwierig ist rechtlich gegen sie vorzugehen. Sie verweigert jegliche Korrespondenz und ist bestenfalls über den Anlagenverwalter erreichbar. Der wird auch nur auf massives Drängen aktiv, da er kein Geschädigter ist.
Nachdem ich garade einen zeitaufwendigen und mühevollen Prozess gegen die 365 AG durchgezogen habe (Ausgang 100 % für mich), muss ich mir gut überlegen, ob ich mir das nochmal antue.
Wenn ich einen RA in Anspruch nehme habe ich auch Unkosten und der Ausgang vor Gericht ist ungewiss. Damit spekuliert leider auch die Fa. BFW, obwohl die wissen, dass die Schätzung fehlerhaft ist.

Offline Wolfgang_AW

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Re: Unrealistische Schätzung durch Heizungsableser
« Antwort #4 am: 20. Juli 2015, 18:05:13 »
Vielen Dank für die Erläuterungen. Eines der Probleme ist, dass bei der Eigentümerversammlung die Abrechnung abgesegnet wurde, da es sonst keine Geschädigten gab. Die Fa. BFW nutzt es natürlich aus, dass es in der Praxis  schwierig ist rechtlich gegen sie vorzugehen. Sie verweigert jegliche Korrespondenz und ist bestenfalls über den Anlagenverwalter erreichbar. Der wird auch nur auf massives Drängen aktiv, da er kein Geschädigter ist.
...
Wenn ich einen RA in Anspruch nehme habe ich auch Unkosten und der Ausgang vor Gericht ist ungewiss. Damit spekuliert leider auch die Fa. BFW, obwohl die wissen, dass die Schätzung fehlerhaft ist.

Ich hab es mir fast gedacht. Sie müssten die Mitglieder der WEG überzeugen, zu einem entsprechenden Beschluss zu kommen. Das scheint mir auf Grund der von Ihnen geschilderten Situation nicht realistisch.

Damit bleibt Ihnen nur eine Abschätzung der Kosten Fehlerhafte Abrechnung vs. Einschaltung RA.

Für die Zukunft sollten Sie (falls nicht schon geschehen) auf einem neuen Wärmemengenzähler bestehen, der ja anscheinend zum Gemeinschaftseigentum gehört obwohl er sich örtlich in Ihrer Wohnung befindet.

http://forum.energienetz.de/index.php/topic,19729.msg114679.html#msg114679

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW
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