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Autor Thema: BGH, Urt. v. 3.12.14 VIII ZR 370/13 obiter dicta(tur)  (Gelesen 13999 mal)

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BGH, Urt. v. 3.12.14 VIII ZR 370/13 obiter dicta(tur)
« am: 07. Oktober 2014, 11:42:21 »
Zitat
Verkündungstermin 3. Dezember 2014

(Verhandlungstermin: 24. September 2014)

VIII ZR 370/13

AG Königs Wusterhausen - Urteil vom 27. Dezember 2012 – 4 C 64/12

LG Potsdam - Urteil vom 28. November 2013 - 7 S 40/13

Das beklagte Energieversorgungsunternehmen beliefert den Kläger seit 1997 als Sonderkunden mit Erdgas. In dem Erdgasliefervertrag ist ein Arbeitspreis von 4,2 Pfennig/kWh (entsprechend 2,15 Cent/kWh) vereinbart. Ein Preisanpassungsrecht der Beklagten enthält der Vertrag nicht.

Die Beklagte erhöhte in der Folgezeit mehrfach die Preise. Für den Zeitraum vom 2. April 2007 bis zum 31. März 2008 rechnete sie auf der Basis eines Arbeitspreises von 4,31 Cent/kWh ab und verlangte insgesamt eine Vergütung von 3.145,74 €. Der Kläger beanstandete die jährlichen Abrechnungen der Beklagten erstmals im Jahr 2011; zuvor zahlte er die in Rechnung gestellten Preise widerspruchslos. Der Kläger ist nunmehr der Auffassung, er schulde lediglich den zu Vertragsbeginn vereinbarten Arbeitspreis und begehrt deshalb von der Beklagten für das Abrechnungsjahr 2007/2008 die Rückzahlung von insgesamt 1.523,44 €.

Das Amtsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage ganz überwiegend abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der im Jahr 2007 geschlossene Erdgaslieferungsvertrag sehe zwar kein einseitiges Preisanpassungsrecht vor und die Parteien hätten den Vertrag nicht einvernehmlich geändert. Grundsätzlich bestehe daher ein Anspruch auf Rückzahlung des ohne Rechtsgrund gezahlten (erhöhten) Arbeitspreises, der auch nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung beschränkt werden könne. Dem Rückzahlungsanspruch stehe jedoch entgegen, dass die Interessen der Parteien nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB*) zu einem Ausgleich gebracht werden müssten. Denn der Kläger habe der Beklagten bis 2011 keinen Anlass zur Kündigung des Vertrags gegeben, sondern die Jahresrechnungen anstandslos bezahlt. Er müsse sich daher billigerweise an dem Preis festhalten lassen, der drei Jahre vor seinem ersten Widerspruch gegolten habe. Der ab dem 1. April 2007 zu Grunde gelegte Arbeitspreis von 4,31 Cent/kWh sei mangels eines früheren Widerspruchs angemessen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

* § 242 BGB

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

« Letzte Änderung: 03. Dezember 2014, 21:13:21 von RR-E-ft »

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Re: BGH Az. VIII ZR 370/13 Verkündungstermin 03.12.14
« Antwort #1 am: 02. Dezember 2014, 11:22:40 »
Das Verfahren soll EWE betreffen.

Bisher begründet der VIII.ZS seine umstrittene ergänzende Vertragsauslegung wie folgt:

Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11, juris Rn. 20

Zitat
Beide Parteien waren sich bei Vertragsschluss einig, dass der vereinbarte (Anfangs-)Preis nur zu Beginn des Versorgungsverhältnisses gelten und bei späteren Änderungen der allgemeinen Tarife ein anderer Preis geschuldet sein sollte. Denn die Aufnahme eines Preisänderungsrechts zeigt den Willen der Parteien, dass der Kunde - und nicht das Versorgungsunternehmen - Preisänderungen tragen soll, die etwa auf Veränderungen der Brennstoffbezugskosten oder der Lohn- und Materialkosten zurückgehen. Aus der Aufnahme einer Preisänderungsklausel bei Vertragsschluss wird deutlich, dass sich die Parteien von dem lebensnahen Bewusstsein haben leiten lassen, dass Preisänderungen im Laufe des auf unbestimmte Zeit angelegten Bezugsverhältnisses zu erwarten sind und deshalb der Gefahr einer zukünftigen Äquivalenzstörung in ange-messener Weise zu begegnen ist. Da die von den Parteien vereinbarte Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhält, ist daher im Regelungsplan der Parteien eine Lücke eingetreten (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74, und VIII ZR 106/83, juris Rn. 27).

Für eine ergänzende Vertragsauslegung mit dieser Begründung ist deshalb im zu entscheidenden Fall kein Raum, wenn schon keine Preisänderungsklausel in den Vertrag einbezogen wurde.

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Re: BGH Az. VIII ZR 370/13 Verkündungstermin 03.12.14
« Antwort #2 am: 03. Dezember 2014, 00:17:14 »
Zitat
Dem Rückzahlungsanspruch stehe jedoch entgegen, dass die Interessen der Parteien nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB*) zu einem Ausgleich gebracht werden müssten. Denn der Kläger habe der Beklagten bis 2011 keinen Anlass zur Kündigung des Vertrags gegeben, sondern die Jahresrechnungen anstandslos bezahlt. Er müsse sich daher billigerweise an dem Preis festhalten lassen, der drei Jahre vor seinem ersten Widerspruch gegolten habe. Der ab dem 1. April 2007 zu Grunde gelegte Arbeitspreis von 4,31 Cent/kWh sei mangels eines früheren Widerspruchs angemessen.

Die Annahme, man müsste im Sinne eines Automatismusses schon deswegen eine Vertragsanpassung vornehmen, weil der "kunde keinen Anlass zur Kündigung gegeben" habe verstößt gegen die Entscheidungen des EuGH vom 21.3.2013 und wohl auch vom 23.10.2014. Die vom EuGH abgelehnte Begrenzung der Rückwirkung kann jetzt nicht durch die Hintertür von einem nationalen Gericht als letztlich gewollten Schutz des Versorgers eingeführt werden. Es bedarf im Einzelfall einer Prüfung, ob und inwieweit den Versorger eine unbillige Härte träfe, wenn er das Urteil umsetzen müsste.
Und selbst dann, wenn man diese Prüfung in Erwägung ziehen sollte, spielt aber immer noch eine Rolle, ob die Parteien überhaupt eine Preisänderungsklausel in den Vertrag eingefügt hatten und erst somit kundgetan haben, dass der Anfangspreis nicht unbefristet gelten sollte.  Ist das nicht der Fall, bleibt für eine Preisanpassung keinerlei Spielraum.
Es hätte auch dem Versorger auffallen müssen, wenn er nicht einmal eine Preisänderungsklausel vereinbart.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Re: BGH Az. VIII ZR 370/13 Verkündungstermin 03.12.14
« Antwort #3 am: 03. Dezember 2014, 13:16:10 »
Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 177/2014

 http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=69580&linked=pm&Blank=1

Zitat
Zur Rückforderung von Zahlungen, die im Rahmen eines Erdgas-Sonderkundenvertrages nach unberechtigten Preiserhöhungen erbracht wurden

Das beklagte Energieversorgungsunternehmen beliefert den Kläger seit 1997 als Sonderkunden mit Erdgas. In dem Erdgaslieferungsvertrag ist ein Arbeitspreis von 4,2 Pfennig/kWh (2,15 Cent/kWh) vereinbart. Ein Preisanpassungsrecht der Beklagten enthält der Vertrag nicht. Die Beklagte erhöhte in der Folgezeit mehrfach die Preise. Für den Zeitraum vom 2. April 2007 bis zum 31. März 2008 verlangte sie auf der Basis eines Arbeitspreises von 4,31 Cent/kWh eine Vergütung von insgesamt 3.145,74 €. Der Kläger beanstandete die jährlichen Abrechnungen der Beklagten erstmals im Jahr 2011; zuvor hatte er die in Rechnung gestellten Preise widerspruchslos gezahlt. Der Kläger ist nunmehr der Auffassung, er schulde lediglich den zu Vertragsbeginn vereinbarten Arbeitspreis und begehrt deshalb von der Beklagten für das Abrechnungsjahr 2007/2008 die Rückzahlung von insgesamt 1.523,44 €.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage ganz überwiegend abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur ergänzenden Vertragsauslegung (BGHZ 192, 372 ff.), die die Geltendmachung der Unwirksamkeit von Preiserhöhungen in gewissen Umfang begrenzt, keine Anwendung finde, weil im vorliegenden Fall – anders als bei den bisher vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen – der Vertrag kein nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksames Preisanpassungsrecht enthalte und deshalb keine planwidrige Regelungslücke vorliege, die unabdingbare Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung sei. Gleichwohl müsse sich der Kläger nach Treu und Glauben an dem Preis festhalten lassen, der drei Jahre vor seinem ersten Widerspruch gegolten habe, nämlich dem ab 1. April 2007 zugrunde gelegten Arbeitspreis von 4,31 Cent/kWh.

Die Revision hatte Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das Berufungsurteil schon deshalb keinen Bestand haben kann, weil die tatbestandlichen Feststellungen eine revisionsrechtliche Nachprüfung nicht ermöglichen. Das Berufungsgericht hat insbesondere keine Feststellungen dazu getroffen, warum ein Preisänderungsrecht vorliegend nicht Vertragsbestandteil geworden ist, die Beklagte aber gleichwohl Preisanpassungen vorgenommen und zu höheren Preisen als dem im Jahr 1997 geltenden Preis abgerechnet und der Kläger die darauf beruhenden Jahresabrechnungen über viele Jahre hinweg widerspruchslos beglichen hat. Damit fehlt es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage für die Prüfung, ob der Gaslieferungsvertrag eine Regelungslücke enthält, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach den vom Senat für die Fälle eines unwirksamen Preisanpassungsrechts entwickelten Grundsätzen zu schließen wäre. Der Senat hat die Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es diese Feststellungen nachholen kann.

Für das weitere Verfahren hat der Senat darauf hingewiesen, dass ein auf unbestimmter Zeit abgeschlossener Energielieferungsvertrag regelmäßig auch dann eine planwidrige Unvollständigkeit aufweist, wenn die Parteien keine Festpreisabrede getroffen haben, die Einbeziehung eines vertragstypischen und im Grundsatz den Interessen beider Parteien Rechnung tragenden formularmäßigen Preisanpassungsrechts an einer wirksamen Einbeziehung gemäß § 305 BGB* scheitert, der Kunde den Preisanpassungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen geltend macht. Auch eine so entstandene Regelungslücke wäre – ebenso wie die Regelungslücke, die durch ein wegen unangemessener Benachteiligung des Gaskunden (§ 307 Abs. 1 BGB*) unwirksames Preisanpassungsrecht entstanden ist - im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.

Sofern sich die Vereinbarung der Parteien nach den im weiteren Verfahren zu treffenden Feststellungen hingegen als Festpreisabrede mit abschließender Risikoverteilung erweisen sollte und deshalb kein Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung wäre, so könnte diese Risikoverteilung ohne das Hinzutreten weiterer - bislang nicht ersichtlicher - Umstände auch nicht über § 242 BGB korrigiert werden.

* § 305 BGB

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1. die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Orte des Vertragsschlusses auf sie hinweist und

2. der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,

und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist (…)

* § 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) …

(3) …

Urteil vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 370/13

AG Königs Wusterhausen - Urteil vom 27. Dezember 2012 – 4 C 64/12

LG Potsdam - Urteil vom 28. November 2013 - 7 S 40/13

Karlsruhe, den 3. Dezember 2014

Offline uwes

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Re: BGH Az. VIII ZR 370/13 Verkündungstermin 03.12.14
« Antwort #4 am: 03. Dezember 2014, 19:20:14 »
Der VIII. Zivilrechtsverbiegungssenat!

Oder gibt es eine neue Seminarrunde der BGH-Richter wie seinerzeit der Vorsitzende des VIII Zivilsenats Wolfgang Ball im Jahre 2007
Zitat
Gleich nach dem Urteil war der Seminarveranstalter Euro-forum an Ball herangetreten. Zusammen mit der
Düsseldorfer Kanzlei Clifford Chance warb er mit Balls Foto und unter dem Motto: „Gute Chancen für Gasversorger bei
Gaspreiserhöhungen!" Für einen Beitrag von 1605 Euro lernten die Teilnehmer „die gerichtsfeste Ausgestaltung von
Preisänderungsklauseln" und „den Umgang mit Widerspruchskunden".
(Quelle: Spiegel Heft 43/2007 Seite 102)
« Letzte Änderung: 03. Dezember 2014, 19:27:02 von uwes »
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BGH, Urt. v. 3.12.14 VIII ZR 370/13 obiter dicta(tur)
« Antwort #5 am: 03. Dezember 2014, 20:46:51 »
Ohne dass wir bereits wissen, wie der VIII.ZS zu seinem neuerlichen obiter dictum gefunden haben will, lässt sich wohl schon folgendes anmerken:

Ein Energielieferungsvertrag unterfällt dem Kaufrecht.
Haben sich die Parteien bei Vertragsabschluss auf einen Preis geeinigt, besteht keine Regelungslücke.
Die vertraglichen Hauptleistungspflichten im  Sinne des § 241 BGB liegen damit fest.
Der Energielieferant als Verkäufer trägt nach der gesetzlichen Regelung das Risiko nachträglicher Kostensteigerungen.

Möchte der Verkäufer dieses Risiko - in Abweichung von § 241 BGB -  auf den Käufer verlagern, so obliegt es ihm, eine Preisänderungsklausel in den Vertrag einzubeziehen.

Im Kern liegt die Verwendung einer Preisänderungsklausel, mit welcher von der gesetzlichen Regelung abgewichen wird, wonach der Verkäufer an den vereinbarten Preis gebunden ist, immer nur im Interesse des Verkäufers. Deshalb unterliegt eine Preisänderungsklausel innerhalb Allgemeiner Geschäftsbedingungen  auch der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB. Ergibt sich bei der Inhaltskontrolle, dass die Preisänderungsklausel unwirksam ist, so ist der Versorger zu einseitigen Preisänderungen weder berechtigt noch verpflichtet. Es verbleibt bei der gesetzlichen Regelung §§ 241, 433 BGB.

Unzutreffend erscheint deshalb die Argumentation des VIII.ZS  über "die Einbeziehung eines vertragstypischen und im Grundsatz den Interessen beider Parteien Rechnung tragenden formularmäßigen Preisanpassungsrechts". Schließlich hat bisher auch noch niemand ein solches  vertragstypisches und im Grundsatz den Interessen beider Parteien Rechnung tragendes formularmäßiges Preisanpassungsrecht zu Gesicht bekommen. Alle formularmäßigen Preisanpassungsrechte, die bisher vom Senat geprüft wurden, benachteiligten die Kunden unangemessen (vgl. nur BGH, Urt. v. 31.07.13 VIII ZR 162/09). Typisch erscheint deshalb allein die unangemessene Benachteiligung der Kunden durch formularmäßige Preisanpassungsrechte.

Wurde keine Preisänderungsklausel einbezogen, hat man es demnach nicht mit einer planwidrigen Regelungslücke zu tun, sondern mit der regulären gesetzlichen Regelung §§ 241, 433 BGB.

Eine planwidrige Regelungslücke kann allenfalls dann angenommen werden, wenn beide Vertragsteile übereinstimmend den Plan verfolgten, eine Preisänderungsklausel in den Vertrag einzubeziehen (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.12 - VIII ZR 113/11, juris Rn. 20).

Wurde hingegen keine Preisänderungsklausel in den Vertrag einbezogen, was mehrere Gründe haben kann, so spricht schon nichts dafür, dass es überhaupt dem Plan des Kunden als Käufer entsprach, eine Preisänderungsklausel einzubeziehen.

Allein der (missglückte) Plan des Verkäufers, eine Preisänderungsklausel einzubeziehen, schafft demnach noch keine planwidrige Regelungslücke im Vertragswerk, für die es auf den übereinstimmenden Regelungsplan beider Vertragsparteien ankommt.

Nach alldem vermag auch dieses obiter dictum nicht zu überzeugen.
« Letzte Änderung: 04. Dezember 2014, 11:26:41 von RR-E-ft »

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Re: BGH, Urt. v. 3.12.14 VIII ZR 370/13 obiter dicta(tur)
« Antwort #6 am: 04. Dezember 2014, 01:12:51 »
Eine gewisse Beliebigkeit in der Handhabung des Instruments "Ergänzende Vertragsauslegung" ist beim 8.ZS schon auszumachen.

Während in der Entscheidung vom 28.10.2009, Az.: VIII ZR 320/07, Tz 44,45 zu lesen ist:
Zitat
-Zwar zählen zu den gemäß § 306 Abs. 2 BGB bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen anwendbaren gesetzlichen Vorschriften auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (BGHZ 90, 69, 75 zu der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 2 AGBG; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 36). Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt aber nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke - wie hier (dazu vorstehend unter II 3 b ) - nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (BGHZ 90, 69, 77 f.; 137, 153, 157; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 36). Das ist hier nicht der Fall.
Gemäß § 4 der Vertragsfassungen A, B und C steht der Beklagten das Recht zu, sich jeweils mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von zwei Jahren und sodann zum Ablauf der um je zwölf Monate verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt bereits dies nicht ohne Weiteres zu einem die ergänzende Vertragsauslegung gebietenden unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGHZ 176, 44, Tz. 33; BGHZ 179, 186, Tz. 26; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 25/07, aaO, Tz. 37).

Dann war der 8.ZS mit seiner Entscheidung vom 15.07.2009, Az.: VIII ZR 225/07, Tz. 37, doch schon einiges weiter:
Zitat
Gemäß § 14 Nr. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht der Beklagten das Recht zu, sich jeweils mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von 18 Monaten und sodann zum Ablauf der um je zwölf Monate verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt dies nicht ohne weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 33; Senatsurteil vom 17. Dezember 2008, aaO, Tz. 26). Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend macht, eine nicht mehr hinnehmbare grundlegende Störung des vertraglichen Gleichgewichts ergebe sich daraus, dass sie aus rechtlichen und politischen Gründen massenhafte Rückforderungen anderer Kunden zu gewärtigen habe, in deren Verträgen die unangemessene Preisanpassungsklausel ebenfalls enthalten sei, zeigt sie entsprechenden Sachvortrag in den Instanzen nicht auf, obwohl dazu Anlass bestanden hätte, nachdem bereits das Amtsgericht die Preisanpassungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen hat. Es kann deshalb offen bleiben, ob ein sich aus dem Abschluss einer Vielzahl gleich lautender Verträge ergebender wirtschaftlicher Nachteil überhaupt geeignet sein kann, eine nicht mehr hinnehmbare einseitige Verschiebung des im Individualprozess zu beurteilenden konkreten Vertragsgefüges zulasten des Verwenders zu begründen.

Beileibe muss, mit Rücksicht auf diesen Filter, nun auf dem Weg dieses Instituts (erg. Vertragsauslegung) und schon gar nicht zwingend, eine Unzumutbarkeit hergeleitet werden. Sonst hätte dies - wie ja beim 8. ZS üblich, obiter dictum - bereits beantwortet werden können.

Jetzt, am 03.12.14, soll dies halt doch mit einer etwas abgespeckten Begründung wieder eine Rolle spielen. Das Verwirkungsinstrumentarium wirkt schon wieder aus dem Gebüsch. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Der schweigende Kunde sei der Dumme - hätte er doch seinen Widerspruch formuliert - immerhin sei dem Sonderkunden ja schon seit 2005 klar gewesen, dass die PA-Klauseln reihenweise unwirksam sind.

Nicht hingeguckt hat der 8. ZS auf die Entscheidungsgründe des EuGH vom 23.10.2014, wo sich der Gerichtshof gegen die Fristenlösung ausgesprochen hatte. Dabei wurden genau die Argumente besprochen, welche der 8.ZS ja schon in seiner Entscheidung vom 15.07.2009 besprochen hatte.

Was der Gerichtshof nicht für zwingend ansah, was der BGH bislang nicht für zwingend ansah, das wird jetzt schlau in das Gewand "Akzeptanz" gekleidet. Und wieder hat der 8.ZS auf den kreativen Busch geklopft und einen neuen (alten) Bären aus dem Schlaf gerissen.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

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Re: BGH, Urt. v. 3.12.14 VIII ZR 370/13 obiter dicta(tur)
« Antwort #7 am: 04. Dezember 2014, 12:26:04 »
BGH  contra EuGH

die nationalen Gerichte sollten auf die Europarechtswidrigkeit der Entscheidung reagieren und Rechtssachen, bei denen die Fristenlösung zur Anwendung gelangen könnte, dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegen.
Siehe hier:http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18522.msg112258.html#msg112258
« Letzte Änderung: 04. Dezember 2014, 19:52:50 von uwes »
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Re: BGH, Urt. v. 3.12.14 VIII ZR 370/13 obiter dicta(tur)
« Antwort #8 am: 04. Dezember 2014, 13:15:21 »
BGH  contra EuGH

die nationalen gericht sollte auf die Europarechtswidrigkeit der Entscheidung reagieren und Rechtssachen, bei denen die Fristenlösung zur Anwendung gelangen könnte, dem Geriochtshof zur Vorabentscheidung vorlegen.
Siehe hier:http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18522.msg112258.html#msg112258

Der VIII.ZS möchte wohl nach seinem obiter dictum VIII ZR 370/13 - darum geht es an dieser Stelle - eine angeblich planwidrige Regelungslücke erdichten, selbst wenn sich ein entsprechender übereinstimmender Regelungsplan der Vertragsparteien schon gar nicht feststellen lässt. Mit einer solchen Problematik wurde der EuGH wohl bisher noch nicht befasst.
Dabei geht es um die Verletzung nationalen Rechts. Wo der Anknüpfungspunkt zum Gemeinschaftsrecht zu sehen sein soll, ist nicht offensichtlich.
« Letzte Änderung: 04. Dezember 2014, 15:17:29 von RR-E-ft »

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Re: BGH, Urt. v. 3.12.14 VIII ZR 370/13 obiter dicta(tur)
« Antwort #9 am: 04. Dezember 2014, 20:49:06 »
Die Auffassung des BGH erscheint vor folgendem Hintergrund geradezu widersinnig:

Versorger 1 trifft mit den Kunden eine (AGB-rechtswidrige) unwirksame Preisregelung. Nach Jahren der Nichtbeanstandung macht der Kunde Rückforderungsansprüche geltend. Er obsiegt, weil nach EuGH das nationale Gericht an einer Vertragsanpassung gehindert ist.

Versorger 2 nimmt in seine Verträge keine Preisänderungsregelung mit auf. Er erhöht - wie Versorger 1 regelmäßig seine Preise. Nach Jahren der Nichtbeanstandung  verlangt der Kunde die auf Preiserhöhungen fußenden Zahlungen zurück. Jetzt wendet der BGH die Fristenlösung an, weil ein Bezug zur RiLi 93/13 nicht gegeben ist mangels Vorliegen einer unwirksamen Klausel. Der Kunde verliert soweit er die Rückzahlung auf Preise stützt, die nicht innerhalb einer Zeit von 3 Jahren rückwirkend vereinbart waren.

Hier sehe ich die Argumentation von Zimmerlin:
Zitat
Das vom BGH gesetzte Richterrecht zum sog. Preissockel verstößt somit nicht nur - wie in den Beispielen aufgezeigt – gegen das Transparenzgebot sondern auch gegen das Diskriminierungsverbot, das in den Art. 3 und 4 der EU-Richtlinie 93/13/EWG sowie in Art. 102 Abs. 1 AEUV (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 1979 - Rs. 85/76, Slg. 1979, 461 Rn. 125 …) zum Schutz der Kunden festgelegt ist. Der BGH hat per Richterrecht sogar quasi eigene intransparente und die Kunden diskriminierende Regeln geschaffen und damit das Gegenteil dessen bewirkt, wozu er in Art. 7 der EU-Richtlinie 93/13/EWG verpflichtet ist, nämlich dafür zu sorgen, dass "im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird."
der insoweit richtig auf die Gleichbehandlung der Parteien auch durch die Gerichte sowie die Zielsetzungen der RiLi hinweist. Schließlich handelt es sich um nahezu identische Sachverhalte, die sich nur in einem Punkt unterscheiden. Versorger 1 hatte unwirksame Preisregelungen und Versorger 2 gar keine. Schafft der BGH aber die Möglichkeit, dem Versorger Preisanpassungsregelungen allein durch Rechtsprechung zu verschaffen, dann schafft er dem Kunden nicht ersichtliche und damit intransparente Preisregelungen, die Ihrerseits die Transparenzanforderungen der RiLi 200353 und 54/EG nicht erfüllen, zudem gegenüber den Kunden des Versorgers 1 diskrininierend sind und möglicherweise doch recht willkürlich und somit verfassungswidrig.

Mit freundlichen Grüßen

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« Antwort #10 am: 05. Dezember 2014, 12:22:05 »
Von seiner Warte aus konsequent möchte der VIII.ZS wohl die Kunden in beiden Fallkonstellationen wieder einmal gleich (schlecht) behandeln.

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Re: BGH, Urt. v. 3.12.14 VIII ZR 370/13 obiter dicta(tur)
« Antwort #12 am: 11. Dezember 2014, 18:44:17 »
Warum es ein Ammenmärchen darstellt, dass das gestörte Äquivalenzverhältnis durch ergänzende Vertragsauslegung geheilt werden kann; Akzeptanz durch fehlenden Widerspruch des Verbrauchers und mittels Schweigen:

Dass dies nicht angängig ist, hat der 8.ZS. ja bereits schon im Jahre 2005 (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005) gewusst. Gegenstand der Entscheidung war eine inkriminierte Preisanpassungsklausel. Der seinerzeitige juristischer Ansatz des 8. ZS war dort noch vom Verbraucherschutz geleitet sowie von der Marktmacht eines Klauselverwenders. Dort musste eine unwirksame Klausel (§ 307 BGB) auch nicht durch Phantasieprodukte „ergänzt“ werden.

1.)
Preisanpassungsklauseln, welche der 8.ZS. gestattet, müssen als Kostenelementeklauseln ausgestaltet sein (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 2).
Zitat
„Kostenelementeklauseln dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerung zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (Senat, Urteil vom 12. Juli 1989 – VIII ZR 297/88, WM 1989, 1729 = NJW 1990, 115 unter II 2 b). Wird die Preisanpassung auf der Grundlage der Entwicklung von Kostenelementen herbeigeführt, so darf die Regelung andererseits aber - bei Meidung ihrer Unwirksamkeit nach § 307 BGB - nicht zu einer ausschließlichen oder überwiegenden Wahrung der Verwenderinteressen führen.“

Daraus folgt, die Anpassung muss sich auf Kosten beziehen und weiter, die zur Abwälzung berechtigenden Kostenänderungen müssen konkret in der Anpassungsklausel bezeichnet sein.
Es stellt schließlich keinen Unterschied dar, ob Risikozuschläge beim Vertragsschluss gemacht werden oder – scheibchenweise später- erst im Rahmen von künftigen einseitigen, intransparenten Preisanpassungen, welche niemand nachvollziehen kann.

2.)
Konkret bezeichnete Kosten müssen transparent sein, Gewichtung und Bedeutung für die Kalkulation müssen erkennbar sein, eine Bilanz der Gesamtkosten muss dargestellt sein (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 3).

a.)
Betriebskosten die unbekannt sind, ziehen für den Kunden eine unkalkulierbare Unsicherheit nach sich (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 3.a):
Zitat
„[…]die Bindung der Befugnis zur einseitigen Erhöhung des Gaspreises an die Entwicklung der Betriebskosten im Unternehmen der Beklagten für deren Kunden eine unkalkulierbare Unsicherheit zur Folge hat, weil die Klausel nicht auf Marktpreise, sondern auf Kostenentwicklungen abstelle, die – wie etwa freiwillige übertarifliche Lohnzahlungen, Gratifikationen und Ähnliches – wesentlich von unternehmensinternen Entscheidungen abhängen könnten. [……]die Kopplung der Preisänderungsbefugnis an die Entwicklung der im Unternehmen der Beklagten entstehenden Kosten die Vertragspartner der Beklagten vor allem deswegen unangemessen, weil es sich dabei - anders als bei Marktpreisen oder Tariflöhnen - um betriebsinterne Berechnungsgrößen handelt, die die Kunden der Beklagten weder kennen noch mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung bringen können. Das gilt für die Gestehungspreise (Einkaufspreise) der Beklagten ebenso wie für die bei ihr anfallenden Material-, Lohn-, Transport- und Lagerkosten. Ob, wann, wodurch und in welchem Maße bei diesen Kosten Änderungen eintreten, bleibt den Kunden der Beklagten verborgen.“

b.)
Die Gewichtung der einzelnen Kostenelemente im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Gesamtpreises muss erkennbar sein (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 3.b):
Zitat
„In Ermangelung einer solchen Gewichtung (s. dazu beispielsweise die bei de Wyl/Essig/Holtmeier in Schneider/Theobald, Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, 2003, § 10 Rdnr. 398 wiedergegebene „Kohle-Lohn-Klausel“) ist für die Kunden der Beklagten nicht vorhersehbar, wie sich etwa ein allgemeiner Anstieg der Gaspreise - eines wesentlichen Elements der Gestehungskosten der Beklagten – oder eine Erhöhung der Tariflöhne auf den vereinbarten Gaspreis auswirken werden. Ebenso wenig sind sie imstande, eine Erhöhung des Gaspreises durch die Beklagte darauf zu überprüfen, ob der von der Beklagten geforderte Preisaufschlag durch einen entsprechenden Kostenanstieg im Unternehmensbereich Flüssiggasvertrieb der Beklagten gerechtfertigt ist.“

c.)
Der Ausgleich des Anstiegs bei einem der Kostenfaktoren durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen  muss erkennbar sein damit klar wird, wie sich der Ausgleich darstellt und daher insgesamt keine höheren Kosten zu tragen sind (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 3.c):
Zitat
„Die Klausel stellt nicht auf die Gesamtbelastung, sondern ausdrücklich auf die Veränderungen der im Einzelnen benannten „Kostenfaktoren pro Liefereinheit“ ab. Entgegen der Auffassung der Revision ist mit dieser Formulierung nach dem Verständnis eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Verbrauchers nicht hinreichend klargestellt, dass die Erhöhung einer oder mehrerer Kostenfaktoren nicht zu einer Erhöhung des Gaspreises führen kann, wenn es bei anderen Positionen Kostensenkungen gegeben hat, die die Erhöhung im Ergebnis ausgleichen.“

Und schließlich brachte der 8.ZS. es auf den Punkt (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 4):
Zitat
„Die Klausel macht das Recht des Kunden, eine Neufestsetzung des Gaspreises zu verlangen, von der Entwicklung derselben Kostenfaktoren abhängig, die für das Recht der Beklagten zur einseitigen Preiserhöhung maßgeblich sein sollen und in die der Kunde, wie oben zu 3. a) bereits ausgeführt wurde, keinen Einblick hat. Infolge der Kopplung an diese betriebsinternen Berechnungsgrößen ist der Kunde ebenso wenig in der Lage zu erkennen, wann und in welchem Umfang er eine Senkung des Gaspreises verlangen kann, wie er die Berechtigung einer auf Veränderungen der in der Klausel benannten Kostenfaktoren gestützten Preiserhöhung durch die Beklagte nachprüfen kann.“

Die Klarheit, weshalb es dem Kunden nicht anzulasten ist, nach einseitiger Diktion, Dinge zu akzeptieren, die weder bekannt sind, noch bekannt gemacht werden, ist mit der Entscheidung des 8.ZS. nicht zu überbieten.

Der 8. ZS wird doch hoffentlich nicht so blauäugig sein anzunehmen, dass die Kunden in dieser Situation mit dem Institut der „ergänzenden Vertragsauslegung“ umgehen können. Insbesondere wenn gar nichts darüber bekannt ist, welche angesprochenen Kostenelemente in Betracht zu ziehen sind, ob diese überdies sachgerecht eingewürdigt und schließlich korrekt berücksichtigt werden.

Dazu genügt auch nicht ein Blick in die ständige Rechtsprechung des BGH. Das fordert auch der EuGH mit seiner Entscheidung vom 23.10.2014 nicht; im Gegenteil. Der Verbraucher muss nicht erst zum Anwalt gehen, um zu entscheiden ob eine Chance besteht, die Preisanpassung des Versorgers zu überprüfen.

Der Kunde muss überdies rein gar nichts akzeptieren, was er nicht kennt und nicht verstanden hat, auch nicht durch widerspruchslose Zahlung; erst recht nicht wenn er von der Gegenseite, entgegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) „über den Tisch gezogen“ wurde.

Wenn es dem 8. ZS. mit dem Institut der „Ergänzenden Vertragsauslegung“ um Interessenausgleich geht, dann muss er sich in diesem Moment der Feststellung einer unwirksamen Klausel schon auch fragen, wo die Interessen der anderen Vertragsseite sind.

Diese Antwort ist der 8. ZS. am 21.09.2005 nicht schuldig geblieben.

Heute sieht es – zumindest seit der Entscheidung vom 03.12.2014 - so aus: „was interessiert mich mein Geschwätz von gestern; heut ist heut“.
« Letzte Änderung: 11. Dezember 2014, 18:50:34 von tangocharly »
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Re: BGH, Urt. v. 3.12.14 VIII ZR 370/13 obiter dicta(tur)
« Antwort #14 am: 12. Januar 2015, 19:02:57 »
An der Unverständlichkeit ändern auch die nunmehr bekannten Gründe nichts. Das Orbiter dictum ist in mehrfacher hier diskutierter Form nicht nachzuvollziehen und verstößt nicht nur gegen EG-Recht sondern der VIII. Zivilrechtsverdrehungssenat riskiert die Grenzen zu einer Willkürentscheidung in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise zu überschreiten.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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