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Autor Thema: OLG Karlsruhe, Urt.v. 11.4.14 Az. 4 U 14/14 Wirksame Preisänderungsklausel (?)  (Gelesen 3771 mal)

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Offline RR-E-ft

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Kollege Dr. Armin Feuring, Chemnitz bespricht in N&R 2014, 242 ff. die Entscheidung OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.4.14 Az. 4 U 14/14.
Er hat das beklagte Versorgungsunternehmen in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Verfahren anwaltlich vertreten.

Zitat
Das OLG Karlsruhe befasst sich in dem vorliegenden rechtskräftigen Urteil mit der Frage, ob die von der Beklagten, einem Stadtwerksunternehmen, verwendeten Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen mit Haushaltskunden über die Lieferung von Gas und Strom der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB standhalten. Die Beklagte verwendet seit dem zweiten Halbjahr 2013 in ihren AGB für Gaslieferungen folgende Bestimmungen:

“3. Erdgaspreis und Preisanpassung

3.1 Der Gesamtpreis setzt sich aus dem Arbeitspreis und dem Grundpreis zusammen. Er enthält derzeit die Kosten der [S.] für die Erdgasbeschaffung sowie die Vertriebskosten, die Kosten für Messung und Messstellenbetrieb - soweit diese Kosten [S.] in Rechnung gestellt werden - sowie für die Abrechnung, die Netzentgelte und die an die Kommunen zu entrichtenden Konzessionsabgaben.

3.2 Der Erdgaspreis versteht sich einschließlich der Energie- und zzgl. der Umsatzsteuer in der jeweils geltenden Höhe (Bruttopreise). Bei Erhöhungen oder Absenkungen dieser Steuersätze durch den Gesetzgeber ändern sich die Bruttopreise entsprechend.

3.3 Wird die Beschaffung, die Verteilung oder die Belieferung von Erdgas nach Vertragsabschluss mit zusätzlichen staatlichen Abgaben oder anderen hoheitlich auferlegten Belastungen belegt, können die [S.] die hieraus entstehende Mehrkosten an den Kunden weiterberechnen. Dies gilt nicht, wenn die jeweilige gesetzliche Regelung einer Weiterberechnung entgegensteht. Die Weitergabe ist auf diejenigen Mehrkosten beschränkt, die nach der gesetzlichen Regelung dem einzelnen Vertragsverhältnis mit dem Kunden zugeordnet werden können. Entfällt im Zusammenhang mit der Belegung zusätzlicher staatlicher Abgaben oder hoheitlich auferlegter Belastungen eine andere staatliche Abgabe oder hoheitlich auferlegte Belastung, ist dieser Entfall den neu entstandenen Mehrkosten gemäß Satz 1 gegenzurechnen.

3.4 Zur Bewahrung des Gleichgewichts von Erdgaslieferung und Erdgaspreis werden die [S.] den vom Kunden zu zahlenden Erdgaspreis der Entwicklung der unter 3.1 aufgeführten Preisbestandteile und nach 3.3 ggf. zusätzlich vom Gesetzgeber eingeführten Preisbestandteile nach billigem Ermessen anpassen. Bei Kostensteigerungen sind die [S.] hiernach berechtigt, den Erdgaspreis entsprechend zu erhöhen, wobei Kostensenkungen bei anderen Preisbestandteilen gegenzurechnen sind. Kostensenkungen verpflichten die [S.], den Erdgaspreis entsprechend zu ermäßigen, soweit diese Kostensenkungen nicht durch Kostensteigerungen bei anderen der preisbildenden Faktoren gemäß 3.1 und ggf. 3.3 dieses Vertrages ganz oder teilweise ausgeglichen werden. Die [S.] werden bei Ausübung ihres billigen Ermessens die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, also Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden wie Kostenerhöhungen.

3.5 Änderungen des Erdgaspreises sind nur zum Monatsersten möglich. Die [S.] werden dem Kunden die Änderungen spätestens 6 Wochen vor dem geplanten Wirksamwerden in Textform mitteilen. In der Preisänderungsmitteilung ist der Kunde darauf hinzuweisen, welche konkreten Veränderungen bei Preisbestandteilen für die Preisänderung maßgeblich sind. Preisänderungen sind für den Kunden zudem unter der Internetadresse der [S.] ... einsehbar und werden in den Geschäftsstellen der [S.] ausgelegt.

3.6 Im Fall einer Preisänderung hat der Kunde das Recht, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung in Textform gegenüber den [S.] zu kündigen. Auf dieses Recht wird der Kunde von den [S.] in der Preisänderungsmitteilung gesondert hingewiesen. Im Fall der Kündigung wird die Preisänderung gegenüber dem Kunden nicht wirksam. Weitergehende Rechte des Kunden, z. B. aus § 315 BGB, bleiben unberührt.

3.7 Informationen über die jeweils aktuellen Preise sind im Kundenzentrum, ..., erhältlich, und können auch im Internet unter ... abgerufen werden. Informationen zu Wartungsdienstleistungen und -entgelten sind beim örtlichen Netzbetreiber erhältlich.”

Der Wortlaut der von der Beklagten verwendeten AGB für Stromlieferungen ist im Wesentlichen identisch, wobei in der dortigen Ziff. 3.1 die spezifischen Strompreisbestandteile aufgeführt sind.

Das OLG Karlsruhe entschied über die Berufung gegen das Urteil des LG Konstanz vom 20.12.13 Az. 8 O 46/13 KfH wie folgt

Zitat

    1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 20.12.2013 wird zurückgewiesen.

    2. Die Kosten der Berufung fallen der Klägerin zur Last.

Gründe

    I.



    Die zulässige Berufung ist unbegründet.


    Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG besteht nicht, da die beanstandeten Klauseln die Vertragspartner der Beklagten nicht gem. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligen, insbesondere nicht intransparent sind.



    Einseitige Preisanpassungsklauseln sind - sofern sie nicht bereits den Tatbestand des § 309 Nr. 1 BGB erfüllen - nur zulässig, wenn das Recht des Verwenders zur einseitigen Preisanpassung dem aus § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB folgenden (formularmäßig nicht abdingbaren) Gerechtigkeitsgebot genügt, den Verbraucher auch im Übrigen nicht unangemessen benachteiligt und zudem hinreichend transparent ist (BGH BB 2013, 2443, 2446, Rz. 44).



    Dem Gerechtigkeitsgebot entsprechen die vorliegenden Klauseln, da den Kunden der Beklagten die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle eingeräumt ist. Die Bestimmung eines neuen Vertragspreises erfolgt ausdrücklich (vgl. Ziff. 3.4 S. 1 der Bedingungen) nach billigem Ermessen, so dass der Anwendungsbereich des § 315 Abs. 3 BGB ohne Zweifel eröffnet ist.



    Die Klausel benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten auch im Übrigen nicht unangemessen. Das Äquivalenzinteresse bleibt bei den getroffenen Regelungen gewahrt, dem Kunden ist für den Fall der Preiserhöhung die Möglichkeit der Kündigung eröffnet und Reduzierungen der von der Beklagten an Dritte zu erbringenden Entgelte oder des Einkaufs- oder Produktionspreises kommen den Verbrauchern in gleichem Umfang und mit gleicher zeitlicher Verzögerung wie Erhöhungen zu Gute. Ebenso werden Erhöhungen der Berechnungsparameter und Vergünstigungen miteinander verrechnet. Der Modus der (einseitigen) Änderung der Entgelte für die zur Verfügung gestellten Versorgungsleistungen (Strom und Gas) ist hinreichend transparent dargestellt, da aus den Klauseln hervorgeht, dass das Entgelt sich verhältnismäßig zu den Kostensteigerungen der einzelnen Preisbestandteile erhöhen oder verringern soll (vgl. 3.4.). Der Anlass der Änderungen, nämlich bei Kostensteigerungen in den einzeln genannten Preisbestandteilen (Ziff. 3.1 und 3.3) oder wegen zusätzlicher staatlicher Abgaben (Ziff. 3.3 und 3.4), liegt für die Verbraucher ebenfalls offen.



    Die Klausel verstößt auch im Übrigen nicht gegen das Transparenzgebot. Dem Transparenzgebot ist dann nicht genügt, wenn die Rechtslage verschleiert wird oder irreführend dargestellt ist und diese Intransparenz zu einer unangemessenen Benachteiligung führt (Schmidt in BeckOnline, Kommentar zum BGB, Stand 2014, § 307 Rn. 44 m.N.; BGHZ 186, 180 Rz.43 f.).



    Irreführend ist die Rechtslage nicht dargestellt. Vielmehr ist den Bestimmungen (Ziff. 3.6) ohne Auslegungszweifel zu entnehmen, dass dem Kunden sowohl ein Kündigungsrecht zusteht als auch daneben „weitergehende Rechte" aus § 315 BGB bestehen (weil sie unberührt bleiben). Der Hinweis auf diese Rechte erscheint auch nicht versteckt, sondern steht unter Ziff. 3.6 im Zusammenhang mit dem weiteren Recht der Kündigung und im Abschnitt Ziff. 3 zu den Preisbestimmungen.



    Auch der Umstand, dass die Klauseln wegen der weiteren Rechte des Verbrauchers lediglich auf die Bestimmung des § 315 BGB verweisen, begründet keine unangemessene Benachteiligung. Die konkrete Klausel ist weder geeignet, einen mit einer Preisanpassung nicht einverstandenen Verbraucher von einer (gerichtlichen) Billigkeitskontrolle abzuhalten noch verschleiert sie durch eine irreführende Darstellung, die es dem Verwender ermöglicht, berechtigte Ansprüche abzuwehren, diese Rechtslage (BGHZ 198, 111 Rz. 44). Ein durchschnittlicher Vertreter der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. Wurmnest in Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 307 Rn. 62) kann sich vielmehr ohne große Mühe über seine ausdrücklich benannten „weitergehenden Rechte" informieren und diese ergreifen. Ein ausdrücklicher Hinweis auf eine gerichtliche Billigkeitskontrolle (deren Art und Weise einem durchschnittlichen Verbraucher ohnehin in der Regel nicht geläufig ist) wie ihn die Klägerin fordert, böte keine darüber hinausgehende Transparenz.

    II.



    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



    Die Kostenentscheidung erster Instanz, die gem. §§ 92, 269 Abs. 3 ZPO zu treffen ist, ist wie aus dem Tenor ersichtlich von Amts wegen zu korrigieren, da die Kosten der zurückgenommenen Widerklage gem. § 269 Abs. 3 ZPO der Beklagten zur Last fallen, so dass die Kosten erster Instanz bei einem Gesamtstreitwert von € 50.000.- hälftig zu teilen sind.

Die Entscheidung ist u.a. veröffentlicht in N&R 2014, 241-242 (red.Leitsatz und Gründe), EnWZ 2014, 323-324 (Gründe)sowie juris und wird auch besprochen in einer zustimmenden Anmerkung von Kollegen Winfried Rasbach [Thüga], EnWZ 2014, 324 - 326.


« Letzte Änderung: 18. September 2014, 19:47:05 von RR-E-ft »

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Es erscheint zweifelhaft, ob die genannten Klauseln tatsächlich den Anforderungen entsprechen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH bei der Inhaltskontrolle von Preisänderungsklauseln zu stellen sind:

Zitat
BGH, Urt. v.15.11.07 Az. III ZR 247/06, juris Rn. 10:

Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).


Es gnügt demnach wohl nicht, die Kostenbestandteile des Gesamtpreises vollständig zu benennen, wenn deren Gwichtung am Gesamtpreis nicht zugleich offen gelegt wird.

Die durch die mangelnde Offenlegung der Kalkulation des Gesamtpreises fehlende Tranzparenz kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH wohl weder durch die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle noch durch ein Sonderkündigungsrecht kompensiert werden. Beides schafft nach der Rechtsprechung des BGH keinen hinreichenden Ausgleich für den Vertragspartner des Klauselverwenders (Kunden).

Zitat
BGH, Urt. v. 21.04.09 Az. XI ZR 78/08, juris Rn. 37 f.

Stellt eine Preis- und Zinsänderungsklausel nicht die Wahrung des Äquivalenzverhältnisses sicher und ist deswegen nicht ausgeschlossen, dass der Verwender unangemessene Erhöhungen zur Steigerung seines Gewinns vornehmen kann, wirkt sich eine Kündigung seitens des Kunden nur zu Gunsten des Verwenders und nicht zum Vorteil des Kunden aus. Der Verwender erhält damit die Möglichkeit, durch unangemessene Preis- oder Zinsänderungen und anschließende Kündigung des Kunden von einem zuvor für ihn ungünstigen, für den Kunden jedoch vorteilhaften Vertrag frei zu werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2007 - III ZR 247/06, WM 2008, 308, Tz. 34; Borges, DB 2006, 1199, 1204; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Recht, 4. Aufl., § 11 Nr. 1Rn. 49)...

Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757)
.

So verhält es sich wohl auch, wenn der Kunde zwar weiß, dass in den bei Vertragsabschluss vereinbarten Gesamtpreis für Energielieferungen auch der Energiebezugspreis des Lieferanten [Energiebeschaffungskosten] eingeflossen ist, der Kunde jedoch nicht erkennen kann, in welcher Höhe dieser Energiebezugspreis seines Lieferanten bei Vertragsabschluss nominal  lag und wann und in welchem Umfang dieser sich nominal ändert.

Erfährt der Kunde nichts von der Senkung des Energiebezugspreises seines Lieferanten, ist es ihm unmöglich, in Bezug darauf eine Preissenkung durchzusetzen, zu welcher der Lieferant verpflichtet wäre.

« Letzte Änderung: 18. September 2014, 19:48:01 von RR-E-ft »

 

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