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Autor Thema: Vattenfalls Ansicht zum § 315 BGB  (Gelesen 6506 mal)

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Vattenfalls Ansicht zum § 315 BGB
« am: 26. März 2014, 10:28:39 »
Aus einem Schreiben an den Bund der Energieverbraucher e.V.

Unsere Preise können wir unabhängig von einem Nachweis der Angemessenheit unserer Entgelte gegenüber jedem einzelnen Kunden verlangen. Der von Ihnen angeführte § 315 BGB ist nicht anwendbar. Unser Stromgeschäft wäre nicht mehr durchführbar, wenn wir jedem Kunden unsere Stromentgeltkalkulation offen legen würden. Bei den Kalkulationsdaten handelt es sich um wirtschaftlich sensible Daten, deren Vertraulichkeit wir insbesondere aufgrund des Wettbewerbs im Strommarkt sicherstellen müssen.

Sowohl die Rechtsprechung als auch die Rechtsliteratur haben sich bisher mehrheitlich gegen die Anwendbarkeit des § 315 BGB ausgesprochen. Verweisen möchten wir hierzu beispielsweise auf LG Berlin, Urteil vom 3. Juli 2007, Az. 53 S 42/07; LG München II, RdE 2007, 323; LG Kiel, RdE 2005, 53, 54 f., LG Potsdam, ZNER 2006, 288, AG Friedberg, ZNER 2006, 281, AG Potsdam, RdE 2005, 207 ff., LG Magdeburg, RdE 2005, 22 ff., LG Hannover, RdE 2004, 54 ff., Schulz-Gardyan, RdE 2003, 12 und Stappert, NJW 2003, 3177, 3179.

Auch der Bundesgerichtshof hat nunmehr (Urteil vom 28. März 2007, Az. VIII 144/06) für den Bereich der Stromversorgung entschieden, dass eine Billigkeitskontrolle der Höhe des geltend gemachten Entgeltes ausscheidet, weil § 315 BGB weder unmittelbar noch mittelbar auf Stromlieferverträge Anwendung findet. Der Bundesgerichtshof hat dies mit Urteil vom 13. Juni 2007 (Az. VIII ZR 36/06) noch einmal ausdrücklich bestätigt.

Die Rechtsprechung hat dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass die zu § 315 BGB aufgestellten Grundsätze auf Entgelte von Stromversorgern nicht übertragbar seien, da bereits seit der Liberalisierung des Strommarktes das Monopol der ehemaligen Gebietsversorger nicht mehr bestehe und die Kunden den Lieferanten frei wählen können. § 315 BGB finde auf Stromlieferentgelte keine Anwendung, da der Kunde auf die Belieferung durch das Energieversorgungsunternehmen gerade nicht angewiesen sei, weil er die Möglichkeit hat, Strom von einem anderen Anbieter seiner Wahl zu beziehen. Damit fehle es an einer Monopolstellung als Grundlage zur Anwendbarkeit des § 315 BGB.

Bitte haben Sie vor diesem Hintergrund Verständnis dafür, dass wir auf der Zahlung unserer fälligen Entgeltforderungen, für die Sie auch eine Leistung in Anspruch genommen haben, bestehen und uns vorbehalten, alle daraus resultierenden Rechte geltend zu machen.

Als Ihr Energiedienstleister möchten wir Ihnen in gewohnter Qualität optimale Stromtarife bieten. Informationen zu unseren Tarifen und Preisen erhalten Sie unter www.vattenfall.de. Oder rufen Sie uns einfach an.

Wir freuen uns, wenn wir Sie mit unseren Leistungen überzeugen können.

Mit unserem "Kundenservice Online" sind wir rund um die Uhr für Sie da, ob Sie nachts Ihren Zählerstand oder morgens Ihren Umzug mitteilen wollen.
Einfach unter https://kundenservice.vattenfall.de mit Ihrer Vertragskontonummer registrieren und alle Services nutzen.



Mit freundlichen Grüßen

Ihr Serviceteam der Vattenfall Europe Sales GmbH

Tel  0800 255 11 55 (kostenlos)
Fax 030 267 119 24 200

easy@vattenfall.de
www.vattenfall.de

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Re: Vattenfalls Ansicht zum § 315 BGB
« Antwort #1 am: 26. März 2014, 11:44:37 »
Vattenfall bedient sich offensichtlich immer noch eines Mustertextbausteins aus 2007.

Der BGH hat mit seinen Beschlüssen vom 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10, juris Rn. 10 f.  und vom 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10, juris Rn. 17 auch für den Strombereich klargestellt, dass immer dann, wenn dem Energieversorger vertraglich oder gesetzlich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zur einseitigen Preisänderung wirksam eingeräumt ist, eine auf dieser Grundlage vorgenommene einseitige Preisänderung der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegt, soweit der einseitig geänderte Preis nicht später dadurch als vereinbarter Preis gilt, weil der Kunde, der in angemessner Frist keinen Widerspruch gegen die Preisänderung erhoben hat und zudem die Jahresverbrauchsabrechnung, welche den geänderten Preis erstmals ausweist, unbeanstandet vollständig bezahlt hat, sein Rügerecht gem. § 315 Abs. 3 BGB verwirkt hat.

Vorrangig ist laut BGH jedoch zu prüfen, ob dem Energieversorger ein solches einseitiges Leistungsbestimmungrecht wirksam eingeräumt wurde (vgl. BGH, aaO.).
 
Dies ist dann nicht der Fall, wenn in einem Sondervertrag eine AGB- Preisänderungsklausel lediglich dem Inhalt des gesetzlichen Preisänderungsrechts gegenüber grundversorgten Tarifkunden entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 31.07.13 Az. VIII ZR 162/09, juris).

Ob das gesetzliche Preisbestimmungsrecht aus §§ 4 AVBGasV/ AVBEltV bzw. §§ 5 Abs. 2 GasGVV/ StromGVV den Grundversorgern überhaupt wirksam ist und den Energieversorgern ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht damit überhaupt wirksam eingeräumt wurde, ist auf die Vorlagebeschlüsse BGH vom 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 und vom 29.06.11 Az. VIII ZR  211/10 durch den EuGH zu klären, siehe http://www.derenergieblog.de/alle-themen/uncategorized/eugh-verhandelt-ueber-die-wirksamkeit-des-preisanpassungsrechts-in-den-grundversorgungsverordnungen/#more-14989

Die Frage nach der wirksamen Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts zugunsten des Energieversorgers ist nach der Rechtsprechung des BGH  auch  dann für die Zahlungsansprüche des Energieversorgers vorrangig entscheidungserheblich, wenn der Kunde den einseitigen Preisänderungen des Energieversorgers nicht innerhalb angemessener Frist widersprochen hatte (vgl. BGH, B. v. 24.01.12 Az. VIII ZR 236/10, juris Rn. 2, 6).

Ist dem Stromversorger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zur einseitigen Änderung des Strompreises wirksam eingeräumt, unterfällt die einseitige  Änderung insbesondere auch dann der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB, wenn dem Kunden ein Sonderkündigungsrecht eingräumt wird und er den Lieferanten wechseln kann (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 30.12.12 Az. 2 U 94/10 = ZNER 2011, 69 http://www.pontepress.de/pdf/u10_201101.pdf und BGH; B. v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10, juris Rn. 7, 9, 17  http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=f7213868fa40676c282810420e836dd1&nr=57029&pos=0&anz=1).

Auf eine Monopolstellung des Energieversorgers kommt es für die Billigkeitskontrolle einer einseitigen Preisänderung des Energieversorgers unter Berufung auf ein ihm (gesetzlich oder vertraglich) eingeräumtes  einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zur einseitigen Preisänderung demnach gerade nicht an (vgl. BGH, B. v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10, juris Rn. 7, 17).


 
« Letzte Änderung: 26. März 2014, 12:05:46 von RR-E-ft »

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Re: Vattenfalls Ansicht zum § 315 BGB
« Antwort #2 am: 26. März 2014, 14:19:17 »
Vattenfall bedient sich offensichtlich immer noch eines Mustertextbausteins aus 2007.
Ja, so wird das wohl sein. Anders ist das nicht zu erklären, hat man doch von damals bis heute immer erstklassige Berater und Informationen aus berufenem Munde. ;) Dass es auf die Monopolstellung nicht ankommt wurde sicher schon im einen und dem anderen Seminar behandelt und der eindeutige Gesetzestext liegt unverändert vor.

Zitat
..Das hat auch die Großkanzlei Clifford Chance erkannt, die unter anderem für Vattenfall und RWE tätig ist. In den vergangen zwei Jahren ist Laubenstein immer wieder von der Kanzlei zu Seminaren eingeladen worden, die mitunter reine Netzbetreiber-Veranstaltungen waren. Laubensteins Honorar, so der OLG-Pressesprecher, habe dabei zwischen Januar 2006 und November 2007 insgesamt "im untersten vierstelligen Bereich" gelegen. Für einige Vorträge habe er auch gar kein Honorar verlangt. Ob solche Veranstaltungen die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigten? Das bedürfe der Prüfung im Einzelfall, so der Pressesprecher.
Im Frühjahr hatte Laubensteins Senat über eine Klage von Vattenfall zu entscheiden. ...
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