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Autor Thema: EuGH-Verfahren: Millionen Gaskunden können auf Rückzahlungen hoffen  (Gelesen 17229 mal)

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Offline tangocharly

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Re: EuGH-Verfahren: Millionen Gaskunden können auf Rückzahlungen hoffen
« Antwort #15 am: 13. April 2013, 16:22:09 »
Nachdem es dem BGH sehr wichtig ist, dass auf eine Gleichbehandlung der Tarif- mit den Sondervertragskunden zu achten ist (vgl. BGH, 14.07.2010, Az.: VIII ZR 246/08, Tz. 37), wird er sich künftig auch nicht vor der Entscheidung des EuGH, 21.03.2013, Az.: C-92/11, verstecken können.

Da wurden doch schon am 21.03.2013 bereits deutliche Worte gefunden, was die Bestimmungen der (gesetzlichen) Versorgungsbedingungen angesichts der gegebenen Transparenzerfordernisse de lege lata nicht zu erfüllen vermögen. Auf eine weitere Klarstellung durch das Verfahren C-359/11 warten zu wollen, mag spannend sein - aber Hoffnungen dahin, dass jetzt die Versorgungsbedingungen plötzlich für transparent befunden werden könnten, braucht sich keiner mehr zu machen.

Ganz abgesehen davon hat der BGH in der EWE-Entscheidung (VIII ZR 246/08) sich ja schon selbst explizit Gedanken gemacht, was die Transparenz (auf der Grundlage unseres § 307 BGB) anlangt, wenn man sich an die AVB/GVV anhängt, aber nicht explizit auf den § 315 BGB hinweist (Tz 43):

Zitat
Selbst wenn man die Klausel dahin verstehen wollte, dass aus der Koppelung an die Preisänderungen der Beklagten gegenüber Grundversorgungskunden zugleich die Bindung auch der im Verhältnis zu Sonderkunden erfolgenden Preisänderungen an den Maßstab billigen Ermessens folgte, verstieße die Klausel gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB). Denn ein solcher Verstoß liegt unter anderem auch dann vor, wenn eine Formularbestimmung die Rechtslage irreführend darstellt und es dem Verwender dadurch ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in ihr getroffene Regelung abzuwehren (Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 284/04, NJW 2005, 3567, unter II 2; Staudinger/Coester, BGB (2006), § 307 Rdnr. 192; jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall, weil sich - wie bereits dargelegt - aus der Klausel nicht hinreichend deutlich ergibt, dass die Preisänderungen der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterliegen und dem Kunden damit eine gerichtliche Überprüfung möglich ist.

Schön, der BGH meint, dass das gesetzliche Preisänderungsrecht in § 5 GasGVV ja deshalb korrekt sei, weil es unter dem Vorbehalt des § 315 BGB steht.

Aber steht das denn in der GasGVV so drin ?
Bzw. wie kann der Verbraucher erkennen, dass er beim Aufdrehen seines Gashahnes ein Recht aus § 315 BGB besitzt und woran kann er erkennen, dass dabei sein Versorger eine Ermessensentscheidung zu treffen hat.

Schließlich hat der Verbraucher - wenn er Glück hat - irgend wann einmal einen Verordnungstext in die Finger bekommen. Nach eingehender Lektüre - wenn er dazu in der Lage war - konnte der Verbraucher beruhigt den Verordnungstext zur Seite legen, denn eine Überschrift mit dem Inhalt "Preisänderungsrecht" war nicht auszumachen.

Der BGH hat sich noch nie Gedanken dazu gemacht, warum Tausende Energieverbraucher - wie die Lämmchen - Jahrzehntelang nicht nur ihre Gashähne öffneten, sondern auch die Geldbeutel, damit viele Stadtkämmerer deren Defizit-Töchter mit den Ausschüttungen ihrer Stadzwerke durchfüttern konnten.

Nein dazu mußte man sich keine Gedanken machen  - viel wichtiger war dem BGH da schon eine weitere vertrackte Rechtsfigur, d.h. der sogenannte "Sockelpreis" (alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christkind, sondern auch die Jahresschlußrechnung und der Standardwiderspruch zu § 315 BGB).

Wenn man die Existenz des § 315 BGB aus der AVBGasV/GasGVV nicht herauslesen kann, und es dazu erst einer flächendeckenden Aufklärung durch die Verbraucherschutzverbände bedurfte, damit den Verbrauchern erstmalig in 2004 die Augen geöffnet werden konnten  --   dann ist diese gesetzliche Regelung ein Ausbund von Transparenz.

Und wenn schon der Gesetzgeber nicht in der Lage war, eine ausgewogene Regelung zu schaffen, welche nicht nur die Interessen der Versorgungswirtschaft berücksichtigte, sondern auch diejenigen der anderen Vertragsseite, dann greifen schon gar nicht die Ausgrenzungsregeln der RiLi 93/13 -Verbraucherrichtlinie-. Denn für diese Ausgrenzungsregelung ist erforderlich, dass der nationale Gesetzgeber eine ausgewogene Regelung angeboten hat.

Eine ausgewogene Regelung, die alleine den "weiten Spielraum der Billigkeit" im Auge hat, ist selbst nach Meinung des BGH (-jedenfalls des Kartellsenats-) nicht annähernd existent (vgl. BGH, 13.07.2004, Az.: KZR 10/03 unter II.6; BGH, 17.12.2008, Az.: VIII ZR 274/06).

Aber es reicht ja schon aus, dass der EuGH (Az.: C-92/11) sich zu dem Inhalt der AVBGasV in Bezug auf das dort angesiedelte Preisänderungsrecht klar und deutlich geäußert hat.

Es straft sich halt, wenn Versorger (selbst nach dem geweckten Bewußtsein seit 2004) auf die Billigkeitseinwendung der betroffenen Verbraucher keine Billigkeitserwägungen offenbart haben und stattdessen auf die Preisentwicklung für Rohstoffe in China verwiesen haben.

 Verbraucher, von dieser Argumentation sehr beeindruckt und wiederum ihre Geldbeutel geöffnet und gezahlt, brauchen - so wohl der BGH - nicht geschützt zu werden, wenn diese zu dem Schluß gekommen sein sollten, es bestehe keine Chance sich dieser übernatürlichen Wirtschaftsentwicklung auf diesem Planeten zu entziehen.

Auch hier finden sich klare Worte in der Entscheidung des EuGH vom 21.03.2013 (C-92/11): Der Schutz bezieht sich auf den regelmäßig in der schwächeren Position befindlichen Vertragspartner gegenüber Standardklauselwerken des stärkeren Teils.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

 

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