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Autor Thema: Neuer \"Beweisführungsversuch\" eines Versorgers  (Gelesen 8012 mal)

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Offline Schwalmtaler

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Neuer \"Beweisführungsversuch\" eines Versorgers
« am: 28. Oktober 2005, 09:21:27 »
Hallo zusammen,

mein Versorger scheint nun eine neue Methode der Billigkeitsnachweisung zu testen.

Zitat:\" Sie haben Recht, dass der BAFA-Grenzübergangspreis langsamer als die Gaspreise der EVS gestiegen ist. Der vom BAFA festgestellte Preis ergibt sich aus der Division der Zahlungsströme und den ausgetauschten Gasmengen zwischen den Im- und Exporteuren. Dieser Preis folgt in der Regel den Heizölpreis mit großem Abstand. Da wir unser Gas von unserem Vorlieferanten mit einer Preiskopplung an das leichte Heizöl beziehen, hat der BAFA-Grenzübergangspreis keinen Einfluss auf unsere Bezugskosten.

Ihren Ausführungen bzg. der Gültigkeit unseres Gasbezugsvertrages können wir uns im Übrigen nicht anschließen. Trotz der Aktivität des Bundeskartellamtes im Bezug auf langfristige Gaslieferverträge sind die unter die kartellrechtlichen Beurteilungsgrundsätze fallenden Verträge keinesfalls unwirksam und nichtig. Vielmehr dient diese Aktivität dazu, das die Gasversorger zukünftig ggf. abweichend vom bestehenden Bezugsvertrag Gasmengen zur Bedarfsdeckung von anderen Lieferanten beziehen zu können.\"

Beigefügt war ein Bestätigungsschreiben vom Gaszulieferer RWE Rhein Ruhr, das eine \"ölpreis- und investitionsgüterindexbedingte\" Preiserhöhung zum 01.10.05 von 0,6275 Ct/kwh durchführte.

Werde von der EVS aufgrund §§ 1,2 Abs 1 ENWG verlangen, das sie Ihrerseits gem §315BGB eine Billigkeitsprüfung von RWE einklagt.

Hat sonst ein Versorger bisher schon einem Endverbraucher solch ein Bestätigungsschreiben seines Zulieferers überlassen?

Herr Fricke und GrafKoks, was halten Sie denn von dieser neuen Begründungsvariante?

Offline RR-E-ft

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Neuer \"Beweisführungsversuch\" eines Versorgers
« Antwort #1 am: 28. Oktober 2005, 12:09:14 »
@Schwalmtaler

Es gibt seit langem ein eindeutiges Urteil OLG Düsseldorf in Sachen Thyssengas gegen STAWAG (Stadtwerke Aachen) und


Eine andere Entscheidung des OLG Stuttgart in Sachen Gasversorgung Süddeutschland gegen Stadtwerke Schwäbisch Hall hatte in der Revision vor dem BGH so gute Erfolgsaussichten für die Stadtwerke, dass der Gasversorger  sehr viel Geld für die Rücknahme des Rechtsmittels aufwandt haben soll.

Vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Direktors des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Uni Bonn, Daniel Zimmer, im SPIEGEL 40/2005 vom 01.10.2005 auf Seite 89, wonach sich örtliche Versorger - unabhängig vom Vorgehen des Bundeskartellamtes - auf die Europa- und Kartellrechtswidrigkeit ihrer Verträge berufen können.

Ihr Versorger macht sich deshalb ggf. die Rechtsauffassung von E.ON Ruhrgas/ RWE zu eigen,welche wohl vom BGW kommuniziert wird, gegen welche er sich jedoch gerade zu wenden hätte.

Das mag daran liegen, dass er möglicherweise auf die gleiche juristische Expertise vertraut wie der Marktbeherrscher, obschon entsprechende Kollegen wohl eindeutig in einer Interessenkollission wären.

Ersichtlich wird der BGW von Freshfields Bruckhaus Deringer beraten, die auch den E.ON- Konzern ständig beraten. Jedenfalls eine Tätigkeit der Kollegen Dr. Kunth und Tüngler wurden im Zusammenhang mit der Gaspreisdiskussion und entsprechenden Prozessen immer wieder öffentlich bekannt, vgl. nur SPIEGEL Nr. 41 vom 10.10.2005, S. 108, (110).

http://www.juve.de/cgi-bin/juve/dhb_introtxt.cgi?kapitel=Energiewirtschaftsrecht

Diese Kanzlei hatte wohl auch mit den o.g. Gerichtsverfahren zu tun:

http://www.juve.de/cgi-bin/juve/dhb_eintrag.cgi?ID=2935


Ersichtlich wird, dass es für Gasversorger entscheidend sein kann, von wem man sich gerade auf dem Gebiet des Kartellrechts beraten lässt.



Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
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Offline Schwalmtaler

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Neuer \"Beweisführungsversuch\" eines Versorgers
« Antwort #2 am: 28. Oktober 2005, 16:34:15 »
Hallo Herr Fricke,

danke für Ihre Antwort und entsprechende Hinweise, die ich dem Versorger mitteilen werde.

Ist meine folgende Formulierung \"rechtens\"?

\"Ich weise sie nun nochmals auf §§ 1,2 Abs 1 ENWG hin und fordere sie hiermit auf

a) eine Billigkeitsprüfung gem §315BGB von RWE einzuklagen und
b) sich schleunigst einen  Gaszulieferer zu suchen, dessen Preise einer gerichtl. Billigkeitsüberprüfung auch standhalten.\"

Offline RR-E-ft

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Neuer \"Beweisführungsversuch\" eines Versorgers
« Antwort #3 am: 28. Oktober 2005, 16:59:15 »
@Schwalmtaler

Eine Billigkeitsprüfung klagt man nicht ein. Man lässt sich verklagen, wenn der andere die Preise (faktisch) einseitig bestimmt, um diesen zur Offenlegung der Kalkulation zu zwingen.

Örtliche Versorger müssten sich hierzu zunächst auf die Europa- und Kartellrechtswidrigkeit und somit Nichtigkeit bestehender Verträge berufen, um hiernach in einem sog. Interimsverhältnis weiterbeliefert zu werden, um sodann sämtliche weitere Preiserhöhungen mit Berufung auf Unbilligkeit zu verweigern bzw. sogar Geld zurückzufordern.

Ein Gasversorger käme dann im Hinblick auf den Vorlieferanten in eine ähnliche Situation wie ein Gaskunde gegenüber dem örtlichen Versorger.

Und die ist ja offensichtlich so schlecht nicht, wenn man nur seine Rechte als Verbraucher kennt.....

Sie können Ihren Versorger jedoch auffordern, seiner gesetzlichen Verpflichtung zu einer preisgünstigen Versorgung nachzukommen und Ihnen ggf. die Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung durch Offenlegung der Preiskalkulation nachzuweisen.


Es heißen jedoch nicht alle Versorger E.ON Hanse und wollen sogleich eine Vorreiterrolle für Preistransparenz übernehmen.

Das Quickborner Unternehmen ist in dieser Mission auch erst seit dieser Woche unterwegs und wird deshalb noch nicht alle der ca. 700  mit ihm im harten Wettbwerb stehenden Gasversorgungsunternehmen davon überzeugt haben, das Preistransparenz das beste Argument für Kundenvertrauen ist:

http://www.fr-aktuell.de/ressorts/frankfurt_und_hessen/frankfurt_und_hessen/?cnt=746746&

Da muss man auch E.ON Hanse noch etwas Zeit geben, damit es sich mit dieser fortschrittlichen Einstellung in der Branche durchsetzen kann.

Ein Unternehmen hat es immer leichter, sich zunächst im eigenen Konzern durchzusetzen, wenn es eine eigene Meinung für richtig erkannt hat.

Ich hoffe deshalb, dass E.ON Hanse zunächst die E.ON Energie, deren Töchter E.ON Avacon, E.ON edis, E.ON Mitte, E.ON Thüringen, E.ON Bayern und E.ON Mitte und natürlich auch E.ON Ruhrgas wie auch Thüga von seiner Auffassung überzeugt.

Man wird sehen, wie weit die Überzeugungskraft des Vorstandes der E.ON Hanse insoweit tatsächlich reicht.

Wenn aber alle diese Unternehmen \"mitziehen\", wird man auch die anderen Akteure auf dem deutschen Erdgasmarkt wohl von der Notwendigkeit der Preistransparenz überzeugen können.

Immerhin E.ON Ruhrgas soll sich ja im Zusammenhang mit den Erdgaspreisen schon seit Jahren Gedanken um den besten Verbraucherschutz machen.

Mit dessen bisheriger Auffassung dazu, konnte sich das Unternehmen anscheinend auch in der gesamten Branche durchsetzen.

Es ist gar kein Grund dafür ersichtlich, weshalb  das nun bei einer \"neuen Linie\" von E.ON anders sein sollte.

Allein die aktuelle Infokampagne des E.ON- Konzerns zu den Strom- und Erdgaspreisen hat man wohl bisher vergessen, enstprechend umzustellen.

Das Unternehmen ist jedoch ersichtlich sehr flexibel.

Vielleicht gibt es schon im November neue Plakataktionen und große Zeitungsinserate.

Die großen Plakate und ganzseitigen Zeitungsinserate eignen sich nämlich hervorragend, um die Preiskalkulation in einem Kurzabriss den Verbrauchern verständlich zu erläutern.

Es steht wohl zu erwarten, dass man in seinem großen Bemühen um Preistransparenz nicht nachlassen wird.

Immerhin senkt man auch weitflächig die Netznutzungsentgelte beim Strom und wird den Kunden sicherlich auch ebenso mit umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit verdeutlichen wollen, dass logische Konsequenz die Senkung der Strompreise sein muss, wenn man die Vorteile an die eigenen Kunden weitergeben möchte.


Wir befinden uns also ersichtlich in einer Umbruchphase und in entlegenen Gebieten, sieht man bestimmte Zeichen vielleicht erst etwas später.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Hennessy

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Neuer \"Beweisführungsversuch\" eines Versorgers
« Antwort #4 am: 28. Oktober 2005, 21:31:10 »
Zitat
Immerhin senkt man auch weitflächig die Netznutzungsentgelte beim Strom und wird den Kunden sicherlich auch ebenso mit umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit verdeutlichen wollen, dass logische Konsequenz die Senkung der Strompreise sein muss, wenn man die Vorteile an die eigenen Kunden weitergeben möchte.


......anders ausgedrückt: die Strompreise werden geringer steigen !

Hier sind die Beschaffungskosten stärker gestiegen als die Netzentgelte (allein auf Grund der geänderten Kalkulationsgrundlage-Netzentgeltverordnung) sinken werden - oder warum haben so viele Stromversorger höhere Preisanträge zum 1.01.2006 gestellt?

So wird es kommen, auch wenn das keiner hören will!

Offline RR-E-ft

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Neuer \"Beweisführungsversuch\" eines Versorgers
« Antwort #5 am: 31. Oktober 2005, 19:22:05 »
@Hennessy

Ich teile Ihre Erwartung.

Indes habe ich für die aktuellen wie für die vergangenenen Preiserhöhungsanträge bisher keine einzige plausible Erklärung vernommen. Jedenfalls an den Kosten der Stromerzeugung kann es nicht liegen.

Wenn die NNE jetzt sinken, waren sie wohl vorher einfach zu hoch. Mit anderen Worten: Es wurde bereits in der Vergangenheit zuviel kassiert.

Es wäre also an der Zeit, dass bisher zuviel kassierte Geld zurückzugeben.

Ihre Darstellung stellt darauf ab, plötzlich wären Kosten bei den NNE entfallen- was nicht der Fall ist - und gleichzeitig müssten die Strombezugskosten steigen, so dass es zu einem Ausgleich käme, die Strompreise steuigen nicht so stark, wie zunächst angenommen.


Dafür ist kein sachlich gerechtfertigter Grund ersichtlich, wenn man sich nur die Preisentwicklung bei ostdeutscher Braunkohle ansieht. Und die Erhöhung der Gaspreise ist in den Kraftwerken ist auch moderat ausgefallen, im Übrigen hausgemacht, zudem ist der Anteil an Öl- und Gaskraftwerken laut Aussage des VDEW- Vize Kohlmann im Erfurter Gespräch am 04.08.2005 sehr gering. Zudem wurden ja auch Preissenkungen in der Vergangenheit nicht weitergeben.

Aus meiner Sicht gibt es deshalb keinen Grund für Preiserhöhungen, sondern nur für Preissenkungen.


Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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