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Autor Thema: Abgabepreisanpassung = Bezugspreisanpassung  (Gelesen 11692 mal)

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Offline tangocharly

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Abgabepreisanpassung = Bezugspreisanpassung
« am: 15. Juni 2011, 19:44:34 »
Nachdem die EnBW nun wieder eine neue Preisanpassungrunde eingeläutet hat, der Versuch einer Analyse.

Unterstellt, ein Versorger hat folgende Kalkulatorische Kosten:

(a) Gasbezug                                     30%
(b) Netznutzungs- und Durchleitungsentgelte       35%
(c) Vertriebskosten (20%), Abrechnungskosten (15%)   35%

Somit Summe: 0,3+0,35+0,35 = 1

Weiter wird unterstellt, der Versorger berechnet einen Arbeitspreis (AP 0) von 3,0 ct/kWh.

Nun ist die Kalkulatorische Berechnung durch und es soll eine Steigerung ( AP n) um 9% vorgenommen werden, weil sich die Bezugskosten erhöht hätten.Die sonstigen Kostenfaktoren sollen unverändert sein. Dann ergibt sich die folgende
Ausgangslage:

AP 0          Bezug         Netz        Vertrieb
3,0     *     0,3              0,35        0,35      =              3,0   = 100%

Neuer Arbeitspreis                      (AP n)
3,0     *     0,39            0,35        0,35      =              3,27 = 109%

Der neue Arbeitspreis steigt um 0,27 ct/kWh. Somit neue
Ausgangslage:

3,27   *     0,39            0,31        0,31      =              3,27 =  100%

Nun folgt die nächste Kalkulatorische Berechnung und es soll eine Steigerung (AP 0) um 12% vorgenommen werden, weil sich die Bezugskosten erhöht hätten. Dann ergibt sich ausgehend von der vorstehenden Ausgangslage ein

Neuer Arbeitspreis                     (AP n)
3,27   *     0,51           0,31         0,31      =              3,65 =    112%

Der neue Arbeitspreis steigt um 0,38 ct/kWh. Somit neue
Ausgangslage:

3,65   *     0,51          0,247       0,247    =               3,65  =    100%

Wenn also (AP 0) einmal um 9% und ein andermal um 12% nach oben angepasst wurde, weil sich angeblich die Bezugskosten erhöht hätten, dann zeigt sich aus den vorstehenden Tabellen bei der Entwicklung der Bezugskosten das folgende frappante Ergebnis:

(1)Um den Anstieg (AP 0) um 9% zu ermitteln, müssen die Bezugskosten um 30% gestiegen sein (0,3*0,3 = 0,09+0,3 = 0,39) = 39% der Kalkulatorischen Kosten.

(2)Um den Anstieg (AP 0) um 12% zu ermitteln, müssen die Bezugskosten wiederum um 30% gestiegen sein (0,39*0,3 = 0,117+0,39 = 0,51) = 51% der Kalkulatorischen Kosten.

Wird nun unterstellt, dass sich, ausgehend von der o.a. letzten Ausgangslage die Netzentgelte um 10% abgesenkt hätten, dann ergibt sich ausgehend von der vorstehenden Ausgangslage ein

Neuer Arbeitspreis                     (AP n)
3,65   *      0,51           0,222       0,247   =              3,56  =     98%

Bei einer Absenkung der Netzentgelte um 10% (0,247*0,1 = 0,0247-0,247 = 0,222) verändert sich dieser Kostenfaktor auf 22% der Kalkulatorischen Kosten. Im Ergebnis könnte sich bei einer Senkung der Netzentgelte um 10% (AP n) nur um 2% zu Gunsten des Abnehmers verändern.
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Offline RR-E-ft

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Abgabepreisanpassung = Bezugspreisanpassung
« Antwort #1 am: 15. Juni 2011, 20:24:24 »
Es handelt sich m.E. nicht um eine Grundsatzfrage, sondern betrifft konkret die EnBW.


EnBW will zum 01.08.11 die Arbeitspreise um 0,64 Ct/ kWh brutto, also 0,5378 Ct/ kWh (netto) erhöhen.

Presseverlautbarung der EnBW Vertrieb GmbH

Bei einer Preisbestimmungspflicht der EnBW im konkreten Vertragsverhältnis unterliegt diese einseitige Preisneufestsetzung der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB, ansonsten ist die einseitige Preisänderung unzulässig (vgl. BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29; VIII ZR 246/08 Rn. 41).

Wollte man von einem zuvor vereinbarten Preissockel ausgehen, könnte die einseitige Preisneufestsetzung nur dann der Billigkeit entsprechen, wenn die mit dem Arbeitspreis abzudeckenden Kosten zum 01.08.11 gegenüber einem vorhergehenden Bezugspunkt um mindestens 0,5378 Ct/ kWh gestiegen sind.

Ferner müssen diese im maßgeblichen Zeitraum um mindestens 0,5378 Ct/ kWh gestiegenen Kosten  nicht durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Preissockels (bestehend aus Grund- und Arbeitspreis) kompensiert werden können (vgl. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39; KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Prozentrechnung ist dafür denkbar unbehelflich, weil es um nominale Kostenänderungen geht.

Gerade weil die Prozentrechnung hervorragend zur Verschleierung taugt, wird sie vom Versorger herangezogen. Man spricht auch von einer monatlichen Erhöhung bei einem Durchschnittsverbrauch von 20.000 kWh/ Jahr, während man im Falle von Preissenkungen von einer auf das Jahr gerechneten angeblichen Ersparnis redet, so dass die gefühlte Ersparnis immer höher ausfallen soll als die gefühlte Erhöhung.

Wieviel Prozent der betroffenen Kunden sich hierdurch jeweils einlullen lassen, ist nicht bekannt.

Der immer gleiche Summs:

Zitat
Wegen des rasanten Anstiegs der Erdölpreise in den vergangenen Monaten seien auch die Einkaufskosten für Erdgas gestiegen, begründete der als Weiterverteiler tätige Versorger die Preisanhebung. Preistreibend hätten vor allem der Wirtschaftsaufschwung und die Unruhen in der arabischen Welt gewirkt. Von dieser Entwicklung der Energiepreise könne sich EnBW nicht abkoppeln.

Tatsächlich herrscht in Europa weiter Gasschwemme und die Gaspreise entkoppeln sich zunehmend von den Ölpreisen, an welche sie nur künstlich gekoppelt wurden.

Erdgas- Preisanstieg im Großhandel in den letzten Monaten

Daraus folgt nicht zwingend, dass EnBW einen entsprechenden Kostenanstieg zu verzeichnen hat.

Offline PLUS

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Abgabepreisanpassung = Bezugspreisanpassung
« Antwort #2 am: 15. Juni 2011, 22:39:04 »
Zitat
Original von RR-E-ft

Prozentrechnung ist dafür denkbar unbehelflich, weil es um nominale Kostenänderungen geht.
....
Daraus folgt nicht zwingend, dass EnBW einen entsprechenden Kostenanstieg zu verzeichnen hat.
    Die EnBW braucht  das Geld. Zudem ist sie jetzt im öffentlich rechtlichen Eigentum und quasi verstaatlicht  ;). Da wird dann alles besser.  :evil:

    Das Prozentrechnen hilft schon für den Überblick. Z.B. als Auszug aus dem Zahlenwerk von @tangocharly, wenn da auch der AP etwas niedrig angesetzt ist. Der wäre ja ok!  ;) :

[/list]

Offline RR-E-ft

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Abgabepreisanpassung = Bezugspreisanpassung
« Antwort #3 am: 15. Juni 2011, 23:10:00 »
Es kann offen bleiben, wieviel Inhalt des vorstehenden Beitrages prozentual auf reines Palaver entfällt.

Die Prozentrechnung erscheint schon deshalb als untauglich, weil die EnBW Gas GmbH in der Grundverorgung ziemlich undurchsichtige Zonenpreise verwendet.

All diese Zonenpreise sollen jeweils um 0,64 Ct/ kWh brutto bzw. 0,5378 Ct/ kWh (netto) erhöht werden.

Da all diese Zonenpreise eine unterschiedliche Höhe haben, müssen wohl die Bezugskosten an diesen jeweils auch unterschiedliche Anteile haben.

Für Freunde des Palavers: Nominal oder prozentual?

Dass die Höhe der Bezugskosten nominal einen unterscheidlichen Anteil hat, darf als ausgeschlossen gelten.

Die gem. § 40 Abs. 1 EnWG in den Verbrauchsabrechnungen gesondert auszuweisenden Netzentgelte der EnBW Gasnetz GmbH, gültig ab 01.01.11 rechtfertigen die unterschiedlichen Zonenpreise innerhalb der Erdgas- Grundversorgung bzw. die konkrete Preisdifferenzierung wohl nicht.

Wie sich die Netzentgelte der EnBW Gasnetz GmbH als in die Verbrauchspreise einkalkulierte Netzkosten im Sinne von § 40 Abs. 1 EnWG vor und seit dem 01.01.11 verändert haben, kann man aus dem dortigen Preisblattarchiv ersehen.

Wenn man von allen Zonenpreisen der Grundversorgung jeweils die Zonenpreise der Netznutzung abzieht, sollte die Differenz (= Bezugskosten + Marge) jeweils gleich sein.

Die Bezugskosten in Ct/ kWh müssten wohl für alle grundversorgten Kunden  identisch sein. Ist dann jedoch die v. g. Differenz zwischen den jeweiligen Zonenpreisen der Grundversorgung und den Zonenpreisen der Netzentgelte nicht identisch, so wäre auch die Marge bezogen auf verschiedene Abnahmefälle nicht identsch, was bedenklich wäre.

Der Experte wird noch auf die unterschiedlich höchstzulässige Tarifkunden- Konzessionsabgabe abhängig vom Verwendungszweck und damit von den Jahresverbrauchsmengen verweisen.

Der Verfechter der Laberkunst wird hingegen einwenden, Konzessionsabgabe sei sowieso ungerechtfertigter Mist, der abgeschafft gehöre.

Offline PLUS

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Abgabepreisanpassung = Bezugspreisanpassung
« Antwort #4 am: 15. Juni 2011, 23:43:43 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Es kann offen bleiben, wieviel Inhalt des vorstehenden Beitrages prozentual auf reines Palaver entfällt.

Die Prozentrechnung erscheint schon deshalb als untauglich, weil.....

Die gem. § 40 Abs. 1 EnWG in den Verbrauchsabrechnungen gesondert auszuweisenden Netzentgelte der EnBW Gasnetz GmbH, gültig ab 01.01.11  rechtfertigen die unterschiedlichen Zonenpreise innerhalb der Erdgas- Grundversorgung bzw. die konkrete Preisdifferenzierung wohl nicht.
...
    Wenn ich den Beitrag von @tangocharly richtig verstanden habe, ging es ja wohl um eine beispielhafte Rechnung und nicht um konkrete EnBW-Verhältnisse. Dafür erscheint mir eine Prozentrechnung schon für hilfreich bzw. \"tauglich\".

    Vielleicht begründet die EnBW die Zonenpreise ja mit den proportional unterschiedlichen Vertriebs- und Abrechnungskosten oder mit was auch immer, wer weis das schon. Ob die Zonenpreise überhaupt bzw. die Erhöhung gerechtfertig oder  die Begründung tauglich oder untauglich ist, wird sich wieder im Einzelfall zeigen.  Vielleicht legt der \"verstaatlichte\" Energiekonzern mit neuen Aufsichtsratsmitgliedern ja mal die Kalkulation offen.  8)  Fragen nach der Rechtfertigung der Erhöhung der Gaspreise, insbesondere in dieser Höhe, ist wohl angebracht, mit oder ohne Prozentrechnung.

Offline RR-E-ft

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Abgabepreisanpassung = Bezugspreisanpassung
« Antwort #5 am: 15. Juni 2011, 23:50:58 »
Zitat
Original von PLUS
Wenn ich den Beitrag von @tangocharly richtig verstanden habe, ging es ja wohl um eine beispielhafte Rechnung und nicht um konkrete EnBW-Verhältnisse. Dafür erscheint mir eine Prozentrechnung schon für hilfreich bzw. \"tauglich\".

Wohl hohe Laberkunst.

Prüfstein aller Theorie sei die Praxis.
Die Analyse des konkreten Falles belegt wohl, wie wenig sinnvoll allgemein die Prozentrechnung dabei sein kann.

Offline tangocharly

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Abgabepreisanpassung = Bezugspreisanpassung
« Antwort #6 am: 16. Juni 2011, 14:53:30 »
Zitat
Original von PLUS
Zitat
Original von RR-E-ft
[....]
...
    Wenn ich den Beitrag von @tangocharly richtig verstanden habe, ging es ja wohl um eine beispielhafte Rechnung und nicht um konkrete EnBW-Verhältnisse. [...]

Mit dieser Einschätzung haben Sie durchaus Recht.

Es geht dabei nicht (nur) um den symbadischen Haufen aus Karlsruhe.

Und da wir alle Freunde von kryptischen Zahlenspielen sind, war das Beispiel auch vereinfachend mit (Prozent-)Werten eines fiktiven Versorgers aus dessen fiktiver Kalkulation ausgestattet.

Zwei Ergebnisse sind dabei beachtlich:

(1) Es gibt kein 1:1 zwischen Bezug und Abgabe.

(2) Je höher die Beschaffungskosten, um so geringer wirkt sich der Spass (sil. die Veränderung) bei den sonstigen Kosten aus.


@RR-E-ft
Ihre Einschätzung von dem raffinierten Verwirrungspiel, eben besagten Haufens, teile ich uneingeschränkt.

Und zu allem Spaß sollten Sie sich mal die PWC-Bescheinigung ansehen, welche auf der homepage, eben besagten Haufens, erscheint, in geeigneten Situationen gerne als \"Testate\" signifiziert.
Die Herrschaften wissen heute schon, wohin die Ölpreise bis ins Jahr 2012 steigen (sil. nicht fallen) und dementsprechend deren Beschaffungskosten sich verändern werden.

Wie bereits andernorts ausgeführt, jetzt aber EnBW-spezifisch, die Anbieter im Spotmarkt wagen es nicht (trotz Gasschwemme), der EnBW Belieferungsangebote zu unterbreiten. Am Ende hat man zwei Angebote. Und, welch ein Zufall, der konzerneigene Lieferant (mit Ölpreisbindung) sei schließlich der \"billige Jakob\".

These: \"Nein, es wird nicht abgesprochen - man beobachtet nur den Markt\".
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