Sehr geehrter Herr Engelsing,
danke für das Gespräch, dass wir am Rande der Handelsblatt Tagung am 19. Januar 2011 in Berlin führten.
Ich schreibe Ihnen heute diese Email - die ich auch bei uns ins Internetforum stelle -, um ein möglicherweise zwischen uns vorliegendes Mißverständnis aufzuklären. Auch können all jene, die meine Fragen und Ihre Antworten lesen, sich selbst ein Urteil bilden.
Ihr Untersuchungsgang ist beschrieben im Bericht des Bundeskartellamts:
http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Stellungnahmen/110113_Bericht_SU_Strom__2_.pdfSie stellen zutreffend fest, dass während eines Großteil des Jahres die Kraftwerke jeder der vier Grossen notwendig sind, um die Stromangebot und Stromnachfrage in ein Gleichgewicht zu bringen. Fehlt es an diesem Gleichgewicht, dann bricht die gesamte Stromversorgung zusammen, auch wenn der Fehlbetrag gering ist (siehe Bericht Seite 107).
Das würde es jedem dieser Grossen erlauben, einen beliebig hohen Strompreis zu verlangen. Denn ohne dieses hohe Angebot wäre die Nachfrage nach Strom nicht zu befriedigen, die Versorgung bräche zusammen.
Dadurch ist der Strompreis in das Belieben der vier Grossen gestellt. Und jeder Stromerzeuger profitiert von einer Preisüberhöhung, weil alle Angebote zum Preis des teuersten Angebots gehandelt werden.
Der Bericht spricht von einer finanziellen Kapazitätszurückhaltung als einem Ausbeutungsmissbrauch (Seite 119 des Berichts).
Ziel der Untersuchung war es, die Strompreisbildung in Deutschland zu untersuchen (Seite 212). Man beschränkte sich jedoch darauf, Anhaltspunkte für eine Kapazitätszurückhaltung von Kraftwerksblöcken zu erlangen. Für jedes Kraftwerk wurde viertelstundenweise abgefragt, wie hoch die variablen Kosten jeweils waren und zu welchem Preis der Strom zum Verkauf angeboten wurde (Seite 126).
Die Funktionsweise der Grosshandelsmärkte ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass nur ein kleiner Teil des Strom an der Strombörse EEX gehandelt wird und der weitauf größere Teil ausserhalb der Börse gehandelt wird, allerdings werden die Börsenpreise auch dem außerbörslichen Stromhandel zugrunde gelegt (Seite 46 des Berichts). Das macht den EEX-Stromhandel anfällig für Marktbeeinflussung.
Es ist für die Grossen durchaus lukrativ, Strom an der EEX einzukaufen und diesen Strom ausserbörslich (OTC) wieder zu verkaufen. Dabei wird zwar kein Gewinn gemacht, weil die OTC und EEX Preise sich entsprechen. Allerdings treibt jeder Strompreisanstieg an der Börse alle Preise nach oben, sowohl im Day-Ahead Markt als auch am Terminmarkt. RWE war im Jahr 2006 nachweislich der größte Stromkäufer an der EEX. Es kann ausser Zweifel stehen, dass dies die Börsenpreise erhöht hat. Es ist offensichtlich, dass dieses Marktverhalten von RWE Trading dem RWE in seiner Rolle als Stromerzeuger sehr hohe Zusatzgewinne einbrachte.
http://www.energieverbraucher.de/seite_516.html/Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts ist aus zwei Gründen unzureichend:
Das Bundeskartellamts hat die Handelsaktivitäten von RWE Trading oder anderer dem RWE nahestehenden Stromhändler und ihren Einfluss auf die EEX-Preise nicht betrachtet. Auch wurde ausgeklammert, ob der Strom eines Kraftwerks an der EEX überhaupt angeboten wurde. Damit wurden die wesentlichsten Mißbrauchsmöglichkeiten des Stromgrosshandels von vornherein aus der Sektoruntersuchung ausgeblendet.
Der zweite Mangel ist die fehlende Nachprüfung des Unternehmensangaben. Zutreffend ist der Einwand des Kartellamts, dass die Gebote beim Stromhandel nicht kraftwerksscharf oder gar blockweise zuzuordnen sind. Damit sind die Unternehmensangaben bereits vom Prinzip her nicht überprüfbar. Es fragt sich, welche Aussagekraft solchen Angaben dann beizumessen sind.
Warum hat das Bundeskartellamt eine sehr teure, grossangelegte Untersuchung durchführt, die bereits von ihrer Anlage her nicht in der Lage ist, die wesentlichen Mißbräuche der grossen Stromerzeuger aufzudecken?
Ich bin gespannt ebenso wie die anderen Leser meiner an Sie gerichteten Email, ob mir bei meiner obigen Darstellung eventuell Fehler unterlaufen sind oder ich etwas übersehen habe.
Mit herzlichem Gruss
Dr. Aribert Peters
Vorsitzender
Bund der Energieverbraucher e.V.
Frankfurter Strasse 1
53572 Unkel
Telefon 02224 9227 0