Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor  (Gelesen 16991 mal)

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Offline energienetz

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #1 am: 27. Januar 2011, 16:01:33 »
Sehr geehrter Herr Engelsing,

danke für das Gespräch, dass wir am Rande der Handelsblatt Tagung am 19. Januar 2011 in Berlin führten.

Ich schreibe Ihnen heute diese Email - die ich auch bei uns ins Internetforum stelle -, um ein möglicherweise zwischen uns vorliegendes Mißverständnis aufzuklären. Auch können all jene, die meine Fragen und Ihre Antworten lesen, sich selbst ein Urteil bilden.

Ihr Untersuchungsgang ist beschrieben im Bericht des Bundeskartellamts:
http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Stellungnahmen/110113_Bericht_SU_Strom__2_.pdf

Sie stellen zutreffend fest, dass während eines Großteil des Jahres die Kraftwerke jeder der vier Grossen notwendig sind, um die Stromangebot und Stromnachfrage in ein Gleichgewicht zu bringen. Fehlt es an diesem Gleichgewicht, dann bricht die gesamte Stromversorgung zusammen, auch wenn der Fehlbetrag gering ist (siehe Bericht Seite 107).

Das würde es jedem dieser Grossen erlauben, einen beliebig hohen Strompreis zu verlangen. Denn ohne dieses hohe Angebot wäre die Nachfrage nach Strom nicht zu befriedigen, die Versorgung bräche zusammen.

Dadurch ist der Strompreis in das Belieben der vier Grossen gestellt. Und jeder Stromerzeuger profitiert von einer Preisüberhöhung, weil alle Angebote zum Preis des teuersten Angebots gehandelt werden.

Der Bericht spricht von einer finanziellen Kapazitätszurückhaltung als einem Ausbeutungsmissbrauch (Seite 119 des Berichts).

Ziel der Untersuchung war es, die Strompreisbildung in Deutschland zu untersuchen (Seite 212). Man beschränkte sich jedoch darauf, Anhaltspunkte für eine Kapazitätszurückhaltung von Kraftwerksblöcken zu erlangen. Für jedes Kraftwerk wurde viertelstundenweise abgefragt, wie hoch die variablen Kosten jeweils waren und zu welchem Preis der Strom zum Verkauf angeboten wurde (Seite 126).

Die Funktionsweise der Grosshandelsmärkte ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass nur ein kleiner Teil des Strom an der Strombörse EEX gehandelt wird und der weitauf größere Teil ausserhalb der Börse gehandelt wird, allerdings werden die Börsenpreise auch dem außerbörslichen Stromhandel zugrunde gelegt (Seite 46 des Berichts). Das macht den EEX-Stromhandel anfällig für Marktbeeinflussung.
Es ist für die Grossen durchaus lukrativ, Strom an der EEX einzukaufen und diesen Strom ausserbörslich (OTC) wieder zu verkaufen. Dabei wird zwar kein Gewinn gemacht, weil die OTC und EEX Preise sich entsprechen. Allerdings treibt jeder Strompreisanstieg an der Börse alle Preise nach oben, sowohl im Day-Ahead Markt als auch am Terminmarkt. RWE war im Jahr 2006 nachweislich der größte Stromkäufer an der EEX. Es kann ausser Zweifel stehen, dass dies die Börsenpreise erhöht hat. Es ist offensichtlich, dass dieses Marktverhalten von RWE Trading dem RWE in seiner Rolle als Stromerzeuger sehr hohe Zusatzgewinne einbrachte.
http://www.energieverbraucher.de/seite_516.html/
Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts ist aus zwei Gründen unzureichend:

Das Bundeskartellamts hat die Handelsaktivitäten von RWE Trading oder anderer dem RWE nahestehenden Stromhändler und ihren Einfluss auf die EEX-Preise nicht betrachtet. Auch wurde ausgeklammert, ob der Strom eines Kraftwerks an der EEX überhaupt angeboten wurde. Damit wurden die wesentlichsten Mißbrauchsmöglichkeiten des Stromgrosshandels von vornherein aus der Sektoruntersuchung ausgeblendet.

Der zweite Mangel ist die fehlende Nachprüfung des Unternehmensangaben. Zutreffend ist der Einwand des Kartellamts, dass die Gebote beim Stromhandel nicht kraftwerksscharf oder gar blockweise zuzuordnen sind. Damit sind die Unternehmensangaben bereits vom Prinzip her nicht überprüfbar. Es fragt sich, welche Aussagekraft solchen Angaben dann beizumessen sind.

Warum hat das Bundeskartellamt eine sehr teure, grossangelegte Untersuchung durchführt, die bereits von ihrer Anlage her nicht in der Lage ist, die wesentlichen Mißbräuche der grossen Stromerzeuger aufzudecken?

Ich bin gespannt ebenso wie die anderen Leser meiner an Sie gerichteten Email, ob mir bei meiner obigen Darstellung eventuell Fehler unterlaufen sind oder ich etwas übersehen habe.

Mit herzlichem Gruss
Dr. Aribert Peters
Vorsitzender
Bund der Energieverbraucher e.V.
Frankfurter Strasse 1
53572 Unkel
Telefon 02224 9227 0

Offline energienetz

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #2 am: 02. Februar 2011, 09:18:37 »
Sehr geehrter Herr Peters,
in Ihrer Email kommen eine Reihe von offensichtlichen Fehlvorstellungen über die Sektoruntersuchung Stromgroßhandel und die Funktionsweise der Strommärkte zum Ausdruck. Grundsätzlich halte ich zwar eine Korrespondenz über Ihr öffentliches Forum weder für sachgerecht noch für zielführend. Dennoch möchte ich ein paar Missverständnisse, die Ihnen unterlaufen sind, klarstellen:

1. Die vier größten Stromerzeugungsunternehmen verfügen nach den Ergebnissen unserer Sektoruntersuchung zumindest im Jahre 2007 über eine individuell marktbeherrschende Stellung. Die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung beinhaltet aber nicht einen Beweis für die missbräuchliche Ausnutzung dieser Stellung. Diese müssen wir gesondert nachweisen. Eine marktbeherrschende Stellung an sich ist nicht verboten.

2. Wir haben untersucht, ob Energieversorger missbräuchlich Kapazitäten finanziell oder physisch zurückgehalten haben. Unser Untersuchungskonzept entspricht dem der Europäischen Kommission und aller europäischen Wettbewerbsbehörden. Wir haben es insoweit weiterentwickelt, als die Datenerhebung umfangreicher und der von uns entwickelte und programmierte Algorithmus genauer waren. Die zahlreichen Nebenbedingungen der Kraftwerkseinsatzsteuerung (Mindestlauf- und Mindeststillstandszeiten sowie An- und Abfahrkosten) haben wir sachgerecht erfasst. Wir haben einen geringen Nichteinsatz von Kraftwerken nach unserer Optimierung festgestellt, für den aber sachliche Rechtfertigungsmöglichkeiten bestehen. Für den gerichtsfesten Nachweis eines Missbrauchs war dies nicht ausreichend.

3. Wir haben die Jahre 2007 und 2008 untersucht. Im Hinblick auf das von Ihnen genannte Jahr 2006 hat die Europäische Kommission das Verhalten von RWE auf Kapazitätszurückhaltungen untersucht und mangels Anhaltspunkten für einen Missbrauch das Verfahren eingestellt.

4. Sie sprechen die angebliche Möglichkeit an, dass Unternehmen unmittelbar oder über Dritte durch Käufe am Spotmarkt die Nachfrage künstlich in die Höhe treiben und so die Preise manipulieren könnten. Aus unserer Sicht ist eine solche Strategie nicht möglich. Über einen einzigen Handelszugang über die Börse können Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt entweder kaufen oder verkaufen. Gleichzeitige Verkäufe und Käufe können nicht stattfinden. Dies ist auch nicht über den Handelszugang Dritter ohne weiteres möglich. Eine Manipulation des Marktes kann so weitgehend ausgeschlossen werden.

5. Auch ist sehr zweifelhaft, ob eine solche Strategie wirtschaftlich für die Unternehmen überhaupt sinnvoll ist. Ein kurzfristiger Ankauf physischer Strommengen durch ein Unternehmen am sogenannten Day-Ahead-Spotmarkt würde, sofern keine entsprechenden Lieferverpflichtungen bestehen, zu einer Überspeisung des Bilanzkreises führen. Dies verstößt jedoch gegen die sich aus der Stromnetzzugangsverordnung und den Bilanzkreisverträgen ergebenden Verpflichtung, den Bilanzkreis möglichst ausgeglichen zu halten. Die Möglichkeiten, größere Strommengen nach der Day-Ahead-Auktion wieder zu verkaufen, waren aber stark eingeschränkt. So war im den Jahren 2007 und 2008 der zeitlich dem Day-Ahead-Handel folgende Intraday-Handel zumeist recht wenig liquide. Zudem würde ein Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Risiken eingehen, wenn es am Spotmarkt kurzfristig mehr Strom einkauft als es tatsächlich benötigt, da der Strom entweder gar nicht mehr verkauft oder nur mit hohen Abschlägen verkauft werden kann.

6. Es ist möglich, dass große Erzeugungsunternehmen an der Börse als Netto-Käufer (und nicht Netto-Verkäufer) auftreten, denn es ist durchaus vorstellbar, dass ihre Lieferverpflichtungen ihre Erzeugungskapazitäten übersteigen. Darüber hinaus wird der Spotmarkt vor allem zur kurzfristigen Optimierung des eigenen Portfolios im Sinne einer Make-or-Buy-Entscheidung genutzt. Der Zukauf von Strommengen Dritter, die günstiger sind als in eigenen Kraftwerken erzeugter Strom ist nicht nur aus Sicht des Unternehmens wirtschaftlich rational, sondern kann durchaus auch zu einer volkswirtschaftlich effizienten Nutzung von Erzeugungsanlagen beitragen

7. Zu Ihrem Einwand, dass in der Sektoruntersuchung nicht untersucht wurde, ob ein Kraftwerk an der Börse überhaupt angeboten wurde, ist zu sagen, dass dies für die Untersuchung auf eine Kapazitätszurückhaltung vollkommen unerheblich ist. Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts deckt den gesamten physischen Strommarkt in Deutschland ab, unabhängig davon, über welchen Vertriebsweg der Strom tatsächlich verkauft wurde. Entscheidend ist nur, dass alle Kraftwerke der marktbeherrschenden Unternehmen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt wirtschaftlich hätten betrieben werden können, auch tatsächlich gelaufen sind. Dies ist nach unseren Ergebnissen im Wesentlich der Fall.

8. Das von Ihnen monierte Prinzip, dass das teuerste zur Deckung der Nachfrage notwendige Kraftwerk den Preis für den gesamten Markt setzt, ist nicht zu beanstanden. Dieser Grundsatz gilt für alle wettbewerblich geprägten Märkte.

9. Grundsätzlich ist auch eine detaillierte Überprüfung etwa der Angaben zu den Grenzkosten einzelner Kraftwerke möglich. Wir haben die Grenzkosten einiger Kraftwerke durch Simulationen überprüft. Im Rahmen der Sektoruntersuchung konnte aus Ressourcengründen keine vollumfängliche Prüfung der Daten vorgenommen werden. Eine detailliertere Prüfung wäre mit einer Markttransparenzstelle, wie sie im Energiekonzept der Bundesregierung vorgesehen ist, eher möglich.

10. Die Beschlussabteilung hat durch die durchgeführten Plausibilisierungen keine Hinweise darauf erhalten, dass die Angaben der Unternehmen systematisch falsch sind. Im Übrigen wurden die Daten mittels bußgeldbewehrter Auskunftsbeschlüsse erhoben, so dass davon auszugehen ist, dass die Unternehmen gewissenhaft geantwortet haben.

11. Für die Einhaltung der Marktregeln und die Verhinderung von Marktmanipulationen bei Finanzderivaten auf den Terminmärkten sind die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) und die Handelsüberwachungsstelle (HüSt) zuständig. Die Handelsüberwachungsstelle hat das Handelsverhalten insbesondere von RWE über die Jahre vollständig und kontinuierlich und unter verschiedenen Aspekten untersucht und keine Anhaltpunkte für Verstöße gegen Marktverhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes und des Börsenregelwerks einschließlich des börseneigenen Code of Conducts insbesondere für Preis- oder Marktmanipulation festgestellt.

12. Sie haben eine Strafanzeige gegen RWE und E.ON wegen Preismanipulationen bei der Staatsanwaltschaften Düsseldorf und Essen gestellt. Darüber berichten Sie auch groß auf ihrer website. Die Staatsanwaltschaften Düsseldorf und Essen haben schon einen Anfangsverdacht verneint und deshalb kein Verfahren eröffnet. Darüber berichten sie auf ihrer website nicht.

Die Funktionsweise der Strommärkte ist sicherlich komplex. Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Erläuterungen weiterhelfen konnte. Sollten Sie die Strommärkte weiterhin nicht verstehen, steht Ihnen die Beschlussabteilung zur Beantwortung von Fragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Felix Engelsing Bundeskartellamt
Vorsitzender 10. Beschlussabteilung

Offline Harms

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #3 am: 03. Februar 2011, 21:08:46 »
Sehr geehrter Herr Dr. Engelsing,

ich habe zu 3 Punkten aus Ihrer Antwort folgende Fragen bzw. Hinweise:

Zu 4) Transaktionen am Spotmarkt und gleichzeitiger bzw. kurzfristig danach erfolgende Transaktionen am Terminmarkt sind unabhängig voneienander durchaus möglich, es wird in Ihrer Antwort allerdings nur auf den Spotmarkt abgestellt. Genau das, also Kauf am Spot und Verkauf am langen Ende ist aber m.E. offensichtlich erfolgt und genau das wäre nämlich m.E. auch ein entscheidender Ansatzpunkt gewesen. Außerdem haben große Unternehmen durchaus auch mehrere Handelszugänge, z.B. allein schon über ihre diversen Handelstöchter. Händler A kauft/verkauft am Spotmarkt und Händler B beobachtet und kauft/verkauft gleichzeitig am Terminmarkt.

Zu 5) Handelsaktivitäten haben auf das Bilanzkreisgleichgewicht zumindest von Handelsteilnehmern, die über eigene Erzeugungskapazitäten bzw. Verbrauchsstellen verfügen, keinen Einfluß, wenn für die georderten bzw. erhaltenen Mengen dann die Eigenerzeugung entsprechend heruntergefahren wird. Da der Spothandel stets am Vortag stattfindet, hat jeder Kraftwerksbetreiber genügend Zeit, die Einsatzplanung je nach Bezuschlagung der erteilten Spotmarkt-Orders in Ruhe für den Folgetag zu justieren und ausgeglichene Fahrpläne abzugeben.
Es ist übliche Praxis, am Spotmarkt Orders für den Folgetag unterhalb der eigenen Kosten einzustellen. Wenn diese erfolgreich bedient werden, kann man die eigenen Anlagen in genau dem Umfang ruhen lassen, weil man den Strom billiger an der EEX bekommt. Umgekehrt gilt das Gleiche: Parallel werden Verkaufsorders oberhalb der eigenen Kosten eingestellt, um Gewinne mitzunehmen, falls der Preis so hoch steigt. Erfolgreiche Zuschläge werden dann aus der noch verfügbaren Eigenerzeugung bedient. Wenn kein Zuschlag erfolgt, kann man das auch oft noch intraday vermarkten.

Punkt 12: Ist es nicht so, daß - im Kern - von den Staatsanwaltschaften nur deswegen nicht weiter ermittelt wurde, weil die Taten (Hochtreiben der Preise durch Handelsaktivitäten; siehe z.B. Vermerke zu Eigenhandelsbuch E.ON Sales & Trading) damals noch nicht strafbar waren (Insiderhandelsverbot galt für Strom und dessen Derivate noch nicht, deshalb kein Anfangsverdacht) ? Ich bin kein Jurist, aber unabhängig davon: Aus dem Schriftsatz des Amtes selbst von 2006 geht doch m.E. klar hervor, daß Preise bewußt nach oben getrieben wurden (Zitate aus E.ON-Vorstandsprotokollen etc.) ? Das sollte m.E. nicht in Vergessenheit geraten sein. Ich gehe allein deshalb nach wie vor von bewiesenem (oder zumindest von den Tätern anhand der Asservate sebst belegtem) vorsätzlichem Handeln zur Marktbeeinflussung aus. Nicht umsonst hat die EU-Kommission schließlich E.ON weitreichende Verkaufsauflagen erteilt.

Mit freundlichen Grüßen

Gunnar Harms
Gunnar Harms

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #4 am: 04. Februar 2011, 11:23:38 »
@ Harms

Aus Ihrem erhellenden Beitrag schließe ich, dass im Stromhandel geschummelt wird, dass sich die Balken biegen. Und hier im Forum wird jeder gescholten und verunglimpft, der einer notwendigen Verbesserung des Verbraucherrechts/Verbraucherschutzes das Wort redet.

Offline RR-E-ft

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #5 am: 04. Februar 2011, 11:30:39 »
Verbraucher nehmen regelmäßig nicht an dem auch von der Sektorenuntersuchung des Bundeskartellamtes betroffenen Stromgroßhandel teil.

Das Bundeskartellamt war nach der Sektorenuntersuchung zu dem Ergebnis gelangt, dass es den Konzernen im Stromgroßhandel möglich sei, die Preise zu manipulieren, dass solche Manipulationen jedoch für bestimmte Jahre vom Amt selbst nicht notwendig  gerichtsfest nachgewiesen werden konnten.

Dieser Thread sollte der oben genannten, in der Sache geführten  Korrespondenz mit der 10.Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes vorbehalten bleiben.

Untunlich weil überhaupt nicht zielführend ist eine Diskussion darüber, wer was woraus wie weshalb für sich schließt bzw. folgert.
Es ist schon nicht ersichtlich, auf welchem persönlichen Sachverstand sich entsprechende gedankliche Folgerungen gründen sollen.

Offline energienetz

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #6 am: 04. Februar 2011, 16:03:47 »
Sehr geehrter Herr Engelsing,

zunächst möchte ich Ihnen für die kurzfristige Antwort danken.

Sie sprechen das Jahr 2006 und das Verfahren der EU Kommission an (Punkt 3).

Die EU-Kommission hat sich nicht auf Unternehmensangaben verlassen, sondern zweimal die Geschäftsräume der Konzerne durchsucht. Die Funde waren alles andere als harmlos:

E.on hat ein Siegel gebrochen, das die sichergestellten Unterlagen sicherte und dafür hat die Kommission gegen E.on ein Bussgeld in Höhe von 38. Millionen Euro verhängt. Der Europäische Gerichtshof hat diese Entscheidung vor wenigen Tagen bestätigt.

E.on hat sich zu weitgehenden Zusagen gegenüber dem Kommission verpflichtet, bevor diese das Verfahren einstellte (Verkauf von Stromnetzen und Kraftwerken).

Das Bundeskartellamt hat selbst in einem internen Vermerk eine Fundsache zitiert, nach der E.on gezielt handelte, um an der Börse ein Zielniveau zu erreichen. Dieser Vermerk ist an die Öffentlichkeit gelangt und kann u.a. auf unserer Internetseite nachgelesen werden.

Auch hat ein Insider, der an der Strombörse selbst tätig war, auf die Strompreismanipulationen dort öffentlich aufmerksam gemacht und dies auch für das Jahr 2006 nachvollziehbar belegt.

Anders als es sich bei Ihnen unter Punkt 3 liest, war also der Stromgrossmarkt im Jahr 2006 alles andere als in Ordnung.

Zu ergänzen ist allerdings, dass das Bundeskartellamt zu jener Zeit unter einer anderen Leitung stand und auch die Beschlussabteilung nicht von Ihnen sondern von Carsten Becker geleitet wurde. Unter dieser anderen Besetzung wurde auch ein Mißbrauchsverfahren gegen E.on und RWE eingeleitet wegen Einpreisung kostenlos zugeteilter Zertifikate. Dieses Verfahren wurden eingestellt, kurz nachdem die Leitung des Bundeskartellamts gewechselt hatte.

Unter Punkt 4 führen Sie an, dass der Börsenpreis nicht manipuliert werden kann, weil Unternehmen dort entweder nur kaufen oder nur verkaufen könnten.

Das ist sachlich unrichtig. Ein Börseninsider, der selbst in der EEX Börse tätig war, teilte uns dazu mit: „Natürlich haben Unternehmen, die über einen Zugang zur Börse verfügen, mehrere Abteilungen, die diesen Zugang -entweder weitgehend unabhängig voneinander oder koordiniert- parallel nutzen. So kann zum Beispiel die Handelsabteilung Strom verkaufen während die Beschaffungsabteilung desselben Unternehmens Strom kauft. Bei größeren EVUs wie RWE oder Vattenfall ist diese Arbeitsweise sogar nicht die Ausnahme sondern die Regel“.

Gunnar Harms, der selbst als Händler an der EEX Börse handelt, teilt dazu mit: „Kauf am Spotmarkt und gleichzeitiger bzw. kurzfristig danach erfolgender Verkauf am Terminmarkt ist durchaus möglich. Kauf am Spotmarkt und Verkauf am langen Ende ist aber m.E. offensichtlich erfolgt und genau das hätte ein Untersuchungsziel des Bundeskartellamts sein müssen. Außerdem haben große Unternehmen durchaus auch mehrere Handelszugänge, z.B. allein schon über ihre diversen Handelstöchter. Händler A kauft am Spotmarkt und Händler B beobachtet und verkauft gleichzeitig am Terminmarkt“.

Sie führen aus, dass ein Stromkauf am Spotmarkt wirtschaftlich sinnlos sei, weil der gekaufte Strom nicht wieder verkauft werden kann und im Bilanzkreis dann zuviel Strom zur Verfügung stände (Punkt 5).

Allerdings kann ein Stromerzeuger wie zB RWE zum Ausgleich des Bilanzkreises die Eigenerzeugung entsprechend herunterfahren. Da am Spotmarkt nur ein geringer Teil des insgesamt erzeugten Stroms gehandelt wird, genügt schon der Kauf geringer Strommengen, um das Strompreisniveau an der Börse deutlich nach oben zu schieben. Auf die entsprechenden Belege des VIK sei verwiesen. Bei Ihrer Untersuchung der Kapazitätszurückhaltung von Kraftwerken wäre ein solches Verhalten nicht aufgefallen, da sogar Stillstandszeiten von 25% nicht weiter von Ihnen hinterfragt worden sind.

Da der Spothandel stets am Vortag stattfindet, hat jeder Kraftwerksbetreiber genügend Zeit, die Einsatzplanung je nach Bezuschlagung der erteilten Spotmarkt-Orders in Ruhe für den Folgetag zu justieren und ausgeglichene Fahrpläne abzugeben. Es ist übliche Praxis, am Spotmarkt Orders für den Folgetag unterhalb der eigenen Kosten einzustellen. Wenn diese erfolgreich bedient werden, kann man die eigenen Anlagen in genau dem Umfang ruhen lassen, weil man den Strom billiger an der EEX bekommt. Umgekehrt gilt das Gleiche: Parallel werden Verkaufsorders oberhalb der eigenen Kosten eingestellt, um Gewinne mitzunehmen, falls der Preis so hoch steigt. Erfolgreiche Zuschläge werden dann aus der noch verfügbaren Eigenerzeugung bedient. Wenn kein Zuschlag erfolgt, kann man das auch oft noch intraday vermarkten.

Sie führen aus (Punkt 12), dass ich Anzeige gegen RWE und E.on erstattet hätte. Das ist unrichtig.
Weder ich als Person, noch der Bund der Energieverbraucher e.V. haben gegen RWE oder E.on Anzeige erstattet. Unrichtig ist auch, dass dies auf unserer Internetseite berichtet wird.
Richtig ist vielmehr, dass am 23. März 2009 Herr Federhen Strafanzeige gegen E.on und RWE gestellt hat wegen des Verdachts der Strompreismanipulation. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat aufgrund der Anzeige durchaus Vorermittlungen aufgenommen, jedoch nach gut acht Monaten auf über hundert Seiten schriftlich begründet, dass kein ausreichender Anfangsverdacht vorliege. Die Staatsanwaltschaft Essen hat die Anzeige gegen RWE an die Staatsanwaltschaft Leipzig abgegeben. Von dort wurde am 10.1.2011 mitgeteilt, dass die Vorermittlungen eingestellt wurden. Dies haben immerhin fast zwei Jahre angedauert. Sie stellen dies so dar, dass kein Verfahren eröffnet wurde.

Der renommierte Fachanwalt und Autor Dr. Peter Becker schreibt über Ihre Untersuchung: „Entscheidende Fragen sind nicht gestellt worden: Warum die großen Vier mit 80 % ihres Stromangebots einen Bogen um die Energiebörse EEX machten, der damit hochgetriebene Börsenpreis aber der Referenzpreis ist – diese Strategie hätte auf ihre Auswirkungen auf den Großhandelsmarkt untersucht werden müssen“. Es freut mich, dass durch unseren Austausch die Meinungsverschiedenheiten konkretisiert werden konnten.

Mit freundlichem Gruss Dr. Aribert Peters Vorsitzender Bund der Energieverbraucher e.V.

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« Antwort #7 am: 06. Februar 2011, 20:12:50 »
Im Zuge der Diskussion um die Laufzeitverlängerung der Kernkrfatwerke hieß es, diese würden für günstigere Strompreise sorgen. Die Gegner erwiderten, die Laufzeitverlängerung habe keinen Einfluss auf die Großhandelspreise, weil die Kernkraftwerke mit geringen variablen Stromerzeugungskosten nach der merit-order-Preisbildung gar nicht preisbestimmend seien.

Die Befürworter der Laufzeitverlängerung erwiderten, beim Wegfall der atomaren Stromerzeugungsanlagen würde sich die Angebotskurve verschieben und der Großhandelspreis würde sich deshahalb höher einstellen.

Wenn dem so wäre, könnte der Großhandelspreis dadurch beeinflusst werden, dass der in atomaren Stromerzeugungsanlagen erzeugte Strom von Anfang an nicht zu deren geringen Grenzkostenpreis auf dem Markt angeboten wird, man diese Strommengen nur im eigenen Konzern weiterverteilt und hierüber vermarktet, zu hohen Preisen.

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #8 am: 17. Februar 2011, 11:29:45 »
Betr: Beratung zur Sektorenuntersuchung „Stromerzeugung und Stromgroßhandel“

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

der Bund der Energieverbraucher e.V. ist der Ansicht, dass die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamt die wesentlichen Fragestellungen des Themas gar nicht aufgegriffen und untersucht hat. Das ist sehr bedauerlich und vergleichbar mit einer Kassenprüfung, bei man nur die Münzen zählt und die Scheine übersieht.

Um dies zu belegen, füge ich einen Schriftwechsel zwischen mir und dem Leiter der zuständigen Beschlusskammer, Dr. Engelsing bei.
Der renommierte Fachanwalt und Autor Dr. Peter Becker schreibt über die Untersuchung der Wettbewerbswächter: „Entscheidende Fragen sind nicht gestellt worden: Warum machen die großen Vier mit 80 Prozent ihres Stromangebots einen Bogen um die Energiebörse EEX, während gleichzeitig der damit hochgetriebene Börsenpreis als Referenzpreis gilt. Das Kartellamt hätte diese Strategie auf ihre Auswirkungen auf den Großhandelsmarkt untersuchen müssen.“(Quelle: ZfK).

Mit herzlichem Gruss
Dr. Aribert Peters
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Zur Sektorenuntersuchung Stromerzeugung/ Stromgroßhandel kann auf den Aufsatz von Becker in ZNER 15/2/2011 S. 114 ff. verwiesen werden.

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #10 am: 13. September 2011, 22:47:01 »
Aus dem Sondergutachten der Monopolkommission \"Strom und Gas 2011\", S. 15/273:

Zitat
14.* Die Monopolkommission würdigt die Bewältigung der komplexen Aufgabe einer Sektoruntersuchung des Stromgroßhandels und der Stromerzeugung durch das Bundeskartellamt. Allerdings wäre wünschenswert gewesen, gleichfalls weiterführende verhaltensbasierte Modelle, d.h. Ex-ante- und Ex-post-Simulationen, anzuwenden. Mittels weiterer verhaltensbasierter Simulationen wäre es z.B. möglich gewesen, ex ante Anreize für einen Marktmachtmissbrauch zu identifizieren und ex post Muster oder Abweichungen in verschiedenen Aktionsparametern aufzuspüren. Verhaltensbasierte Modelle erlauben insoweit ein besseres Verständnis für den Strommarktund schärfen den Blick hinsichtlich wichtiger strategischer und dynamischer Effekte. Bei der Bewertungder Ergebnisse der Sektoruntersuchung erscheint außerdem auffällig, dass durchschnittlich ein Viertel aller Erzeugungskapazitäten aus technischen Gründen (Revision, ungeplante Kraftwerksausfälle) zur Stromproduktion nicht verfügbar war. Vor dem Hintergrund, dass eine physische Kapazitätszurückhaltung sehr viel schwieriger nachweisbar ist als eine finanzielle und in Spitzenlastzeiten bereits eine Manipulation geringer Strommengen auf Angebotsseite das Strompreisniveau an der EPEX Spot erhöhen kann, gibt der hohe Anteil ausgefallener Kraftwerkskapazitäten aufgrund technischer Restriktion der Monopolkommission Anlass zur Skepsis. Die Monopolkommission fordert daher, dass bei zukünftigen Untersuchungen ausreichende Ressourcen für eine Überprüfung technischer Aspekte vorgehalten werden. Ferner hält sie es für dringend geboten, dass in Zukunft die Angaben hinsichtlich technischer Restriktionen näher plausibilisiert werden. Außerdem sollten die Prüfalgorithmen zur Kraftwerkseinsatzsteuerung, wie sie etwa das Bundeskartellamtverwendet hat, in Zukunft besser dokumentiert und insbesondere im Hinblick auf die Verrechnung sprungfixer Kosten und Zeitinkonsistenzen geprüft werden.

Zitat
485. Das Bundeskartellamt hat in seiner Sektoruntersuchung konkret festgestellt, dass der größteAbzugsposten bei der Berechnung der Gesamt- und der individuellen Kapazität die technischenRestriktionen seien. Durchschnittlich ein Viertel aller Erzeugungskapazitäten sei aus technischenGründen (Revision, ungeplante Kraftwerksausfälle) zur Stromproduktion nicht verfügbar gewesen.Dabei wurden Pumpspeicherkraftwerke und wärmegeführte Heizkraftwerke aufgrund der uneinheitlichenVorgehensweise der Unternehmen bei der Angabe der technischen Restriktionen undbei der Grenzkostenberechnung außer Betracht gelassen.

486. Das Amt konstatiert, dass neben Datenproblemen eine genauere Überprüfung der technischenRestriktionen selbst für nur einzelne Zeitpunkte und Kraftwerksblöcke mit den Ressourcen der Beschlussabteilungnicht leistbar gewesen sei. Auch sei es ex post oft schwierig, Entscheidungen überdie Abschaltung bzw. Einsenkung eines Kraftwerks nachzuvollziehen, da sie zumindest teilweisekurzfristig auf Zuruf und aufgrund spezieller Erfahrungswerte der handelnden Personen erfolgten.Daher könne seitens des Amtes definitiv nicht ausgeschlossen werden, dass die von den Unternehmenangesetzten Werte für technische Restriktionen gegebenenfalls zu hoch seien.

487. Vor dem Hintergrund, dass eine physische Kapazitätszurückhaltung sehr viel schwierigernachweisbar ist als eine finanzielle und bereits eine Manipulation geringer Strommengen auf Angebotsseitedas Strompreisniveau an der EEX, heute EPEX Spot, erhöhen kann, gibt der hohe Anteilausgefallener Kraftwerkskapazitäten aufgrund technischer Restriktion der MonopolkommissionAnlass zur Skepsis. Da der Anlass für die Durchführung der Sektoruntersuchung war, Kapazitätszurückhaltungender vier größten deutschen Stromerzeugerunternehmen zu identifizieren undhiermit missbräuchliches Verhalten, d.h. eine Preismanipulation an der Strombörse, nachzuweisen,erscheint die Höhe der von den Unternehmen ausgewiesenen technischen Restriktionen beachtlichund es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in der Menge der technischen Restriktionen durchausmissbräuchliche Kapazitätszurückhaltung enthalten ist. Zur Verifizierung dieser hohen Zahl antechnischen Restriktionen hängt nun die Belastbarkeit der Daten grundsätzlich davon ab, ob dieUnternehmen diesbezüglich richtige Angaben gemacht haben. Dass das Bundeskartellamt dieseAngaben indes nicht genauer überprüft hat bzw. überprüfen konnte, hält die Monopolkommissionfür problematisch, da es insoweit den Unternehmen weite Handlungsspielräume hinsichtlich einerKapazitätszurückhaltung eröffnet. Auch ist nicht klar, wie technische Restriktionen in einerGrößenordnung von 25 % konkret einzuordnen und zu bewerten sind, d.h. wie plausibel diekonkrete Menge technischer Restriktionen beispielsweise aus Sicht eines technischen Sachverständigenerscheint.

488. Des Weiteren konstatiert das Amt beispielsweise, dass der Anteil der technischen Restriktionenin Kraftwerksblöcken, die „im Geld“ sind, an den gesamten technischen Restriktionen in derSumme im Jahr 2007 bei 66 %, im Jahr 2008 bei 56 % lag. Technische Restriktionen wirken sichimmer dann auf die Merit Order und damit auf den Stromgroßhandelspreis aus, wenn sie einenKraftwerksblock betreffen, der „im Geld“ ist. Denn dann hätten die betreffenden Kapazitäten,wären sie verfügbar gewesen, im Falle einer Vermarktung teurere Kapazitäten aus der Merit Orderverdrängt. Technische Restriktionen in Kraftwerksblöcken, die „im Geld“ sind, wirken sich daherunmittelbar auf den Strompreis aus. Auch vor diesem Hintergrund könnte es sich hierbei um ein Indiz missbräuchlicher Kapazitätszurückhaltung handeln.

489. Die Monopolkommission fordert daher, dass zukünftig zur Überprüfung technischer Aspekteausreichend Ressourcen bereitgestellt werden. Es erscheint der Monopolkommission sachdienlich,dass externe Sachverständige (z.B. Ingenieure) stichprobenartig und zeitnah vor Ort prüfen, ob eine technische Restriktion tatsächlich vorliegt. Externe Experten mit technischem Sachverstand wärenzudem in der Lage, durchaus ex post eine quantitative und qualitative Einordnung technischerRestriktionen vorzunehmen. Ein derartiges Vorgehen bewirkt aus Sicht der Monopolkommission inder Zukunft einen gebotenen Abschreckungseffekt für die Stromerzeuger. Ein Vergleich der Anteiletechnischer Restriktionen zwischen den verschiedenen Unternehmen erfordert immer einedetaillierte Analyse der Gründe für die jeweiligen Anteile, auch wenn man hierbei nach Kraftwerksartendifferenziert. Allein mithilfe eines Benchmarkings der Anteile technischer Restriktionenbei den verschiedenen Unternehmen ist es nicht möglich, die Unternehmensangaben zu technischenRestriktionen zu plausibilisieren. So hält es die Monopolkommission für dringend geboten, dassin Zukunft die Angaben hinsichtlich technischer Restriktionen näher plausibilisiert werden. Hierfürist es erforderlich, den Unternehmen deutlich spezifischere Vorgaben im Hinblick auf diejeweiligen Datenkategorien zu machen, um eine bessere Datenqualität und größere Datenkonsistenzzu gewährleisten. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, die Angaben zu technischen Restriktionenweiter zu differenzieren, z.B. nach Revisionen, (disponiblen und nicht disponiblen) Kraftwerksausfällenund sonstigen Nichtbeanspruchbarkeiten. Hierdurch könnte die Vergleichbarkeit der Unternehmensangabendeutlich verbessert werden. Wenn die Daten jedoch differenzierter abgefragtwerden und damit eine größere Datentiefe und -qualität erreicht werden kann, erscheint eineweitergehende Verifizierung der Unternehmensangaben durch ein Benchmarking durchaus möglich.

490. Nach Meinung der Monopolkommission stellt die theoretische Möglichkeit, Kapazitätszurückhaltunghinter technischen Restriktionen zu verbergen, ein erhebliches Problem für diePrüfung von Missbräuchen dar. Die Frage, inwieweit dieses Problem grundsätzlich lösbar ist, kannohne erweiterte Kenntnisse des Marktes, etwa darüber, in welchen Situationen welche Höhe derKapazitätszurückhaltung für einen Anbieter lohnend ist, nur bedingt beantwortet werden.Prinzipiell könnten den Unternehmen bereits ex ante genauere Vorgaben gemacht werden, welcheDaten bereitzustellen sind. Das bei der Sektoruntersuchung aufgetretene Problem, dass die ex posterhobenen Daten bei den Unternehmen nicht (mehr) in der gewünschten Form vorlagen, würdedamit entfallen. Auf dieser Grundlage könntem die Daten zeitnah plausibilisiert werden. Insoweitkönnte sie sich auf ihr einzuräumende, allgemeine Auskunftsrechte stützen. Besondere rechtlicheVoraussetzungen ließen sich durch externe Sachverständige erlangen, um so die Unternehmensangabenauch nachvollziehen zu können.

Offline tangocharly

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #11 am: 14. September 2011, 15:36:36 »
Man spürt richtig, wie die MONOPOLKOMMISSION dazu ermuntern will, die Endkundenmärkte durch das BKartA mit Preismißbrauchsverfahren überprüfen zu lassen.

Zitat
Mehr Wettbewerb auf Energieendkundenmärkten

Um eine für die kartellrechtliche Kontrolle geeignete Marktabgrenzung im Bereich der Endkundenmärkte vorzunehmen, sollte das Bundeskartellamt  eine separate Abgrenzung der Grundversorgermärkte im Strom- und Gassektor durch quantitative Tests fundieren. eine im Strom- und Gassektor abweichende Abgrenzung der Märkte für die Belieferung von Haushalts- und Kleingewerbekunden mit Energie hinreichend begründen. Das Instrument der Preismissbrauchskontrolle sollte nur mit Bedacht angewendet werden und dementsprechend sollte das Bundeskartellamt auf Energieendkundenmärkten nur dann Preismissbrauchsverfahren einleiten, wenn keine angreifbaren Behinderungstatbestände vorliegen und in einem überschaubaren Zeitraum keine Wettbewerbsentwicklung in dem betroffenen Markt zu erwarten ist das Bundeskartellamt Verfahren auf Basis von § 29 GWB eher auf die Kostenkontrolle gemäß § 29 Satz 1 Nr. 2 GWB als auf den Entgeltvergleich nach § 29 Satz 1 Nr. 1 GWB stützen das Bundeskartellamt Preismissbrauchsverfahren stets am Maßstab wirksamen Wettbewerbs ausrichten und konsistent durchführen, sodass die Prüfmethodik auch einer gerichtlichen Überprüfung standhält. Bei Kostenkontrollen sollte das Amt deshalb Kapitalkosten berücksichtigen und symmetrische Zeiträume für die Prüfung eines möglichen Missbrauchs und die Wahl eines Vergleichsunternehmens wähle der Gesetzgeber den zum Jahresende 2012 auslaufenden § 29 GWB nicht verlängern.

Quelle: MONOPOLKOMMISSION Bonn, 13. September 2011 PRESSEMITTEILUNG
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Offline RR-E-ft

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #12 am: 14. September 2011, 15:59:31 »
Soweit ersichtlich, plädiert die Monopolkommission dafür, die zeitlich befristete Regelung des § 29 GWB auslaufen zu lassen.

Offline tangocharly

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #13 am: 14. September 2011, 21:52:30 »
Monopolkommissionsgutachten

Zitat
707.
Die Verteilung der Einsparpotenziale bei kommunalen Grundversorgern ähnelt der Verteilung bei privaten, nicht den vier großen Energieversorgern zugehörigen Anbietern. Es ist insofern nicht zu erkennen, dass kommunale Grundversorger ihren Kunden generell ein besonders vorteilhaftes Angebot unterbreiten. Die zum Teil erheblichen Einsparpotenziale bei einem Wechsel vom kommunalen Grundversorger zu einem meist privaten, erstplatzierten Anbieter deuten vielmehr darauf hin, dass die Kommunen, sofern sie Grundversorger sind, entweder vergleichsweise hohe Beschaffungs- und Vertriebskosten aufweisen oder ihre vorteilhafte Marktstellung gewinnoptimierend ausnutzen.

708.
Ein Grund für die beobachteten Differenzen der Verteilung der maximalen Einsparpotenziale könnte in einer stärker strategisch ausgerichteten Preispolitik der Grundversorger, die in der Hand der vier großen Energieversorgungsunternehmen sind, liegen. Offensichtlich vermeiden es diese Grundversorger zumindest, besonders hohe Einsparpotenziale zuzulassen. Dass gleichzeitig selten geringe Einsparpotenziale von unter 20 % zu beobachten sind, mag an den hier nicht analysierten Sondertarifangeboten der Grundversorger liegen. Da diese in der Regel günstiger als der hier betrachtete Standardtarif, jedoch teurer als der günstigste verfügbare Tarif im jeweiligen Gebiet sind, könnte sich bei Hinzunahme derartiger Tarife in die Analyse ein anderes Bild ergeben.
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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #14 am: 15. September 2011, 09:25:45 »
Zitat
Original von tangocharly
Monopolkommissionsgutachten

Zitat
707.
Die Verteilung der Einsparpotenziale bei kommunalen Grundversorgern ähnelt der Verteilung bei privaten, nicht den vier großen Energieversorgern zugehörigen Anbietern. Es ist insofern nicht zu erkennen, dass kommunale Grundversorger ihren Kunden generell ein besonders vorteilhaftes Angebot unterbreiten. Die zum Teil erheblichen Einsparpotenziale bei einem Wechsel vom kommunalen Grundversorger zu einem meist privaten, erstplatzierten Anbieter deuten vielmehr darauf hin, dass die Kommunen, sofern sie Grundversorger sind, entweder vergleichsweise hohe Beschaffungs- und Vertriebskosten aufweisen oder ihre vorteilhafte Marktstellung gewinnoptimierend ausnutzen.
    Für aufgeklärte Verbraucher ist das
nichts Neues, allerdings ist da in der Regel eher ein und zutreffend. Tausendmal Kommunal ist keine Garantie für Effizienz und Wettbewerb, es ist eher das Gegenteil.

Ein Wechsel zum günstigeren Anbieter ist für die Beförderung des Wettbewerbs immer gut. Leider ist der angebliche Wettbewerb zum großen Teil noch eine große Täuschung der Verbraucher. Stadtwerke sind z.B. kartellähnlich über die diversen Kommunalverbände und politischen Verflechtungen verknüpft und verbunden und sie verhalten sich entsprechend unisono. Das primäre Ziel ist nicht die sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente Versorgung, zu dem man eigentlich nach dem Verbraucher- und Kommunalrecht verpflichtet ist. Es geht um die neben den Steuern und Abgaben zusätzliche Mittelbeschaffung für die Stadtsäckel und Nebenhaushalten (Holdingkonstrukte), um Querfinanzierung etc. pp.. Das sollte der Monopolkommission und den Kartellämtern bekannt sein.

z.B. hier im Forum eine kleine Auswahl:

Stadtwerke  - Investor für den Profisport -

Rekommunalisierung der Netze

Grundversorger: Körperschaft des öffentlichen Rechts

Stadtwerke Rheine mit bester Bilanz

Quersubventionierung bei den Stadtwerken

Kommunen bejammern überlaut bedrohte Quersubventionen

Steuersparen zum Jahresende

Unter dem Strich

Städtetag: Neuregelung der Netzentgelte bedroht Stadtwerke

usw. usf.
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