Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: AG erklärt sich für sachlich unzuständig, Verweisungsantrag an Kartellkammer abgelehnt  (Gelesen 9300 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Kampfzwerg

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.041
  • Karma: +0/-0
Ein Verweisungsantrag an die Kartellkammer wurde seitens des AG abgelehnt, deren Sonderzuständigkeit verneint.
Weiterhin erklärt sich das AG für sachlich unzuständig und verweist an das LG.
Das allerdings stand anhand der Höhe des Streitwerts sowieso zu erwarten.

Schade. Vielleicht hielt das AG eine entsprechende Argumentation meines Anwalts nicht für ausreichend substantiiert begründet.

Wortlaut Beschluss des AG:

Zitat
Das AG erklärt sich für sachlich unzuständig und verweist den Rechtstreit auf Antrag der Klägerin sowie nach Anhörung der anderen Partei gem. §§ 281, 506 ZPO ohne mündliche Verhandlung an das LG XYZ.  

Gründe: Das LG XYZ ist sachlich und örtlich zuständig, so dass dem Verweisungsantrag der Klägerin zu entsprechen war. Es handelt sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit mit einem Streitwert, der X.000, 00 Euro übersteigt.

Eine kartellrechtliche oder energiewirtschaftliche ausschließliche Zuständigkeit des LG ABC (Kammer für Handelssachen) lässt sich aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht feststellen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 87 GWB bzw. von § 102  EnWG spricht nichts.  

So hat die Beklagte zum Zwecke der Begründung ihres Klageabweisungsantrags bislang lediglich die Rechtsauffassung vorgebracht, der Klägerin habe schon kein Preisänderungsrecht zur Seite gestanden: ebenso wenig habe sie eine Möglichkeit gehabt, lediglich Bezugskosten weiterzugeben.  

Damit ist aber in erster Linie die Frage bedeutsam, ob die Klägerin im vorliegenden Fall gegenüber der Beklagten berechtigt war, auf der Grundlage der zwischen den Parteien bestehenden  vertraglichen Vereinbarungen eine einseitige Preiserhöhung  vorzunehmen.  

Hierbei handelt es sich jedoch um allgemeine zivilrechtliche Fragen, gerade nicht um eine kartellrechtliche. So unterliegt die Erhöhung von Gaspreisen der Billigkeitskontrolle des § 315 III BGB (BGH NJW 2007, 2540) Zwar kann in  diesem Rahmen u. a. auch der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung eine Rolle spielen. Dazu ist jedoch nicht zwingend eine inhaltliche Prüfung der Normen des GWB notwendig.
Voraussetzung für die Zuständigkeit gem. § 87 GWB ist jedoch, dass eine Spruchreife nur unter Beantwortung einer kartellrechtlichen Frage erreicht werden kann (vgl. LG Hagen, Urteil vom 25.03.2009 – 7 S 84/08 ) .
Konkrete kartellrechtliche Normen, die im vorliegenden Fall streitentscheidend sein könnten, werden schließlich auch seitens der Beklagten nicht angeführt.  
Ferner sind vorliegend weder Anspruchsgrundlagen aus dem EnWG in Betracht zu ziehen noch hängt die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits von einer energiewirtschaftlichen Vorfrage ab.  

Da das EnWG dem Haushaltskunden lediglich einen Anspruch auf Grundversorgung gibt und damit nur das „Ob“ der Versorgung, d.h. die Frage des Netzzugangs regelt, nicht dagegen die Ausgestaltung des Individualvertrages über die Energielieferungen und die Höhe der Bezugspreise, unterliegt die Entscheidung über die Billigkeit einer Preiserhöhung  auch keiner nach diesem Gesetz zu treffenden Entscheidung i. S. des § 102 EnWG (vgl. OLG Celle: Beschluss vom 27.05.2010 – 13 AR 1/10).

Mithin war der Rechtsstreit mangels ersichtlicher Spezialzuständigkeit nach den allgemeinen Regeln an das LG XYZ zu verweisen.



Infos zu Verweisungsantrag und Zuständigkeit siehe auch hier
Verweisungsantrag

Offline bolli

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.396
  • Karma: +23/-11
Zitat
Original von Kampfzwerg
Schade. Vielleicht hielt das AG eine entsprechende Argumentation meines Anwalts nicht für ausreichend substantiiert begründet.

Zitat
Wortlaut Beschluss des AG:
...
Gründe: Das LG XYZ ist sachlich und örtlich zuständig, so dass dem Verweisungsantrag der Klägerin zu entsprechen war. Es handelt sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit mit einem Streitwert, der X.000, 00 Euro übersteigt.

Eine kartellrechtliche oder energiewirtschaftliche ausschließliche Zuständigkeit des LG ABC (Kammer für Handelssachen) lässt sich aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht feststellen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 87 GWB bzw. von § 102  EnWG spricht nichts.  

So hat die Beklagte zum Zwecke der Begründung ihres Klageabweisungsantrags bislang lediglich die Rechtsauffassung vorgebracht, der Klägerin habe schon kein Preisänderungsrecht zur Seite gestanden: ebenso wenig habe sie eine Möglichkeit gehabt, lediglich Bezugskosten weiterzugeben.  
Diese Auffassung würde sich aus meiner Sicht dann eventuell halten lassen, wenn sich in keinem Fall ein Preiserhöhungsrecht aus der gesetzlichen Regelung der AVBGasV bzw. der GasGVV ergeben kann. Falls es auf das gesetzliche Preiserhöhungsrecht und eine ggf. deshalb bestehende Prüfung der Billigkeit der Preise nicht ankommt, könnte die Spezialzuständigkeit des § 102 EnWG tatsächlich nicht gegeben sein.

Zitat
Wortlaut Beschluss des AG:
Hierbei handelt es sich jedoch um allgemeine zivilrechtliche Fragen, gerade nicht um eine kartellrechtliche. So unterliegt die Erhöhung von Gaspreisen der Billigkeitskontrolle des § 315 III BGB (BGH NJW 2007, 2540) Zwar kann in  diesem Rahmen u. a. auch der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung eine Rolle spielen. Dazu ist jedoch nicht zwingend eine inhaltliche Prüfung der Normen des GWB notwendig.
Voraussetzung für die Zuständigkeit gem. § 87 GWB ist jedoch, dass eine Spruchreife nur unter Beantwortung einer kartellrechtlichen Frage erreicht werden kann (vgl. LG Hagen, Urteil vom 25.03.2009 – 7 S 84/08 ) .
Konkrete kartellrechtliche Normen, die im vorliegenden Fall streitentscheidend sein könnten, werden schließlich auch seitens der Beklagten nicht angeführt.  
Junge, Junge. Hier mischt ein Amtsrichter aber mal wieder zähen Brei an.
Wenn er selbst behauptet, dass die Erhöhung der Gaspreise der Billigkeitskontrolle unterliegt, so sollte er wissen, dass dieses nur bei der gesetzlichen Regelung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts der Fall ist, welches sich aus der AVBGasV bzw. GasGVV ergibt. Diese haben aber das EnWG als Grundlage, was wiederum eine LG-Zuständigkeit (Kammer für Handelssachen) gem. § 102 EnWG begründen würde.

Zitat
Wortlaut Beschluss des AG:
Ferner sind vorliegend weder Anspruchsgrundlagen aus dem EnWG in Betracht zu ziehen noch hängt die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits von einer energiewirtschaftlichen Vorfrage ab.  
Das ist, wie oben erläutert, eben nicht der Fall, wenn die Frage der Billigkeit eine Rolle spielt.

Zitat
Wortlaut Beschluss des AG:
Da das EnWG dem Haushaltskunden lediglich einen Anspruch auf Grundversorgung gibt und damit nur das „Ob“ der Versorgung, d.h. die Frage des Netzzugangs regelt, nicht dagegen die Ausgestaltung des Individualvertrages über die Energielieferungen und die Höhe der Bezugspreise, unterliegt die Entscheidung über die Billigkeit einer Preiserhöhung  auch keiner nach diesem Gesetz zu treffenden Entscheidung i. S. des § 102 EnWG (vgl. OLG Celle: Beschluss vom 27.05.2010 – 13 AR 1/10).
Hier verkennt der gute Herr Richter, dass das EnWG i.V.m. GasGVV mitnichten nur das \"ob\" regelt. Denn nur aus § 5 Abs. 2 GasGVV ergibt sich das einseitige Leistungsbestimmungsrecht (Preisfestsetzung durch den Versorger), welches der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegt. Erlassgrundlage für die GasGVV ist § 17 Abs. 3 EnWG. Daher ist aus meiner Sicht hier ganz klar eben jene Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen am LG gegeben, die der Herr Amtsrichter nicht sieht.  8)

Aber wie war das mit dem Spruch: \"Vor Gericht und auf  hoher See ...\"

Falls Sie unbedingt eine Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen am LG haben möchten, gibt\'s ja ggf. noch Möglichkeiten, diese zu erreichen, falls die Billigkeitsfrage eine Rolle spielen könnte. Ihr Anwalt sollte diese ja kennen.

Offline Kampfzwerg

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.041
  • Karma: +0/-0
@bolli

Vielen Dank.
Ich sehe das ähnlich.
Und die Vermischung von Äpfeln und Birnen ergibt ein Kompott. ;)

Zitat
Falls Sie unbedingt eine Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen am LG haben möchten,...
In diesem Zusammenhang und in meinem speziellen Fall fand ich es deshalb schade, dass wir nicht vor der Kartellkammer des LG landen werden, da diese bereits Erfahrung in einem anderen Streit mit dem selben Versorger hat. Die Grundlage war allerdings damals ursprünglich ein Tarifkundenverhältnis.
Mein Anwalt hat in jedem Fall mein vollstes Vertrauen!


Leztendlich wird eine letztinstanzliche Entscheidung in dem anderen Fall wahrscheinlich wohl eher vom BGH  entschieden sein, als meiner vor dem LG.  Wir werden sehen.
siehe auch
BGH VIII ZR 178/09 mündliche Verhandlung am 03.11.10 Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertragskunde

Offline bolli

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.396
  • Karma: +23/-11
Auch dieser Fall hat ja zuständigkeitsmäßig eine \"komische\" Wendung genommen. Mal sehen, ob wir da noch was zu erfahren, nachzuvollziehen ist es derzeit ja nicht.
Na sei\'s drum. solange keine wirksame Preisanpassungsklausel vorhanden ist und die AVBGasV bzw. GasGVV nicht wirksam einbezogen ist, dürfte es egal sein, wo Ihr Fall verhandelt wird. Chancen eher gut ! :D

Offline Didakt

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.644
  • Karma: +16/-19
  • Geschlecht: Männlich
Zitat
Na sei\'s drum. solange keine wirksame Preisanpassungsklausel vorhanden ist und die AVBGasV bzw. GasGVV nicht wirksam einbezogen ist, dürfte es egal sein, wo Ihr Fall verhandelt wird. Chancen eher gut !
Zitat

Diese positive Prognose hat sicher einen aufmunternden Effekt. Aber eingedenk des für mich negativ ausgefallenen Urteils in meinem Rechtstreit - trotz der o.a. Voraussetzungen - stehe ich solchen Aussagen nunmehr sehr skeptisch gegenüber.

Ich halte es da schon eher mit dem von Ihnen erwähnten Spruch: \"Vor Gericht und auf hoher See ...\"

MfG

Offline Kampfzwerg

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.041
  • Karma: +0/-0
@Didakt

Soweit ich mich erinnere, stimmen die Voraussetzungen in unseren beiden Verfahren nicht ganz überein. In Ihrem Fall entschied ein AG, der Streitwert lag unter 600,- Euro und eine Berufung wurde leider nicht zugelassen.

In meinem Fall kommt der Rechtsstreit direkt vor ein LG, der Streitwert liegt eindeutig höher.
Un ich glaube nicht, dass wir den Prozess verlieren, aber wenn doch, sollte aller Erwartung nach auch eine Berufung zugelassen werden.
Ersterem gegenüber bin ich jedenfalls durchaus optimistisch, auch wenn \"glauben\" synonym für \"nicht wissen\" steht  ;)

Offline Didakt

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.644
  • Karma: +16/-19
  • Geschlecht: Männlich
@ Kampfzwerg

Ihre Einschätzung teile ich. Sie haben eindeutig die \"besseren Karten\"!

Eigentlich wollte ich nach meinen Erfahrungen und der Kenntnisnahme von einigen fragwürdigen Urteilen nur zum Ausdruck bringen, dass Euphorie ein schlechter Wegbegleiter sein kann. \"Nichts ist unmöglich\" bei den Gerichten.

Jedenfalls wünsche ich Ihnen in Ihrer Streitsache viel Erfolg!

Offline Kampfzwerg

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.041
  • Karma: +0/-0
Zitat
Original von Kampfzwerg
... Vielleicht hielt das AG eine entsprechende Argumentation meines Anwalts nicht für ausreichend substantiiert begründet.

Nach Sichtung des Schriftsatzes der Gegenseite erachte ich diese Vemutung für unwahrscheinlich.

Vielmehr hat sich der gegnerische Anwalt die Mühe gemacht, seine Rechtsauffassung bestätigende, entsprechende Urteile nicht nur in Form von kurzer(!) Begründung, AZ, Datum, zu zitieren, sondern ganze Textpassagen der Urteilsbegründungen zu kopieren.

Das alleine ergab beschriftete Papierseiten in 2-stelliger Höhe.
Nur zum Thema \"Zuständigkeit\" und Verweisungantrag an eine Kartellkammer!  :rolleyes:
In der Sache selbst kann es nur noch umfangreicher werden.

Und das AG hat die gebotene Gelegenheit wohl auch gerne ergriffen.
Ist ja auch wesentlich einfacher, wenn man nicht einmal mehr selbst die entsprechenden Urteile nachlesen und sich eine eigene Meinung bilden muss, sondern alles mehr oder weniger \"entscheidungsreif\" serviert bekommt.


Man gedenke in diesem Zusammenhang der Ressource \"Baum\", denn jeder Schriftsatz muss mehrfach kopiert werden.

Offline Kampfzwerg

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.041
  • Karma: +0/-0
Zitat
Original von Kampfzwerg
Letztendlich wird eine letztinstanzliche Entscheidung in dem anderen Fall wahrscheinlich wohl eher vom BGH  entschieden sein, als meiner vor dem LG.  Wir werden sehen.
siehe auch
BGH VIII ZR 178/09 mündliche Verhandlung am 03.11.10 Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertragskunde

 :D Und wie wir sehen:
Es gibt keine Entscheidung des BGH mehr.
Die Revision wurde zurückgenommen!

BGH VIII ZR 178/09 mündliche Verhandlung am 03.11.10 Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertragskunde

Die NGW wollten wohl kein weiteres negatives Urteil, zumindest keines mit der Signalwirkung eines Leuchtfeuers, nämlich vor dem BGH, riskieren!

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz