Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg  (Gelesen 14539 mal)

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Offline RR-E-ft

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« am: 09. August 2010, 15:45:43 »
PM des OLG Nürnberg

Das OLG müsste geprüft haben, ob in den Vertrag mit dem betroffenen Sondervertragskunden überhaupt eine wirksame Preisänderungsklausel einbezogen war und ob die einzelnen Preisänderungen der Billigkeit entsprachen (vgl. BGH VIII ZR 327/07).

Ob die maßgeblichen Tatsachenfragen zutreffend festgestellt und gewürdigt wurden, insbesondere zur Frage der Einbeziehung einer Preisänderungsklausel gem. § 305 BGB, lässt sich aus der PM nicht beurteilen.

Offline wulfus

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #1 am: 10. August 2010, 21:49:02 »
Woher holen sich diese Nürnberger Richter eigentlich ihr Fachwissen für dieses Metier? ... und womit bilden sie ihr Urteilsvermögen?
Lesen sie etwa nicht in diesem Forum mit?

Offline RR-E-ft

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #2 am: 10. August 2010, 23:25:34 »
Warum sollten Richter aus Nürnberg oder andernorts in diesem Forum mitlesen?
Die Gerichte arbeiten regelmäßig - wie auch viele Anwälte -  mit der Rechtsprechungsdatenbank http://www.juris.de,  wo man einen Großteil bisheriger Entscheidungen zur Probelmatik findet.

Offline userD0013

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #3 am: 11. August 2010, 13:01:23 »
Nach verschiedenen Presseveröffentlichungen, z.B. hier, spielt es bei der Frage der Preisgestaltung keine Rolle, ob ein Energieversorger Verluste in anderen Teilen des Konzerns subventioniert.
Wie verträgt sich das mit den EnWG?

Offline Lothar Gutsche

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #4 am: 11. August 2010, 15:16:45 »
@ hby

Die Pressemitteilung des OLG Nürnberg vom 9.8.2010 zu dem Gaspreisprozess mit Aktenzeichen 1 U 2437/08 enthält die folgende Aussage:

Auch hat das Oberlandesgericht entschieden, dass es unerheblich ist, ob der Energieversorger mit seinen Gewinnen andere Teile des Konzerns quersubventioniert. Insbesondere der Ausgleich von Verlusten der städtischen Verkehrsbetriebe durch Gewinne des Energieversorgers betreffe die Gewinnverwendung durch die Gesellschaft und sei deshalb nicht durch das Gericht zu überprüfen. Für die Billigkeit der Preiserhöhungen komme es nämlich allein darauf an, ob sie durch entsprechende Kostensteigerungen gerechtfertigt sind. Nachdem die Gewinne des Energieversorgers aus dem Gasabsatz nicht gestiegen seien, bestehe kein Anspruch auf Überprüfung des Verhaltens der Gesellschaft, soweit es die Quersubventionierung angeht.

Die Nürnberger Nachrichten leiten daraus am 10.8.2010 ab:
\"Bei der Frage der Preisgestaltung spiele es keine Rolle, ob ein Energieversorger Verluste in anderen Teilen des Konzerns subventioniere.\"

Natürlich bleiben die Urteilsgründe abzuwarten. Aber die Aussage in den Nürnberger ist gegenüber der Pressemitteilung des OLG stark verkürzt. Denn mitnichten erteilt das OLG Nürnberg einen Freibrief für jegliche Form von Quersubventionierung. Wenn die Gewinne aus dem Geschäft mit Energie so hoch sind, dass daraus Defizite z. B. im öffentlichen Nahverkehr, in städtischen Schwimmbädern oder in Kulturbetrieben gedeckt werden können, dann liegt zumindest der Verdacht von mehreren Rechtsverstößen nahe. Dazu wären jedoch nähere Informationen über Unternehmenskennzahlen der N-Ergie nötig, u. a. zur Eigenkapitalrendite und zur möglichen Preisdifferenzierung gegenüber verschiedenen Abnehmern. Wenn man von den Preisklausel-Diskussionen und den Fragen rund um die §§ 305 - 310 BGB absieht, existieren für die Preisgestaltung mehrere rechtliche Grenzen.

1. kartellrechtliche Grenzen
Die Preisgestaltung kann gegen z. B. durch Preisspaltung oder deutliches Übersteigen der Kosten gegen Kartellrecht verstoßen, z. B. § 19 GWB oder § 29 GWB.

2. energiewirtschaftsrechtliche Grenzen
Die Energiepreise können eine Eigenkapitalrendite erzeugen, die weit über üblichen Vergleichsgrößen des Energiewirtschaftsrechts liegen. Als Vergleichsmaßstäbe nennt Dr. Peter Becker dazu in dem Artikel „Kartellrechtliche Kontrolle von Strompreisen“ in der Zeitschrift für Neues Energierecht (ZNER) Heft 4, 2008, auf Seite 293:
Im Energierecht wurden auf Basis von § 21 Abs. 2 EnWG Verzinsungsvorschriften für das eingesetzte Eigenkapital (EK) bei Strom- und Gasnetzen vorgesehen, so von 6,5 % innerhalb der kalkulatorischen EK-Verzinsung von Altanlagen bzw. 7,91 % bei Neuanlagen (§ 7 Abs. 6 S. 2 StromNEV). Beim Gas wurden EK-Zinssätze bei Altanlagen von 7,8 % bzw. bei Neuanlagen von 9,21 % auf das EK vorgeschrieben (§ 7 Abs. 6 S. 2 GasNEV). Nach dem Beschluss der Bundesnetzagentur vom 07.07.2008 sind es nunmehr 9,29 % für Neu- und 7,56 % für Altanlagen vor Steuern.
Demnach dürften Eigenkapitalrenditen von deutlich über 10 % energiewirtschaftsrechtlich unzulässig sein.

3. kommunalrechtliche Grenzen
Wenn es sich bei dem Energieversorger um ein Unternehmen handelt, das sich mehrheitlich im Eigentum einer Kommune befindet, dann gelten diverse Kommunalvorschriften. die N-Ergie gehört zu rund 60 % der Städtischen Werke Nürnberg GmbH, die wiederum zu 100 % der Stadt Nürnberg gehört.
Nach Artikel 87 Absatz 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern entsprechen alle „Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen“, keinem öffentlichen Zweck. Das bayerische Kommunalabgabengesetz sieht in Artikel 8 zu den Benutzungsgebühren auch keine Gewinnerzielung vor. Vielmehr soll nach Absatz 2 von Artikel 8 des Kommunalabgabengesetzes das Gebührenaufkommen „die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten einschließlich der Kosten für die Ermittlung und Anforderung von einrichtungsbezogenen Abgaben decken.“ Nach Absatz 3 von Artikel 8 des Kommunalabgabengesetzes gehören zu den Kosten „insbesondere angemessene Abschreibungen von den Anschaffungs- und Herstellungskosten und eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals.“ Die bayerische Eigenbetriebsverordnung sieht in § 8 zu „Gewinn und Verlust“ vor, dass der Jahresgewinn des Eigenbetriebs so hoch sein soll, dass neben angemessenen Rücklagen „mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet wird“. Für Kommunalkredite sind derzeit 5 - 6 % Zins üblich. Eine Eigenkapitalrendite, die darüber hinaus geht, wäre kommunalrechtlich verboten.


Diese drei genannten Grenzen beziehen sich nicht auf die Gewinnverwendung z. B. in Form einer Quersubvention, sondern allein auf der Herkunft der Gewinne. In meinem Zivilstreit habe ich diese Argumente auch eingeführt, siehe u. a. Seite 29 - 33 in dem Schriftsatz vom 18.2.2009 unter http://www.ra-bohl.de/Schriftsatz_18.02.09.pdf und Seite 20 - 22 in dem Schriftsatz vom 20.10.2009 unter http://www.ra-bohl.de/Schriftsatz_20.10.09.pdf. Durch Verstoß gegen die genannten rechtlichen Grenzen wird ein Preis automatisch unbillig. Was die Gewinnverwendung für eine Quersubvention angeht, so verweise ich auf meine umfangreiche Abhandlung zur Verfassungswidrigkeit der Quersubvention durch überhöhte Energiepreise vom November 2008 unter http://www.cleanstate.de/Energiepreise.html.

Ich vermute, der Gaskunde der N-Ergie hat in dem Zivilstreit keine entsprechenden Argumente vorgetragen. Im Fokus dürften die Preisanpassungsklauseln gestanden haben und natürlich die Argumentation des VIII. Zivilsenats, durch widerspruchloses Bezahlen von Rechnungen neue Preise zu vereinbaren. Denn es handelte sich laut Pressemitteilung des OLG Nürnberg um einen Sondervertragskunden. Genaueres bleibt aber den Urteilsgründen vorbehalten.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
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Offline Black

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #5 am: 11. August 2010, 15:29:31 »
Zitat
Original von Lothar Gutsche

2. energiewirtschaftsrechtliche Grenzen
Die Energiepreise können eine Eigenkapitalrendite erzeugen, die weit über üblichen Vergleichsgrößen des Energiewirtschaftsrechts liegen. Als Vergleichsmaßstäbe nennt Dr. Peter Becker dazu in dem Artikel „Kartellrechtliche Kontrolle von Strompreisen“ in der Zeitschrift für Neues Energierecht (ZNER) Heft 4, 2008, auf Seite 293:
Im Energierecht wurden auf Basis von § 21 Abs. 2 EnWG Verzinsungsvorschriften für das eingesetzte Eigenkapital (EK) bei Strom- und Gasnetzen vorgesehen, so von 6,5 % innerhalb der kalkulatorischen EK-Verzinsung von Altanlagen bzw. 7,91 % bei Neuanlagen (§ 7 Abs. 6 S. 2 StromNEV). Beim Gas wurden EK-Zinssätze bei Altanlagen von 7,8 % bzw. bei Neuanlagen von 9,21 % auf das EK vorgeschrieben (§ 7 Abs. 6 S. 2 GasNEV). Nach dem Beschluss der Bundesnetzagentur vom 07.07.2008 sind es nunmehr 9,29 % für Neu- und 7,56 % für Altanlagen vor Steuern.
Demnach dürften Eigenkapitalrenditen von deutlich über 10 % energiewirtschaftsrechtlich unzulässig sein.

Diese Quoten hat die BNetzA für die Gewinne im Netzbetrieb festgesetzt und nicht für die Energielieferung. Im Gegensatz zum Netzbetrieb soll der Lieferpreis ja gerade nicht reguliert werden. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Liberalisierung gerade eine Abkehr von genehmigten Tarifobergrenzen vorgenommen.

Insoweit kann aus Festlegungen die für den relativ risikoarmen Bereich des Netzbetriebes gelten keine allgemeine Verbindlichkeit einer Marge geschlossen werden. Die BNetzA wäre gar nicht befugt Margengrenzen für Energielieferanten festzulegen. Daher kann auch nicht mittelbar aus einer Festlegung für die Netzsparte eine solche Quopte geschlossen werden.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline PLUS

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #6 am: 11. August 2010, 21:12:38 »
Zitat
Original von Lothar Gutsche

3. kommunalrechtliche Grenzen
Für Kommunalkredite sind derzeit 5 - 6 % Zins üblich. Eine Eigenkapitalrendite, die darüber hinaus geht, wäre kommunalrechtlich verboten.
...

Das war in der Hochzinsphase. Aktuell kosten Kommunalkredite ab 500 TEUR von 1,4 % (einjährige Zinsbindung - 3,5 % (dreissigjährige Zinsbindung).

... und die Grenzen liegen vor der Renditeschmälerung durch zweckfremde  Quersubventionen.

Welche Kommunalaufsicht geht dagegen vor? Welche Möglichkeiten hat der einzelne Bürger als Verbraucher? \"Besonderes\" Verwaltungsrecht!

Die Verflechtung zwischen Kommunal-, Landes- und Bundespolitik macht das kommunale Wirtschaftsrecht zur Makulatur.

Das zeigt sich selbst im Steuer- und Abgabenrecht. Als der Fiskus gegen die steuerlichen Auswirkungen der Quersubventionen vorging, hat man das mit massivem Einfluss der Lobbyverbänden und den genannten Querbeziehungen unterbunden. Im letzten Jahressteuergesetz hat man die fiskalische Seite sogar rückwirkend \"korrigiert\". Aus illegal wurde im nachhinein legal.  

Wer hat das eigentlich registiert  oder gar moniert - z.B. von Verbraucherseite?  So sieht das aus in diesem unserem Rechtsstaat.

Offline Black

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #7 am: 12. August 2010, 10:01:02 »
Zitat
Original von Lothar Gutsche
Die bayerische Eigenbetriebsverordnung sieht in § 8 zu „Gewinn und Verlust“ vor, dass der Jahresgewinn des Eigenbetriebs so hoch sein soll, dass neben angemessenen Rücklagen „mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet wird“. Für Kommunalkredite sind derzeit 5 - 6 % Zins üblich. Eine Eigenkapitalrendite, die darüber hinaus geht, wäre kommunalrechtlich verboten.

Sie führen weiter oben jedoch aus, dass es sich beim vorliegenden Energieversorger um eine (privatrechtliche) GmbH mit kommunaler Beteiligung handelt und nicht um die öffentlich rechtliche Form des sog. Eigenbetriebes.

http://de.wikipedia.org/wiki/Eigenbetrieb

Insoweit findet die Eigenbetriebsverordnung keine Anwendung.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline Lothar Gutsche

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #8 am: 12. August 2010, 10:02:58 »
@ Black

Herr Dr. Peter Becker führt in dem bereits zitierten Aufsatz „Kartellrechtliche Kontrolle von Strompreisen“ in der Zeitschrift für Neues Energierecht (ZNER) Heft 4, 2008, auf Seite 293 weiter aus:

\"Entsprechende Regelungen gibt es für Gewinnzuschläge beim Stromhandel nicht. Jedoch gab es für die Genehmigung angemessener Strompreise im Monopol die Arbeitsanleitung zu § 12 BTOElt, in der für die EK-Verzinsung auf eine Vergleichsrendite aus der Anlage von festverzinslichen Wertpapieren abgestellt wurde. Sie umfasste auch die EK-Verzinsung aus dem Stromhandel. Diese Regeln sind seit dem Außerkrafttreten der BTOElt unwirksam. Jetzt dürften die Vorschriften des Energie- und TK-Rechts für die EK-Verzinsung analogiefähig sein.\"

Im übrigen resultiert aus § 29 GWB indirekt sehr wohl eine Preisregulierung, wie an anderer Stelle bereits festgestellt und kritisiert wurde (Gutachten \"Preisregulierung durch Kartellrecht - § 29 GWB auf dem Prüfstand des europäischen Rechts\" von Prof. Dr. Siegfried Klaue und Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Sonderheft Dezember 2008 des Instituts für Energie- und Wettbewerbsrecht in der Kommunalen Wirtschaft e.V., Berlin, ISSN 1866-8585). Ich behaupte nicht, dass der Bundesnetzagentur das Recht zur Preisregulierung zustehen würde. Doch der Analogieschluss von Dr. Peter Becker und die preisregulierende Wirkung von § 29 GWB eröffnen im Prozess gewisse Spielräume.


@ PLUS

Sie haben völlig recht, dass Kommunalkredite derzeit wesentlich niedriger verzinst werden, siehe z. B. http://www.dghyp.de/oeffentliche-finanzierungen/kommunale-kredite/konditionen/. In meinem Zivilprozess mit den Stadtwerken Würzburg legten die Stadtwerke ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers vor, in dem für die Frage der angemessenen kalkulatorischen Zinsen auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 17.1.2007 (Aktenzeichen W 2 K 06.413) Bezug genommen wurde. Demnach ist bei der Bemessung des Zinssatzes auf das mehrjährige Mittel der Kapitalmarktrendite abzustellen ist und \"nicht auf die derzeitigen - relativ niedrigen - Zinssätze\". So kam das Verwaltungsgericht Würzburg zu dem Ergebnis, einen Zinssatz von 4,9 % - 5,5 % im Rahmen einer Abwassergebührenkalkulation nach dem BayKG als nicht von vorneherein fehlerhaft zu betrachten.

Ihren Ausführungen zur Quersubvention kann ich voll zustimmen. An der Verfassungswidrigkeit ändert selbst die Änderung des Körperschaftssteuergesetzes im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 nichts. In meinem Zivilstreit werde ich den Aspekt der Verfassungswidrigkeit auf jeden Fall weiterverfolgen.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
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Offline PLUS

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #9 am: 12. August 2010, 11:46:21 »
Zitat
Original von Lothar Gutsche

Ihren Ausführungen zur Quersubvention kann ich voll zustimmen. An der Verfassungswidrigkeit ändert selbst die Änderung des Körperschaftssteuergesetzes im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 nichts. In meinem Zivilstreit werde ich den Aspekt der Verfassungswidrigkeit auf jeden Fall weiterverfolgen.
Es ist nur so, dass landauf-landab die Änderung gleichzeitig als Aufhebung der Grenzen des Kommunalrechts gefeiert wird. Die Dämme sind gebrochen und jetzt hat die Phantasie freien Lauf, was da alles noch in Stadtwerke eingegliedert und quersubventioniert werden kann und darf. Sportarenen sind schon gängig. Warum denn nicht auch defizitäre Kindergärten, man kann sie ja mit Solarzellen oder mit einer KWK-Heizung versehen und schon hat man den Anknüpfungspunkt zu den Stadtwerken.  Viele städtische Feuerwehrmagazine liefern schon Solarstrom an die Stadtwerke.  Also was spricht gegen eine Feuerwehr unter dem Dach der Stadtwerke  :evil:. Es gibt noch mehr ...

Allgemeine kommunale Aufgaben, die eindeutig aus den öffentlichen Haushalten zu finanzieren sind, werden intransparent über privatrechtliche organisierte Unternehmen querfinanziert.  Energieverbraucher zahlen die Zeche je nach Energieverbrauch und Heizung. Wer mit Öl oder Holz heizt, leistet keinen entsprechenden Beitrag mehr.

Über die Lobby (Kommunalverbände) mit ihren Beratern ist man sich einig. Der Wettbewerb wird hier ausgesetzt. Es sind mindestens kartellähnliche Verhältnisse. Neben den Steuern und Abgaben generiert man auf der kommunalen Ebene eine fragwürdige Finanzierung öffentlicher Aufgaben. Rechts- und verfassungsmässig?

 Dazu passt diese Pressemitteilung:

Zitat
Auch hat das Oberlandesgericht entschieden, dass es unerheblich ist, ob der Energieversorger mit seinen Gewinnen andere Teile des Konzerns quersubventioniert. Insbesondere der Ausgleich von Verlusten der städtischen Verkehrsbetriebe durch Gewinne des Energieversorgers betreffe die Gewinnverwendung durch die Gesellschaft und sei deshalb nicht durch das Gericht zu überprüfen. Für die Billigkeit der Preiserhöhungen komme es nämlich allein darauf an, ob sie durch entsprechende Kostensteigerungen gerechtfertigt sind. Nachdem die Gewinne des Energieversorgers aus dem Gasabsatz nicht gestiegen seien, bestehe kein Anspruch auf Überprüfung des Verhaltens der Gesellschaft, soweit es die Quersubventionierung angeht.
PM Kanzlei Scholz & Weispfenning

Hier wird schon nicht mehr differenziert zwischen Quersubventionierung und zweckfremd verwendeten Gewinnen. Wird quersubventioniert werden Gewinne geschmälert bzw. sie entstehen erst gar nicht. Bisher wurden \"nur\" überhöhte Gewinne (überhöht weil nicht betriebswirtschaftlich notwendig) ausgeschüttet und zweckfremd verwendet.

@Lothar Gutsche, man kann Ihnen als Bürger und Verbraucher nur viel Erfolg wünschen.

Offline Black

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #10 am: 12. August 2010, 17:47:12 »
Zitat
Original von Lothar Gutsche
Doch der Analogieschluss von Dr. Peter Becker und die preisregulierende Wirkung von § 29 GWB eröffnen im Prozess gewisse Spielräume.

Aber nicht in diesem Prozess  :D
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #11 am: 12. August 2010, 17:53:50 »
Da wäre ich mir nicht so sicher. Es kommt darauf an, was in diesem Prozess geltend gemacht wird.
Das könnte auch eine Preisgestaltung sein, die u.a. gegen § 29 GWB verstößt und deshalb auch unbillig ist.
Der betroffene  Einzelkunde kann sich auch auf einen Verstoß gegen kartellrechtliche Bestimmungen bei der Preisfindung berufen (vgl. BGH KZR 21/08]

Offline tangocharly

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #12 am: 07. September 2010, 12:25:44 »
Die entscheidende Frage, welche die Diskutanten hier beschäftigt, ist doch nur die, ob mit Hilfe einer existierenden Quersubventionierung aus Gewinnen, welche nach der Sockeltheorie des Achten unangreifbar sind und die in andere Unternehmensbereiche fließen, aus

(a) Energierwirtschaftsrechtlicher  und/oder

(b) Kartellrechtlicher

Sicht für laufende Prozesse Honig gesaugt werden kann.

Dass das Unternehmen mittels Einsatz von Gewinnen, die in anderen Sparten erzielt werden können, den streitgegenständlichen Preis einer anderen Sparte nicht senken  muß, wurde ja vom Achten schon entschieden.

Gefragt wurde nun, ob der umgekehrte Vorgang mit energiewirtschaftsrechtlichen Kriterien vereinbar ist. Antwort: wenn man europäische Energiepolitik Ernst nehmen wollte, dann auf keinen Fall.

Aber, wie meinte jetzt Öttinger, seines Zeichens blutjunger Energiekommissar, Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken, stellen keine Frage für Europa dar. Dies, obgleich selbst bei einer Absenkung der Strompreise um > 2 ct/kWh, die Gewinne der Vier Krokodile immer noch (geschätzt) im kleinen Milliardenbereich steigen werden.

Und was Stadtwerke hiervon halten, siehste da
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline DieAdmin

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Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg
« Antwort #13 am: 16. September 2010, 14:14:16 »
Das 27seitige Urteil ist in der Entscheidungssammlung:

http://www.energieverbraucher.de/de/site/Preisprotest/site/site__2714/

 

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