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Autor Thema: LG Gera, Urt. v. 01.09.09 Az. 1 HK O 104/08 - Zahlungsklage abgewiesen (Stadtwerke Eisenberg GmbH)  (Gelesen 3072 mal)

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Zitat
Landgericht Gera
1 HK O 104/08       

Verkündet am: 01.09.2009


IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit
Stadtwerke Eisenberg GmbH , 07607 Eisenberg

- Klägerin -

Prozessbevollmächtigte:   

gegen

Prozessbevollmächtigter:   
 
hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Gera durch
Vorsitzende Richterin am Landgericht Böttcher-Grewe
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2009
für Recht erkannt:

1.Der Rechtsstreit ist erledigt.
Die darüber hinausgehende Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Bezahlung gelieferten Gases im Zeitraum 01.01.2006 bis 31.01.2008. Der Beklagte bezog an der Abnahmestelle ... in 07607 Eisenberg Gas von der Klägerin.

Am 27.01.2007 übersandte die Klägerin dem Beklagten für den Zeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2007 eine Rechnung mit einem Zahlungsbetrag von 497,13 €. Als Vertragsgegenstand wurde in die Abrechnung die Bezeichnung „Sonderprodukt\" aufgenommen (9). Am 28.01.2008 übersandte die Klägerin dem Beklagten eine Rechnung für Gasbezug in dem Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2007, die auf einen Zahlungsbetrag von 640,15 € lautete. Die Bezeichnung des aktuellen Vertragsgegenstandes in dieser Abrechnung lautete „Sonderprodukt\" (197,198]. Am 21.02.2008 übersandte die Klägerin dem Beklagten im Zeitraum 01.01.2008 bis 31.01.2008 eine Rechnung über 769,49 €. Diese Rechnung wurde in der Erläuterung als Endabrechnung bezeichnet. Der aktuelle Vertragsgegenstand wurde als „Sonderprodukt\" beschrieben (199,200).

Die Vertragsbeziehung zwischen den Parteien ist zum 31.01.2008 beendet.

Die Klägerin vertritt die Rechtsansicht, dass der Gasbezugsvertrag mit dem Beklagten der Grundversorgung nach § 36 EnWG unterfalle. Die Klägerin sei daher bis zum 01.05.2007 nach § 25 AVBGasV berechtigt gewesen, Abschlagszahlungen zu verlangen und die Änderung der allgemeinen Tarife und Bedingungen nach § 4 Abs. 2 AVBGasV dem Beklagten weiterzuberechnen. Nach dem 01.07.2005 ergebe sich die Berechtigung aus § 39 Abs. 1 EnWG i. V. m. § 5 Abs. 2 GasGVV für die Preisänderung und aus § 13 GasGVV für die Berechtigung Abschlagszahlungen zu verlangen.

Am 23.08.2007 hat die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 554,08 € sowie 5 % Zinsen hieraus seit dem Basiszinssatz seit dem 24.08.2007 zuzüglich Zinsen von 18,72 € zum 23.08.2007 zum zahlen.

Am 26.11.2007 hat die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 644,08 € nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 27.11.2007 sowie weitere 31,16 € Zinsen per 26.11.2007 zu zahlen.

Die Differenz zu dem ursprünglichen Antrag stützt die Klägerin auf Abschläge, die sie zum 15.09.2007, 15.10.2007 und 15.11.2007 in Höhe von 148,00 € gefordert habe, auf die der Beklagte aber nur 118,00 € jeweils gezahlt habe.

Am 05.08.2009 hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 226,03 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinszinssatz der EZB seit dem 07.03.2008 zu zahlen und im Übrigen die Hauptsache für erledigt zu erklären.

Diesen Antrag stützt die Klägerin darauf, dass auf die Schlussrechnung vom 21.02.2008 in Höhe von 769,49 € der Beklagte zunächst eine Zahlung von 201,67 € und anschließend von 341,79 € geleistet habe.
 
Der Beklagte vertritt die Rechtsansicht, dass zwischen den Parteien kein Gaslieferungsvertrag nach § 36 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes bestehe, nach denen die Klägerin den Beklagten als Haushaltskunden mit Gas zu allgemeinen Preisen zu beliefern habe.

Die Klägerin sei daher weder berechtigt Anschlagszahlungen zu verlangen, noch die Gaslieferungspreise nach § 5 Abs. 2 GasGVV zu ändern. Auch aufgrund anderer vertraglicher Grundlage sei eine Berechtigung der Klägerin zum Erhalt von Abschlagszahlungen und zur einseitigen Preisveränderung nicht gegeben.

Es läge auch keine Erledigung der Hauptsache vor, da die Zahlung des Beklagten vom 11.04.2008 über 341,79 € nicht auf die Endabrechnung der Klägerin vom 21.02.2008 erfolgt sei.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist, soweit nicht durch die Zahlungen des Beklagten in Höhe von 201,67 € und 341,49 € auf die Endabrechnung vom 21.02.2008 Erledigung eingetreten ist, unbegründet.

Der Energieversorgungsvertrag zwischen den Parteien ist kein Grundversorgungsvertrag nach § 36 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes, da es sich nach den vorgelegten Rechnungen um ein Sonderprodukt handelt. Eine Rechtsgrundlage für die Klägerin zur einseitigen Preisbestimmung und Geltendmachung von Abschlagszahlungen nach der AVGasBV und der GasGVV besteht nicht.

Da zwischen den Parteien auch kein schriftlicher Sondervertrag geschlossen wurde, in dessen Vertragsbedingungen sich die Berechtigung der Klägerin zur einseitigen Preisveränderung und zur Geltendmachung von Abschlagszahlungen enthalten ist, kann die Klägerin ihre Berechtigung zur einseitigen Preiserhöhung und zum Verlangen von Abschlagszahlungen auch nicht auf eine vertragliche Regelung stützen.´

Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich daher um ein Dauerschuldverhältnis zur sukzessiven Lieferung von Gas. Der Vertragsschluss ist konkludent durch die Entnahme des Gases an der Abnahmestelle erfolgt. Eine Vereinbarung über den Kaufpreis des Gases wurde zwischen den Parteien nicht getroffen.
 
Da die Klägerin sich nicht auf die Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz für die Preisbestimmung stützen, könnte sie nur einen allgemeinen Preis geltend machen.

Aus dem Umstand, dass die Klägerin ein Sonderprodukt gegenüber dem Beklagten berechnet hat ergibt sich, dass neben dem allgemeinen Preis für das gelieferte Gas auch Sonderpreise bestehen.
Die Preisvereinbarung wurde zwischen den Parteien daher erst in dem Moment geschlossen, indem der Beklagte auf Rechnungsstellung der Klägerin Kaufpreis entrichtet hat und Preisvereinbarung zum dem Leistungsgegenstand hinzutrat.

Daraus folgt, dass der Klägerin für die noch verlangten 226,03 € kein Kaufpreisanspruch nach § 433 Abs. 2 BGB zur Seite steht, da die Einigung hierüber mit dem Beklagten nicht erfolgt ist.
Der Beklagte befand sich auch zu keinem Zeitpunkt in der Zahlung nach § 286 Abs. 2 BGB in Verzug. Ein Verzug konnte nicht eintreten, da die Preiseinigung, aus der sich die Forderung der Klägerin ergab, erst im Zeitpunkt der Zahlung eintrat.

Für die Klageforderung ist auch in Höhe der durch den Beklagten geleisteten Zahlung von 341,79 € Erledigung eingetreten. Infolge der unvollständigen Vertragsbeziehung fallen die Einigung über den Kaufpreis, die Fälligkeit der Kaufpreisforderung und ihre Erfüllung durch Zahlung in einem Zeitpunkt zusammen.

Die Kosten waren gemäß § 91 ZPO auch für den erledigten Teil der Klägerin aufzuerlegen. Auch die Forderung des Klageerhöhungsbetrags aus dem Schriftsatz vom 06.11.2007 und die in der Erledigung enthaltene Klageerhöhungsforderung aus dem Schriftsatz vom 05.08.2009 waren erst mit Zahlung des Beklagten entstanden. In der besonderen Vertragssituation fällt die Entstehung der klägerischen Forderung mit deren Erfüllung durch Zahlung des Beklagten zusammen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf die §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Böttcher-Grewe
Vorsitzende Richterin am Landgericht
 
Beschluss:
Der Streitwert wird festgesetzt:      
vom 03.11.2007 bis 20.12.2007 auf   554,08   €
vom 21.12.2007 bis 11.08.2009 auf   644,08   €
ab dem 11.08.2009 auf                   660,79   €.

Böttcher-Grewe      
Vorsitzende Richterin am Landgericht      

Die Stadtwerke wollten eine Art Musterklage bei dem Amtsgericht Stadtroda auf den Weg bringen.  Auf das Bestreiten, dass es sich um eine Belieferung im Rahmen der Grundversorgung handele und einen enstprechenden gerichtlichen Hinweis, hatte der Versorger  im Verfahren über seine Prozessbevollmächtigten erklären lassen, es handele sich nicht um ein Sonderprodukt im eigentlichen Sinne. Das Amtsgericht hatte den Rechtsstreit frühzeitig wegen § 102 EnWG an das Landgericht- Kammer für Handelssachen - verwiesen.

Nach der bemerkenswerten Entscheidung des LG Gera konnten wohl vertragliche Kaufpreisansprüche in der besonderen Vertragssituation nur entstehen, soweit der Kunde auf Abrechnungen der Stadtwerke zu dem auf den Abrechnungen ausgewiesenen Vertragsgegenstand \"Sonderprodukt\" überhaupt Zahlungen leistete.

Die Entscheidung zur besonderen Vertragssituation bei  den zur Abrechnung gestellten  \"Sonderprodukten im uneigentlichen Sinn\" der Stadtwerke Eisenberg  wird sich wohl nicht auf andere Fälle außerhalb Eisenbergs übertragen lassen. Wohl nur in  Ostthüringen sind solche besonderen \"Sonderprodukte\" bei Strom und Gas verbreitet. Sie wurden auch schon bei anderen ostthüringer Stadtwerken ausgemacht. Man kennt sie wohl auch in Jena.

Die besondere Vertragssituation ist jeweils wie folgt gekennzeichnet:

Der Versorger stellt (von seinen Gnaden) für Strom- oder Gaslieferungen einfach einen Preis zur Abrechnung, der weder bei Vertragsabschluss noch später vertraglich vereinbart wurde und auch nicht mit den veröffentlichten Allgemeinen Tarifen (Preisen) des Versorgers übereinstimmt, wobei sich die zur Abrechnung gestellten Preise von Jahr zu Jahr und sogar innerhalb eines Abrechnungszeitraumes hinsichtlich Grund- und Arbeitspreis erheblich voneinander unterscheiden können, so dass sie für den Kunden vollkommen unvorhersehbar sind. Der Kunde muss sich deshalb nach Erhalt der Rechnung entscheiden, ob er die zur Abrechnung gestellten Preise des Sonderproduktes bezahlen möchte oder aber nicht.

Bemerkenswert ist dabei, dass die entsprechenden Versorger selbst nicht erklären können, wie sie auf die von ihnen zur Abrechnung gestellten Preise jeweils gekommen sind. Sie erklären dabei, dass man sich mit den Kunden weder bei Vertragsabschluss noch später auf feststehende Preise geeinigt hatte und  vertreten zudem die Auffassung, die von (ihren Gnaden)  zur Abrechnung gestellten Preise seien jedenfalls zu bezahlen, was sich (vermeintlich) schon aus § 30 AVBV ergäbe. Schließlich könne der Kunde, der mit den (von ihren Gnaden) zur Abrechnung gestellten Preisen nicht einverstanden sei, ja den Lieferanten wechseln. Wenn sich Kunden in dieser besonderen Vertragssituation plötzlich weigern, die von Gnaden des Versorgers zur Abrechnung gestellten Preise zu bezahlen, halten die Versorger dies für rechtsmissbräuchlich, wenn die Kunden zuvor jahrelang die von Gnaden der Versorger jeweils zur Abrechnung gestellten Preise unbeanstandet bezahlt hatten.

Einige Kunden haben sich gegen die Zahlung der zur Abrechnung gestellten Preise entschieden und dürfen sich wohl in dieser besonderen Vertragssituation nun durch das Landgericht Gera bestätigt sehen.

Inwieweit solche besonderen Typen auch außerhalb Thüringens verbreitet sind, ist nicht ersichtlich.

 

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